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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0158
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Wittgenstein

Und dieweill kein gewißer regull und richtschnur
sein kan, darnach ein bußfertig leben anzustellen,
alß eben die zehen gebott und ein nuchtern, meßigk
leben, dan die buß und daß gebett wollen ein nuch-
tern, meßig hertz haben, so nicht mit ubermeßigem
freßen und sauffen beschwerdt und beladen ist, so
sollen demnach die pastores und prediger ire zuhoe-
rer und gemeinden mit fleiß erineren und vermah-
nen, daß sie sich die zehen gebott ein regull und
richtschnur ires lebens sein laßen, auch von dem un-
zimblichen, ubermeßigen freßen und sauffen,
schwelgen und demmen7 abstehen und hingegen ein
nuchtern, meßig, keusch und zuchtig leben anfahen
und fuhren wollen, darmit sie zur buß und dem ge-
bett desto beßer geschickt, wacker und bequem sein
moegen, dan bei einem unmeßigen, vollen und dol-
len hertzen kan keine rechtschaffene buß noch ge-
bett sein.
Wan dan nach verrichtungh dieses alles der prediger
von der cantzell abgangen ist, sollen hernegst die
heilige sacramenta, des hern nachtmalß und der
tauff, ordentlich, mit | zucht und andacht adminis-
trirt werden, darbei dan nicht zu viell leudt auff ein
mall zur communion deß nachtmalß zugelaßen, son-
derlich aber dieße unordtnungh hinfurters verbotten
und nicht gestatet werden soll, da die leudt allein
auff die hohe fest, alß christmeßen und ostern, hal-
ten und alßdan mit solchen großen, ubermeßigen
hauffen zum nachtmall deß heren gehen, daß darun-
der daß ministerium auff etliche stunden langh auff-
gehalten und verzogen wirtt, daß nicht allein dem
pastor, sondern auch dem gemeinen mahn selbst
fast beschwerlich und ein sondere unortnungh und
mißbrauch in der kirchen Gottes ist.
Und darmit solcher mißbrauch und unordt-
nungh desto fuglicher und bequemer moege abge-
schafft werden, so sollen die pastores und kirchen-
diener zur beicht mehr personen nicht zulaßen, dan
sie auch auff negstfolgenden fest- oder sontagh zum
nachtmall gehen zu laßen vor dienlich und bequem
erachten werden, darbei dan auch die privadt beicht
erhalten und darunter die leudt von noetigen reli-
7 Schlemmen, Prassen, Grimm, DWb 2, Sp. 709.
8 Langwierig, Grimm, DWb 12, Sp. 184f.

gionß articuln befragt und underricht werden sollen.
Die administration der heiligen tauff soll auch
ordentlich und christlich mit zucht und andacht ge-
handtlet und verricht werden und dabei diese
unordtnungh auch hinfurters verbotten und nicht
gestattet werden. | Da die gevattern bei der tauff
umb den nahmen deß kindes langweilig8 streiten
und zancken und darunder solche leichtfertige wech-
ßellreden und geschwetz uben und treiben, daß es
dem ministerio hinderlich und schimpfflich, ja, vor
der gottlichen may[e]stat und heiligen dreifaltigkeit,
so bei der tauff unsichtbar gegenwertig, ein grewell
und abschewen ist, derwegen die pastores solches
verbieten und nicht gestatten sollen, und da heruber
solch zancken und streiten bei der tauff geschicht,
sollen sie, die pastores, solches alßbaldt den beamb-
ten anbringen, die solches unnachleßigk mit ernst
straffen und abschaffen sollen.
Die kirchen gesengh und ubungh der psalmen sollen
auch ordentlich und christlich in der kirchen gehal-
ten werden, und sollen die pastoreß und kirchendie-
ner den gemeinen mahn mit ernst vermahnen und
gewehnen, daß sie fleißig singen helffen und nicht
under dem singen vor der kirchen auff dem kirch-
hoff oder im marck[t] stehen bleiben, sondern, so
baldt daß singen angehet, sich ein jeder in die kirche
verfuge und dem singen beide, vor und nach der pre-
digh, mit fleiß und andacht beiwohnne. Wer aber
darwieder handtlen und sich under dem singen und
gottesdienst außerhalb der kirchen wirt finden la-
ßen, der soll jedermall in den gotteskasten geben
sechs albus9 colnisch.
Dieweill auch bei den kirchen ein boeße gewonheit
und großer mißbrauch ist, daß die leudt, sobalt | die
predigt geschehen, entweder auß der kirchen lauffen
oder doch in der kirchen under der handtlungh der
sacramenten und deß gottesdienstes mit gedecktem
heubt stehen bleiben, ire weltliche geschefft, ge-
schwetz und getummell dermaßen in der kirchen
uben und treiben, alß wen es im marckt wehre, wel-

9 Weißpfennig, Silbermünze, Schrötter, Wörterbuch,
S. 18-20.

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