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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0087
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Einleitung

5. Die Einführung des reformierten Bekenntnisses um 1574
Ein wichtiger Faktor für die Einführung der Zweiten Reformation in Wittgenstein war Ludwigs I. Kontakt
zu Friedrich III. von der Pfalz. Vermutlich auf Empfehlung Heinrich Bullingers trat Ludwig 1574 als
Großhofmeister in die Dienste des Pfälzer Kurfürsten in Heidelberg.64 Hier traf er nicht nur mit Caspar
Olevian zusammen, den er vermutlich bereits um 1550 bei seinem Studienaufenthalt in Padua kennenge-
lernt hatte, sondern auch mit Zacharias Ursinus und Daniel Tossanus. Mit beiden sowie mit Theodor Beza
und Hieronymus Zanchi blieb Ludwig auch in den folgenden Jahren in Kontakt.65 Als 1576 in der Kurpfalz
wieder das Luthertum eingeführt wurde, kehrte der Wittgensteiner Graf nach Berleburg zurück66 und nahm
einige der aus der Kurpfalz vertriebenen reformierten Theologen mit. So holte er Caspar Olevian (1536-
1587)67 als Hofprediger und Erzieher seiner Söhne nach Berleburg. In den 1570er Jahren wurde Olevian zur
wichtigsten Figur der Zweiten Reformation in Wittgenstein.
1574, im gleichen Jahr, in dem Ludwig I. als Großhofmeister in den Dienst Kurfürst Friedrichs III.
getreten war, hatte er in Berleburg erstmals das Abendmahl nach reformiertem Ritus mit gebrochenem
Brot gefeiert. Der Chronist Georg Cornelius berichtet: „In diesem Jar hat man Ostien verlassen, und
Kuchen lassen backen vierkantz und gebrochen und im Nachtmahl außgetheilet, geschehen im Rathau-
se“.68 Da sich Ludwig I. zwischen 1574 und 1576 in Heidelberg aufhielt, konnte er das reformierte Bekennt-
nis in seinem Land nicht konsequent durchsetzen. Erst 1577/78 intensivierten sich die Bemühungen, indem
Caspar Olevian den Heidelberger Katechismus und vermutlich auch die kurpfälzische Kirchenordnung in
der Grafschaft einführte.69 Seit Ostern 1578 feierte man in der Berleburger Kirche das Abendmahl regel-
mäßig nach reformiertem Ritus.70

64 Press, Calvinismus, S. 27f„ 161, 255-258, 274-279; Dü-
well, Reformation 2012, S. 63f.; Menk, Olevian, S. 169;
Neweling, Ludwig, S. 228f.
65 Heckmann, Reformation, S. 20f.
66 Nach dem Tod des Kuradministrators Johann Casimir
1592 übernahm Ludwig von Wittgenstein bis 1594 noch
einmal das Amt des kurpfälzischen Großhofmeisters,
Burkardt, Art. Sayn-Wittgenstein; Pampus, Ludwig,
S. 31; Heckmann, Reformation, S. 20-22.
67 Zu Olevian siehe Menk, Olevian, S. 139-204; Franz,
Gunther/Holtmann, Wilhelm (Red.), Caspar Ole-
vian 1536-1587. Jurist und Theologe aus Trier (Ausstel-
lungskataloge Trierer Bibliotheken 20), Trier 1990; Goe-
ters, J. F. Gerhard, Caspar Olevianus als Theologe,
in: ders., Beiträge zur Union und zum reformierten
Bekenntnis, hg. von Heiner Faulenbach und Wilhelm H.
Neuser, Bielefeld 2006, S. 215-284; Kroh, Wiederentdek-
kung, S. 46-54; Hinsberg, Kirchengemeinde Berleburg,
S. 26-29; Grün, Hugo, Die theologische Fakultät der
Hohen Schule Herborn 1584-1817, in: JHKGV 19 (1968),
S. 57-145; Schlosser, Heinrich, Caspar Olevianus
(1536-1587), in: Nassauische Lebensbilder 1, Wiesbaden
1940, S. 67-73; Steubing, Johann Hermann, Lebens-
nachrichten von den Herborner Theologen, in: ZHTh 11
(1841), S. 74-138; Cuno, Blätter der Erinnerung.
68 Zitiert nach Hartnack, Chroniken, S. 72. Während des
Kirchenneubaus fanden die Gottesdienste seit 1570 im
Rathaussaal statt, ebd., S. 76 Anm. 89; Hinsberg, Sayn-
Wittgenstein-Berleburg, S. 155-159. Auch zum Jahr 1575
berichtet Cornelius: „hat man das Nachtmal gehalten und
außgetheilet diesen morgen durch Herrn Johann Heuge-

lium, unter etliche und 20 Personen, anstatt der Ostien
hat er Kuchen gebrochen und außgetheilet“, zitiert nach
Hartnack, Chroniken, S. 77, vgl. Menk, Olevian,
S. 168 Anm. 156.
69 Burkardt, Kirchenordnung, S. 74; Schröer, Reforma-
tion 1, S. 453; Stupperich, Reformationsgeschichte,
S. 190; Kroh, Wiederentdeckung, S. 53. Caspar Olevian
verfasste während seiner Berleburger Zeit (1576-1584)
auch den Bauernkatechismus, der jedoch vermutlich
nicht für die Grafschaft Wittgenstein, sondern für das
Fürstentum Anhalt bestimmt war, Holtmann, Wil-
helm, Bauernkatechismus, in: Franz, Gunther/Goethers,
J. F. Gerhard/Holtmann, Wilhelm (Hg.), Caspar Olevian,
Der Gnadenbund Gottes 1590, Faksimile-Edition mit
einem Kommentar, Bonn 1994, S. 491-494; Reu, Quellen
I/III,2/3 (1924), S. 1307-1318; ders., Quellen I/III,1/2
(1935), S. 1184*—1187*; Knodt, Karl Ernst, Der
Bauern-Katechismus des Caspar Olevianus, in: KatZs 9
(1906), S. 241-247, 297-304; Knoke, Karl, Nachrich-
ten über einige katechetische Arbeiten des Caspar Ole-
vianus, in: ebd., S. 304-306.
70 Georg Cornelius berichtet: „Anno Christi 1578 hat man
auff den ostertag, welcher ist gewesen der 30. Marty, mit
gemeinem gesäuerten Brot, wie es der gemeine Mann in
seinem hauße braucht, das Nachtmal alhier in der Kir-
chen außgetheilet, und das Brot gebrochen nach der inset-
zunge Christi, doch hat mein G. Herr Graff Ludwig ire
Gnaden Brot lassen in die Kirchen tragen, durch Herrn
Johannem Heugelium geschehen, und außgetheilet im bei-
sein des Doctors Gasparis Oleviani“, zitiert nach Hart-
nack, Chroniken, S. 79. Vgl. Stupperich, Reforma-

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