Die Grafschaft Wittgenstein
menschen hertzen gepredigt und ihnen solchs im werck nit verstattet werden soll“.57 Die obrigkeitliche
Kritik richtete sich auch gegen die in der römischen Kirche begangenen Hagelfeiertage, die in den einzelnen
Pfarreien an individuell gewählten Terminen mit feierlichem Hochamt gefeiert wurden. Hierzu gehörte
auch eine von Glockengeläut begleitete Prozession, bei der man Kreuz, Reliquien und eine Monstranz mit
konsekrierter Hostie mitführte, um an festgelegten Stationen um gutes Wetter zu beten.58
6. Hofordnung 1. Januar 1570 (Text S. 121)
Zu den zahlreichen Ordnungen, die Ludwig I. erließ, gehörte auch eine für den gräflichen Hof. In der
Ordnung vom 1. Januar 1570 umschrieb er die Aufgaben der einzelnen Bediensteten, vom Koch bis zum
Schäfer. Daneben traf er Regelungen für den kirchlichen Bereich. Die Untertanen sollten die evangelischen
Gottesdienste besuchen und sich währenddessen nicht in Wirtshäusern aufhalten, sie sollten die Sonn- und
Feiertage heiligen, ein gottgefälliges Leben führen und Gotteslästerung sowie Zutrinken unterlassen, sie
sollten zum Abendmahl gehen „und sich dessen nach christlicher einsatzung und gewonheit gebrau-
chen“.59 Zu Beginn der Hofordnung von 1570 ist erwähnt, dass es sich um eine „ernewerte“ Ordnung
handelt. Eine ältere Regelung ist jedoch nicht überliefert.60
7. Polizeiordnung 1. Mai 1573 (Text S. 124)
Während die Hofordnung von 1570 (Nr. 6) lediglich für die Bediensteten des gräflichen Hofs gültig war,
richtete sich die drei Jahre später erlassene Polizeiordnung an alle Untertanen. In der Vorrede berief sich
Ludwig I. auf die Reichspolizeiordnung von 1530 und deren Revision von 1548. Mit seiner Polizeiordnung
wollte er diese reichsweit geltenden Ordnungen den regionalen Verhältnissen in der Grafschaft anpassen.
Gotteslästerung, Fluchen und Schwören wurden ebenso untersagt wie alle Arten von Zauberei - insbeson-
dere das Segensprechen. Ferner ging Graf Ludwig gegen Täufer und andere vom offiziellen Landesbekennt-
nis abweichende Gruppierungen vor. Daneben führt die Ordnung aus, dass Eheverbindungen nicht ohne die
Zustimmung der Eltern zulässig seien, der Landfrieden zu beachten sei, wie mit Fremden, insbesondere
Landsknechten, Bettlern, Müssiggängern, „zigeunern“ und Juden umgegangen werden sollte. Weitere
Abschnitte reglementierten den Wirtshausbesuch und untersagten insbesondere das Zutrinkens.61
Auch in dieser, vornehmlich auf die Sittenzucht des christlichen Lebens gerichteten Ordnung scheinen
Züge reformierter Theologie auf,62 und möglicherweise nahm Ludwig hierfür die kurpfälzische Polizeiord-
nung (1562) und Eheordnung (1563) zum Vorbild.63
57 FA Berleburg, Akten, K 12 (Protokoll der Synode).
58 Zu den Hagelfeiertagen siehe Kyll, Hagelfeier,
S. 113-171; Lang, Würfel, S. 235f.
59 Zum Inhalt siehe Herbers, Beiträge, S. 123-125; Hins-
berg, Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 160f.
60 Hinsberg, Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 160. Dem-
gegenüber gehen Hartnack, Landrecht, S. 16 und von
Kamptz, Provinzial- und statutarische Rechte, S. 594
davon aus, dass die Hofordnung von 1579 stammt und
auf eine ältere Ordnung von 1570 zurückgeht.
61 Zum Inhalt siehe Bauer, Reformation Wittgenstein,
S. 56-63; Herbers, Beiträge, S. 116-122; Hinsberg,
Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 161-163.
62 Stupperich, Reformationsgeschichte, S. 190; Bauer,
Reformation Wittgenstein, S. 56ff.; Schröer, Reforma-
tion 1, S. 451; Kohl, Zeitalter der Glaubenskämpfe,
S.522.
63 So Schröer, Reformation 1, S. 451f. Abdruck der beiden
kurpfälzischen Ordnungen in Sehling, EKO XIV,
S.264-288.
