Einleitung
4. Erste Schritte auf dem Weg zur Zweiten Reformation
Während sich in den drei Kirchenordnungen von 1555, 1563 und 1565 bereits eine zunehmende Akzentu-
ierung reformierter Elemente abzeichnete, lassen sich Ende der 1560er Jahre deutliche Anzeichen dafür
erkennen, dass sich Ludwig I. noch stärker der reformierten Theologie zugewandt hatte.52 1568 reiste er
nach Zürich, wo er mit Heinrich Bullinger und anderen Theologen, darunter Rudolf Gwalther, Markus
Beumler, Johannes Wolf und Josias Simmler, zusammentraf und mit diesen darüber beriet, ob die Bild-
werke aus den Kirchen zu entfernen seien.53 Obwohl sich der Graf bereits in den 1560er Jahren zur refor-
mierten Theologie bekannte, setzte er die Zweite Reformation in der Grafschaft erst im Laufe der 1570er
Jahre durch. Wichtiger Impulsgeber für diese Entwicklung war Johann VI. von Nassau-Dillenburg (reg.
1560-1606), der 1578 ebenfalls das reformierte Bekenntnis in seinem Land einführte.54
4. Mandat, die Kirchenordnungen zu beachten 26. Januar 1569 (Text S. 119)
5. Synodalbeschluss 7. Juli 1569 (Text S. 120)
Mit den drei Kirchenordnungen waren die Grundlagen für das evangelische Kirchenwesen der Grafschaft
Wittgenstein gelegt worden. Am 26. Januar 1569 erließ Ludwig I. ein Mandat, das an Pfarrer, Schulthei-
ßen, Senioren und Dorfvorsteher gerichtet war und in dem er ihnen die Beachtung der bisher erlassenen
Ordnungen einschärfte (Nr. 4).
Die einzelnen Bestimmungen wurden mittels regelmäßig einberufener Synoden durchgesetzt. Die Ver-
sammlung, die am 7. Juli 1569 in Berleburg zusammenkam, beschloss neben Regelungen für einzelne Kirch-
spiele auch allgemeingültige Punkte. So sollten die Gläubigen ermahnt werden, die Gottesdienste mit grö-
ßerer Andacht und nicht nur aus Gewohnheit zu besuchen. Bei den kirchlichen Zeremonien sollte der bisher
übliche Taufexorzismus unterbleiben. Diese Bestimmung war bereits in der Kirchenordnung von 1565 for-
muliert worden, die Durchsetzung war aber offenbar schwierig, so dass man auf der Synode vier Jahre
später erneut darauf drängen musste (Nr. 5). Man beschloss, Pfarrer und Prediger auf den Synoden zu
ihrem Lehrverständnis zu befragen und die Pfarrer aufzufordern, sich von den Senioren ihres Kirchspiels
alle 14 Tage Auskunft über vorhandene Missstände geben zu lassen. Ferner wurde auf Einheitlichkeit „im
gesegnen des brots und weins im sacrament“ geachtet. In der akzentuierten Benennung des Brots im
Abendmahl findet sich bereits ein Hinweis auf den reformierten Ritus.55
Auf einer weiteren, am 5. Juni 1571 nach Berleburg einberufenen Synode, ging man gegen volksfromme
Bräuche vor. In den Beschlüssen heißt es: „Her Joachim56 ... beclagt, ... daß etliche [Gläubige] hagelfeyern
anrichten. Ist bevohlen, daß dieser und anderer dergleichen grewel allenthalben solle von pastoribus auß der
52 Vgl. Menk, Politische Kultur, S. 73, 89, 94; Bildheim,
Staatstheorien, S. 203-219.
53 Burkardt, Art. Sayn-Wittgenstein; Burkardt u.a.,
Kirchen des Kirchenkreises, S. 23; Stupperich, Refor-
mationsgeschichte, S. 190; Schröer, Reformation 1,
S. 451; Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 40, 82; Dü-
well, Reformation 2012, S. 63f., 67f.; Kroh, Wiederent-
deckung, S. 56; Hamelmann, Reformationsgeschichte,
S. 305 Anm. 2; Menk, Crocius, S. 654f.; Heckmann,
Reformation, S. 20f.
54 Schröer, Reformation 1, S. 210; Bauer, Reformation
Wittgenstein, S. 9f.; Burkardt, Art. Sayn-Wittgen-
stein. Zum Einfluss der Nassau-Dillenburger Kirchenpo-
litik auf Wittgenstein siehe Menk, Politische Kultur;
ders., Territorialstaat; ders., Olevian. Ludwig von Witt-
genstein war jedoch nicht nur mit Johann VI., sondern
auch mit dessen Bruder Wilhelm von Oranien freund-
schaftlich verbunden. Er hatte 1561 an dessen Hochzeits-
feier in Leipzig teilgenommen und unterstützte ihn seit
1568 auch finanziell in dessen Bemühungen im Niederlän-
dischen Freiheitskampf, Pampus, Ludwig, S. 33; Heck-
mann, Ludwig der Ältere, S. 23-28.
55 Zum Inhalt siehe Herbers, Beiträge, S. lllf.; Bur-
kardt, Kirchenordnung, S. 74.
56 Vermutlich Joachim Krug (Urceus), der von 1555 bis um
1578 Pfarrer in Erndtebrück war, Bauks, Pfarrer,
Nr. 3512.
