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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0118
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Wittgenstein

Am hochzeit tag soll man des mittags und
abends den geladenen gesten ir gebürlich mahl ge-
ben, und man soll vor oder under der morgenpredige
keine schwelgerey zulassen, sondern die geladenen
sollen mit braut und breutigam zur kirchen gehen,
Gottes wort hören unnd den herrn umb glück und
segen anruffen helffen. Des andern tags aber soll
man kein nachhochzeit22 haben, doch mag braut
und breutigam mit irer beider freundschafft, einen
tisch oder zween belangendt, eine messige gesel-
schafft halten.
Im dantzen zu den hochzeiten soll auch zucht
und maß gehalten werden. Wenn das geschenck ver-
richtet, mag man ein stund oder zwo einen ehrlichen
tantz halten. Wo aber die mittagspredige oder kin-
derlehr23 geschicht, soll man ablassen, so bald man
anfengt zu leuten, und sollen knechte und mägde
sampt andern gesten züchtig zur kirchen gehen.
Nach gehaltener predigt mag inen auch eine stunde
freygelassen, aber keine nachtdentze24 gestattet
werden. Darüber aber und ausser den hochzeiten
sollen keine unordentliche unnd unehrliche täntze
nirgendt gestatet werdenn.
So viel die kindtauff belanget, soll hinfurt nicht
mehr dann einer ein kindt zu heben25 gebeten oder
genomen werden. Unnd sollen die eltern ire kinder
zur tauff bringen an den tagen und zu den stunden,
wenn man öffentliche versamlungen und predigen
helt. Unnd soll der vatter selbst bey solcher action
und zum gebet umb den segen seines kindleins er-
scheinenn. Wo aber ausser der zeit das kindt auß
schwachheit oder anderer notturfft getaufft werden
müste, | 39r | soll der vatter die nott und gelegenheit
dem pastor anzeigen und das kind mit solcher ver-
samlung zur kirchen schicken, das es ehrlich und
nicht ergerlich angesehen werden könne. Es sollen
auch nicht uber acht par volcks zum kindbet26 ge-

b Lücke im Text für den Geldbetrag der Strafzahlung.
22 Feierlichkeit, die über den eigentlichen Tag der Ehe-
schließung hinausgeht, vgl. Grimm, DWb 13, Sp. 74.
23 Katechismusunterweisung.
24 Abendliche oder nächtliche Feste.
25 Aus der Taufe zu heben.

laden werdenn. Man soll auch kein nachkindbett
des andern tages weiter halten, auch mit dem newen
jaren unkosten treiben27.
Unnd sollen die puerperae nach irer gebürlichen
wochenzeit zur kirchen gehen mit gebreuchlichem
gebet und dancksagung, so einer jedern vom pastor
vorgelesen wurdt.28
Wer dieser obgesetzten stück eins oder mehr
ubertritt, soll unserm gnedigen herrn vonn einem ig-
lichen bzur straffe geben.
De scortatorum et adulterorum poena civili
De scortatoribus wurdt dieser process der straffen
vor gut angesehen: So bald es ruchtbar wird, das
solche sünde und schande zwischen zweien begangen
oder aber ein dirne schwanger zugehen befunden,
sollen solches die heimbürger29 eines jedenn orts iren
gebürlichen amptleuten auffs erste antragen oder,
wo es die amptleute ohn das erfaren, sollen sie sich
der warheit befragen und erkundigen, die beruchti-
gen furfordern und, wo sie der ubertrettung geste-
hen oder uberzeuget30 werden, beide ins gefengnuß
setzen (es were dann, das die dirne schwanger), und
der, so eine geschwengert hat, soll im gefengnuß
bürge setzen, unserm gne- |39v| digen herrn zehen
taler zur busse unnd straffe zu erlegen, darzu, das
kind zu underhalten unnd der geschwechten perso-
nen, da sie seinn zun ehren begert31, vor unsers gne-
digen herren geistlichen und weltlichen verordenten
der ehe furderung halben fur rechte zustehen und
was da erkandt wurd, zu leistenn.
Wenn dann die sache zu verhöre kompt, soll mit
im gehandelt werden, ob er mit der freundschafft
verwilligung die beschlaffene ehelichen wölle. Unnd
so er diß verspricht und verbürget, soll er loß gelas-
sen unnd obgemelter straffe erlediget seinn. Wo er

26 Ein Gastmahl, das den Paten, der Hebamme und ande-
ren anlässlich der Taufe bereitet wird.
27 Neujahrsgeschenke, HWDA 6, Sp. 1034-1039.
28 Siehe oben, S. 85 Anm. 16.
29 Gemeindevorsteher, DRW V, Sp. 592.
30 Überführt.
31 Zum Ehemann nehmen will.

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