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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0105
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1a. Kirchenordnung 1555

dert die noth, das mhan die gefelle, so die pfarher
von alters her gehabt, es sei vom opffer, vom kint-
dauf, hochzeiten, kranckenbesuchonge, begrebnis-
sen oder wes dessen sonsten ist25, in wesen und in
essen26 behalte und davon nichst abgehen noch ver-
kommen lasse.
Doch unnd dweil unlaugbar, das etliche gefelle,
als die schmolen neesser27, von den pfargenossen er-
fordert werden, welche den armen gantz beschwer-
lich seint, auch den kirchenthienern allerlei boese
nachsage | 34 | daraus erfolgt, solchs nhun zuverhue-
ten, sollen die schmolen noesser, von den orten die
noch gefallen, durch unsern befelchaber unnd super-
intendenten mit unserm rathe uff ein zimlichen
werdt und gelt, das beid, pastorn und den armen,
dreglich28 ist, gewirdigt29, gesatzt und also hinforter
verrichtet werden.
Nachdem auch vile gefelle zu unchristlichen ce-
remonien und gebrauch seint gegeben und gesthiff-
tet worden, so sollen die pfarher und kirchenthiener
solch abgottisch wesen lenger zuhalten hiemit einst
vor all entledigt, doch pflichtig unnd schuldig sein,
anderst etwas, das zur ehr Gottes und zu erbauhong
und underweisong der pfarkinder dinstlich ist, mit
rath des superintendenten und je einen wie der an-
der dogegen zuthun, domit nit gesagt werden moge,
das die kirchenthiener ir gefell umbsonst oder ver-
geblich einnemen und nichts darfur thuen.
Sonderlich aber anstat der vigilien sollen die | 35 |
pastores leichpredigen thun, welche sie uß Spangen-
bergio30 und seinen predigen, die er und andere bei
den leichen gethan und im druck usgangen seint,
nemen und nachthuen mogen.

25 Oblationen und Stolgebühren, Abgaben, die die Gläubi-
gen ihrem Ortspfarrer für seine geistlichen Amtshand-
lungen entrichteten, siehe Petke, Oblationen, S. 26-58.
26 (Wohl)stand (von lat. esse).
27 Die Bedeutung dieses Begriffs ist unklar, es muss sich
aber um Naturalabgaben (Esswaren oder Kleinvieh?)
handeln, die in Geldbeträge umgewandelt werden soll-
ten, um den Aufwand der Ablieferung zu mindern. Zur
möglichen Bedeutung siehe Burkardt, Kirchenord-
nung, S. 66 Anm. 25; Jacobson, Urkunden-Sammlung,
S. 529 Anm. *.

[5.] Von stipendien und stipendiaten, irer
verpflichtong, examen und stroeffe etc.
Wir haben auch bei uns bedacht und erwogen, das
die kirchenthiener, so itzo im kirchendinst seint, nit
allewegen leben, sonder dermhol eins und ein ider zu
seiner zeit vom licht disser welt nach Gottes willen
wie andere leuth doitlich hinscheiden mussen. Und
so mhan dhan mitler zeit jonge kirchenthiner nit er-
zogen und angehalten hette, die in der abgestorbe-
nen statt dretten und ire gehapte dinst vorter ver-
walten mochten, das dhan zuletzt durch mangel der
kirchenthiener die christliche lehr und underweisong
gentzlich fallen unnd uffheren und zuletzt ein vi-
hisch wesen daraus erfolgen werde. Derhalb unnd
| 36 | zuverhutong desselbigen wollen wir zu erster ge-
legenheit erkondigen lassen, wes die kirchenfabrice,
vacirende beneficia und dergleichen vor inkommens
haben, auch, was leidlich31, denselbigen abzihen und
solchs uff etzliche unser landkinder, zu den studiis
dhienlich, nachdem uff solche gefel derer wenig oder
vil mogen underhalten werden, keren und wenden,
welche, ehe sie zu den stipendiis zugelassen werden,
sich mit eignen henden, oder, so sie alters halben
sich noch nicht verpflichten konten, alsdhan ire al-
tern vor sie obligiren unnd verschreiben, so sie
schier oder morgen32 zum kirchendinst duglich und
annemlich werden, das sie [sich] dhan ohne unser
unnd unserer erben vergunstigonge in kein frembde
land oder pfarren, usser unser graveschafft gelegen,
zum kirchendinst begeben sollen.
Wo auch einer oder mher stipendiat kein altern
oder sonsten freunde33 hetten, die sich vor sie obli-
giren wolten, sie auch selbst noch eins solchs alters
weren, das sie sich wircklich34 | 37 |nicht verpflichten

28 Erträglich, angemessen.
29 Taxiert, festgesetzt.
30 Johann Spangenberg (1484-1550), Funffzehen Leich-
prediget So man bey dem Begrebnis der verstorbnen jnn
Christlicher Gemein thun mag [...], 1545. VD16 S 7805.
31 Was zu ertragen, was statthaft ist.
32 Schier oder morgen = jetzt oder zukünftig.
33 Verwandte.
34 Wirksam, rechtskräftig, vgl. Grimm, DWb 30,
Sp. 577f.

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