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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0123
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2. Kirchenordnung 1563

Zum fünfften, die gegen die nehesten öffentliche
und beharliche feindschafft tragen und ubenn und
sich mit ihnen nit wöllen vertragen oder versönen
lassen, die sich undereinander schlagen und reuffen
oder den andern auff waserley weise am leibe be-
schedigenn.
Zum sechsten, die öffentliche unzucht treiben
mit schendlichen worten und wercken oder des auch
schweren argwon von sich geben und den nit ab-
stellen wollen. Item, die ir ehegemahel nit inn ehren
halten, ungeschickter weise gegen einander un-| 44v |
heußlich96 lebenn.
Zum siebenden, die dem nehesten sein gut mit
list oder betrug entwenden oder öffentlich entzie-
hen. Item, die ire eigene narung schendlich und vie-
hischer weise unmessig verbrassen, tag und nacht im
luder ligen97 und mit ungeschicktem wesen eine
gantze gemein unruwig machen, damit sie ir weib
und kinder endlich mutwillig zu betlern machenn.
Zum achten, die ire[m] nehesten durch öffentlich
schmehen und falsches schelten sein ehr und guten
namen rauben oder durch falsche zeugnus dem nech-
sten schedlich zusein erfunden werden.
Zum neundten, die ire nehesten mit geschwinden
wucherischen finantzen98 wider alle billigkeit und
löbliche ordnung beschweren, es sey in gemeinen lei-
hen, keuffen und verkeuffen, zinsen oder gülden.
So aber jemandt in solchem sündlichen und le-
sterlichen thun verharren würde oder aber diese
christliche zucht durch spot oder ungehorsam ver-
hindernn vorneme, soll solcher durch die seniores
den amptleuten angezeiget und durch die amptleute
unserm gnedigen herrn vorgetragen werden, auff
das ruhe, fried und gehorsam in der vorgenommenen
ordenung stetig erhalten werde, oder, so sichs will
verziehen lassen, uff den visitationibus dieselbigen
schrifftlich anzeigen. Es sollen aber die seniores alle
viertzehenn tage zum wenigsten einmall bey irenn
pfarherren und in der kirchen zusamen kommen und
keiner aus |45r| denselbigen außbleiben, er werde
dann durch kranckheit oder herrn geschefft verhin-

96 Ausschweifend, Grimm, DWb 24, Sp. 1048f.
97 In Schwelgerei leben, Grimm, DWb 12, Sp. 1232f.
98 Betrügereien, vgl. Grimm, DWb 3, Sp. 1639.

dert oder hab vorhin99 von dem pfarherr erleubnuß
gebeten mit anzeigung seiner nötigen geschefft.
Wenn sie nun zusamen kommen sind, soll erst-
lich der pfarherr diese artickel inen vorlesen und
darnach einer nach dem andern anzeigen, ob sich
obangezeigtem mangel oder gebrechen offentlicher
oder verfangener weise bey jemand zugetragen ha-
be. Und so jemand furfallen wurdt, denselbigen, so
es noch heimlich und nit gantz und gar gewiß, durch
der alten einen freundlicher weise darumb underred-
den lassen, so es aber offentlich und vielen bewust,
sie in gemein vornemen. Darnach sollen sie sich be-
fragen, ob auch arme, alte, krancke, gebrechliche
leute vorhanden seien, die der stewr100 der christli-
chen gemein von nöten haben. Und wo sich das in
irem kirsspel befunden wird, sollen sie nach gelegen-
heit der personen und sachen sie nach notturfft wil-
lig und mildig versehenn.
Die stewr aber, so den armen geschicht, sol des
sontags durch den opfferman oder sonst einen schu-
ler in einem beutelein (welcher von einem banck und
ort zum andern getragen wird) auffgesamlet werden
und, wann es gesamlet ist, auff den altar tragen.
Nach der predig soll der pfarherr allezeit in beysein
zweier aus den senioribus solche stewr der armen
zelen, in ein register auffschreiben und, wann und
wie viel allezeit gefallen, anzeichenen, darneben
auch wem, wann und wie viel einem iglichen armen
davon mitgetheilet, anschreiben unnd zu allen visi-
tationibus innam und außgifft fleissig und trewlich
verrechenenn.
Es sollen auch die seniores als erwehlte vorstehn-
der der christlichen gemein daran |45v| seinn und
verschaffen, das den pfarherrn und kirchendienern
ire billiche und verordente zinse und gefell zu rech-
ter zeit gehandreicht werden, ihnen ir opffer zu ge-
wissen bestimpten zeiten und tagen auffheben, die-
selbigen tage der gantzen gemein vorhin ansagen
lassen, das ein jeder vor ihnen erscheine und sein
billich theil gutlich verrichte. Wo aber jemand hier-
in nachlessig oder seumig sich würde finden lassen,

99 Zuvor.
100 Unterstützung, Hilfe.

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