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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0090
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Die Grafschaft Wittgenstein

Der von Johann VI. von Nassau-Dillenburg entworfene Plan der konfessionellen Bündnisbildung wurde
im folgenden Jahr realisiert. Am 13. Juli 1586 berief er eine Synode nach Herborn ein, zu der 26 Theologen
erschienen,17 aus Nassau-Dillenburg, fünf aus Solms-Braunfels, zwei aus Wied und zwei aus Wittgenstein,
nämlich Johannes Wickrad und Paul Crocius. Die Synode wählte Caspar Olevian zum Präses.85 Hinsicht-
lich Aufbau und Leitung eines einheitlichen reformierten Kirchenwesens in den vier Grafschaften beriet
man über die Middelburger Kirchenordnung, die in Nassau-Dillenburg bereits seit 1582 in Geltung war86
und die nun auch von den Vertretern der übrigen Territorien angenommen wurde.87 Die Beschlüsse der
Herborner Synode von 1586 sahen vor, die Gemeindeleitung in die Hand des Presbyteriums zu legen.
Mehrere Gemeinden wurden zu Klassen zusammengefasst mit jeweils einem Inspektor an der Spitze. Die
Grafschaft Wittgenstein besaß zwei Inspektoren - Crocius und Wickrad -, die den beiden Klassen in
Berleburg und Laasphe vorstanden. Mit der Übernahme der leicht modifizierten Middelburger Kirchenord-
nung gaben sich die Kirchen der Grafschaften Nassau-Dillenburg, Wittgenstein, Solms-Braunfels und Wied
eine einheitliche Kirchenverfassung und begründeten eine übergeordnete reformierte Konfessionsland-
schaft.88

6. Die Reformation in der Herrschaft Homburg vor der Mark
Die Herrschaft Homburg, die fast vollständig vom Territorium der Herzöge von Berg eingeschlossen war,
wurde als Kondominat der Grafen von Sayn-Sayn und Wittgenstein regiert.89 Die Herrschaft umfasste die
Pfarreien Waldbröl, Morsbach, Nümbrecht und Wiehl und die Kapellen Marienberghausen, Drabender-
höhe und Marienhagen. Nach dem Siegburger Vergleich von 1604 gehörten nur noch die beiden Pfarreien
Nümbrecht und Wiehl zur Herrschaft.90
In Homburg wurde die Reformation zwischen 1562 und 1570 auf der Grundlage der Confessio Augu-
stana eingeführt und durch zahlreiche von Ludwig I. von Wittgenstein und seinem Mitregenten Seba-
stian II. von Sayn-Sayn (reg. 1539-1573) erlassene Ordnungen und Mandate konsolidiert, darunter 1563
auch durch eine Kirchenordnung91. Diese Ordnung ist nicht erhalten, andere Quellen lassen jedoch auf ihre
Existenz schließen:92 1597 resümierten die beiden Grafen die konfessionellen Verhältnisse in der Herrschaft
Homburg und erklärten, dass sie „vor etzlichen und dreissigh Jahren ... der Augsburgischen Confession
Lehr, Glauben und Ceremonien in allen Kirchen eingeführt hätten. Damit desto besser Richtigkeit
gepflanzt und erhalten werden mochte“, hätten sie „ein besonder getruckte Kirchen-Ordtnungh im Jahre
1563 in allen Kirchen den Pastoribus liebern und darbei befehlen laßen, deroselben gemeß die Kirchen
Dienst zu verrichten“.93

85 Kroh, Wiederentdeckung, S. 62-68.
86 Abdruck des Synodalbeschlusses und der Kirchenordnung
von 1582 in Sehling, EKO X, S. 160-164, 167-173, vgl.
ebd., S. 36f.
87 Abdruck des Herborner Synodalbeschlusses von 1586 in
Sehling, EKO X, S. 179-181, vgl. ebd., S. 38f.; Menk,
Crocius, S. 662.
88 Menk, Politische Kultur, S. 67-100; ders., Olevian,
S. 139-204; Neuser, Einführung der presbyterial-syn-
odalen Kirchenordnung, S. 55f.
89 Siehe oben, S. 59.
90 Heckmann, Umfang, S. 159f.; ders., Reformation,
S. 11f., 83-87; Corbach, Verhältnisse, S. 28-71.
91 Vgl. Düwell, Reformation 2012, S. 62; Heckmann,

Geschichte, S. 38f., 50; Klueting, Protektoren, S. 285.
Bauer, Reformation Wittgenstein, S. 50 datierte die
Ordnung irrtümlich ins Jahr 1561.
92 Aus einem Schreiben vom 28. Januar 1563 geht hervor,
dass die Kirchenordnung zu diesem Zeitpunkt bereits ein-
geführt war, Heckmann, Reformation, S. 16f.; Cor-
bach, Verhältnisse, S. 13.
93 Zitiert nach Corbach, Verhältnisse, S. 13f. Dieser Sach-
verhalt wird auch in einem Schreiben erwähnt, das Graf
Ludwig am 21. Mai 1604 an den Pfarrer von Wiehl
sandte: „Dieweil Wir nun einem Herzog zu Berge an der
hohen Obrigkeit in der Vogtei Wiehl im geringsten nichts
geständig, viel weniger gestatten können, daß Ihre Fürst-
lichen Gnaden oder deren Amtmann in Bestellung der

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