68
menschen hertzen gepredigt und ihnen solchs im werck nit verstattet werden soll“.57 Die obrigkeitliche
Kritik richtete sich auch gegen die in der römischen Kirche begangenen Hagelfeiertage, die in den einzelnen
Pfarreien an individuell gewählten Terminen mit feierlichem Hochamt gefeiert wurden. Hierzu gehörte
auch eine von Glockengeläut begleitete Prozession, bei der man Kreuz, Reliquien und eine Monstranz mit
konsekrierter Hostie mitführte, um an festgelegten Stationen um gutes Wetter zu beten.58
6. Hofordnung 1. Januar 1570 (Text S. 121)
Zu den zahlreichen Ordnungen, die Ludwig I. erließ, gehörte auch eine für den gräflichen Hof. In der
Ordnung vom 1. Januar 1570 umschrieb er die Aufgaben der einzelnen Bediensteten, vom Koch bis zum
Schäfer. Daneben traf er Regelungen für den kirchlichen Bereich. Die Untertanen sollten die evangelischen
Gottesdienste besuchen und sich währenddessen nicht in Wirtshäusern aufhalten, sie sollten die Sonn- und
Feiertage heiligen, ein gottgefälliges Leben führen und Gotteslästerung sowie Zutrinken unterlassen, sie
sollten zum Abendmahl gehen „und sich dessen nach christlicher einsatzung und gewonheit gebrau-
chen“.59 Zu Beginn der Hofordnung von 1570 ist erwähnt, dass es sich um eine „ernewerte“ Ordnung
handelt. Eine ältere Regelung ist jedoch nicht überliefert.60
7. Polizeiordnung 1. Mai 1573 (Text S. 124)
Während die Hofordnung von 1570 (Nr. 6) lediglich für die Bediensteten des gräflichen Hofs gültig war,
richtete sich die drei Jahre später erlassene Polizeiordnung an alle Untertanen. In der Vorrede berief sich
Ludwig I. auf die Reichspolizeiordnung von 1530 und deren Revision von 1548. Mit seiner Polizeiordnung
wollte er diese reichsweit geltenden Ordnungen den regionalen Verhältnissen in der Grafschaft anpassen.
Gotteslästerung, Fluchen und Schwören wurden ebenso untersagt wie alle Arten von Zauberei - insbeson-
dere das Segensprechen. Ferner ging Graf Ludwig gegen Täufer und andere vom offiziellen Landesbekennt-
nis abweichende Gruppierungen vor. Daneben führt die Ordnung aus, dass Eheverbindungen nicht ohne die
Zustimmung der Eltern zulässig seien, der Landfrieden zu beachten sei, wie mit Fremden, insbesondere
Landsknechten, Bettlern, Müssiggängern, „zigeunern“ und Juden umgegangen werden sollte. Weitere
Abschnitte reglementierten den Wirtshausbesuch und untersagten insbesondere das Zutrinkens.61
Auch in dieser, vornehmlich auf die Sittenzucht des christlichen Lebens gerichteten Ordnung scheinen
Züge reformierter Theologie auf,62 und möglicherweise nahm Ludwig hierfür die kurpfälzische Polizeiord-
nung (1562) und Eheordnung (1563) zum Vorbild.63
57 FA Berleburg, Akten, K 12 (Protokoll der Synode).
58 Zu den Hagelfeiertagen siehe Kyll, Hagelfeier,
S. 113-171; Lang, Würfel, S. 235f.
59 Zum Inhalt siehe Herbers, Beiträge, S. 123-125; Hins-
berg, Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 160f.
60 Hinsberg, Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 160. Dem-
gegenüber gehen Hartnack, Landrecht, S. 16 und von
Kamptz, Provinzial- und statutarische Rechte, S. 594
davon aus, dass die Hofordnung von 1579 stammt und
auf eine ältere Ordnung von 1570 zurückgeht.
61 Zum Inhalt siehe Bauer, Reformation Wittgenstein,
S. 56-63; Herbers, Beiträge, S. 116-122; Hinsberg,
Sayn-Wittgenstein-Berleburg, S. 161-163.
62 Stupperich, Reformationsgeschichte, S. 190; Bauer,
Reformation Wittgenstein, S. 56ff.; Schröer, Reforma-
tion 1, S. 451; Kohl, Zeitalter der Glaubenskämpfe,
S.522.
63 So Schröer, Reformation 1, S. 451f. Abdruck der beiden
kurpfälzischen Ordnungen in Sehling, EKO XIV,
S.264-288.
68