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4. Erste Schritte auf dem Weg zur Zweiten Reformation
Während sich in den drei Kirchenordnungen von 1555, 1563 und 1565 bereits eine zunehmende Akzentu-
ierung reformierter Elemente abzeichnete, lassen sich Ende der 1560er Jahre deutliche Anzeichen dafür
erkennen, dass sich Ludwig I. noch stärker der reformierten Theologie zugewandt hatte.52 1568 reiste er
nach Zürich, wo er mit Heinrich Bullinger und anderen Theologen, darunter Rudolf Gwalther, Markus
Beumler, Johannes Wolf und Josias Simmler, zusammentraf und mit diesen darüber beriet, ob die Bild-
werke aus den Kirchen zu entfernen seien.53 Obwohl sich der Graf bereits in den 1560er Jahren zur refor-
mierten Theologie bekannte, setzte er die Zweite Reformation in der Grafschaft erst im Laufe der 1570er
Jahre durch. Wichtiger Impulsgeber für diese Entwicklung war Johann VI. von Nassau-Dillenburg (reg.
1560-1606), der 1578 ebenfalls das reformierte Bekenntnis in seinem Land einführte.54
4. Mandat, die Kirchenordnungen zu beachten 26. Januar 1569 (Text S. 119)
5. Synodalbeschluss 7. Juli 1569 (Text S. 120)
Mit den drei Kirchenordnungen waren die Grundlagen für das evangelische Kirchenwesen der Grafschaft
Wittgenstein gelegt worden. Am 26. Januar 1569 erließ Ludwig I. ein Mandat, das an Pfarrer, Schulthei-
ßen, Senioren und Dorfvorsteher gerichtet war und in dem er ihnen die Beachtung der bisher erlassenen
Ordnungen einschärfte (Nr. 4).
Die einzelnen Bestimmungen wurden mittels regelmäßig einberufener Synoden durchgesetzt. Die Ver-
sammlung, die am 7. Juli 1569 in Berleburg zusammenkam, beschloss neben Regelungen für einzelne Kirch-
spiele auch allgemeingültige Punkte. So sollten die Gläubigen ermahnt werden, die Gottesdienste mit grö-
ßerer Andacht und nicht nur aus Gewohnheit zu besuchen. Bei den kirchlichen Zeremonien sollte der bisher
übliche Taufexorzismus unterbleiben. Diese Bestimmung war bereits in der Kirchenordnung von 1565 for-
muliert worden, die Durchsetzung war aber offenbar schwierig, so dass man auf der Synode vier Jahre
später erneut darauf drängen musste (Nr. 5). Man beschloss, Pfarrer und Prediger auf den Synoden zu
ihrem Lehrverständnis zu befragen und die Pfarrer aufzufordern, sich von den Senioren ihres Kirchspiels
alle 14 Tage Auskunft über vorhandene Missstände geben zu lassen. Ferner wurde auf Einheitlichkeit „im
gesegnen des brots und weins im sacrament“ geachtet. In der akzentuierten Benennung des Brots im
Abendmahl findet sich bereits ein Hinweis auf den reformierten Ritus.55
Auf einer weiteren, am 5. Juni 1571 nach Berleburg einberufenen Synode, ging man gegen volksfromme
Bräuche vor. In den Beschlüssen heißt es: „Her Joachim56 ... beclagt, ... daß etliche [Gläubige] hagelfeyern
anrichten. Ist bevohlen, daß dieser und anderer dergleichen grewel allenthalben solle von pastoribus auß der
52 Vgl. Menk, Politische Kultur, S. 73, 89, 94; Bildheim,
Staatstheorien, S. 203-219.
53 Burkardt, Art. Sayn-Wittgenstein; Burkardt u.a.,
Kirchen des Kirchenkreises, S. 23; Stupperich, Refor-
mationsgeschichte, S. 190; Schröer, Reformation 1,
S. 451; Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 40, 82; Dü-
well, Reformation 2012, S. 63f., 67f.; Kroh, Wiederent-
deckung, S. 56; Hamelmann, Reformationsgeschichte,
S. 305 Anm. 2; Menk, Crocius, S. 654f.; Heckmann,
Reformation, S. 20f.
54 Schröer, Reformation 1, S. 210; Bauer, Reformation
Wittgenstein, S. 9f.; Burkardt, Art. Sayn-Wittgen-
stein. Zum Einfluss der Nassau-Dillenburger Kirchenpo-
litik auf Wittgenstein siehe Menk, Politische Kultur;
ders., Territorialstaat; ders., Olevian. Ludwig von Witt-
genstein war jedoch nicht nur mit Johann VI., sondern
auch mit dessen Bruder Wilhelm von Oranien freund-
schaftlich verbunden. Er hatte 1561 an dessen Hochzeits-
feier in Leipzig teilgenommen und unterstützte ihn seit
1568 auch finanziell in dessen Bemühungen im Niederlän-
dischen Freiheitskampf, Pampus, Ludwig, S. 33; Heck-
mann, Ludwig der Ältere, S. 23-28.
55 Zum Inhalt siehe Herbers, Beiträge, S. lllf.; Bur-
kardt, Kirchenordnung, S. 74.
56 Vermutlich Joachim Krug (Urceus), der von 1555 bis um
1578 Pfarrer in Erndtebrück war, Bauks, Pfarrer,
Nr. 3512.
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