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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0159
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13. Kirchenzuchtordnung für die Herrschaft Homburg [1605]

ches dan den heiligen sacramenten und dem gottes-
dienst eine große unehr, veracht- und verkleine-
rungh, ja bei Gott dem almechtigen ein grewell und
abschewen ist, dan Gottes will ist, daß alles in der
kirchen und gemein Gottes ordentlich, zuchtig und
andechtig zugehen10, der mensch nicht allein Gottes
wortt hoeren, sondern auch der hantlungh der hei-
ligen sacramenten und dem gantzen gottesdienst
mit stille, zucht und andacht beiwohnen und deß
segens erwarten soll, sonsten ist der gottesdienst
stuckwerck und Gott nicht gefelligh, derwegen dan
hiemit geordtnet und bevollen sein soll, daß ein je-
der nach der predigt in der kirchen an seinem ordt
mit entdecktem11 heubt stille, zuchtig und andech-
tigh, ohn alles geschwetz und getummell soll stehen
bleiben, biß die sacramenta deß nachtmals und der
tauff sampt allem gottesdienst verhandtlet und ver-
richt und der segen gesprochen ist. Und soll der se-
gen nicht gesprochen werden, biß zuvor die sacra-
menta deß nachtmalß und der tauff und sonsten
aller gottesdienst verricht und volnbracht ist. Wer
aber herwieder handtlen, vor dem | segen auß der
kirchen gehen oder sich sonsten dießer verordt-
nungh mit stille, zucht und andacht, wie obstehet,
nicht gemeß verhalten wirt, der soll jedermall in den
gotteskasten geben vier pfenningk und darzu von
der obrigkeit gestrafft werden, und soll ein jeder al-
hie bedencken, waß Gottes wortt saget, nemblich
daß der, so den segen nicht haben will, den fluch
ererben und heuffig uber sich fuhren soll12. Solchen
fluch sehen wir in dießen geschwinden zeiten viell-
faltig vor augen, und ist der newliche frost ein stuck
deßelbigen geweßen. Derwegen dan niemandt ge-
dencken soll, daß die oberkeit herunder iren eigen
privat nutzen suche, sondern es wirt hiemit allein
eines jedern menschen sehelen heill und seligkeit ge-
sucht, daß man mit Gott und gutem gewißen bezeu-
gen kan. Dan Gott will sein ordtnungh, stifftungh
b Papier zerstört.

10 1Kor 14,40.
11 Bloßem, Grimm, DWb 3, Sp. 506.
12 Dtn 11,26-28.
13 Die vier Kirchspiele der Herrschaft Homburg unterglie-
derten sich jeweils in mehrere Hundschaften, denen wie-
derum mehrere Ortschaften untergeordnet waren,

und geschefft mit zucht, demudt und andacht ge-
ehret und nicht lichtfertigh gehalten haben, sonsten
wirt es ergehen, wie der acht und zwentzigst psalm
[5] saget: Sie wollen nicht achten auff daß thun deß
herren noch auff die werck seiner hende, darumb
wirt er sie zubrechen und nicht bawen. Solch zu-
brechen sehen wir auch taglich vor augen und wer-
denß, da nicht buß ervolgt, fehrner erfahren, der-
wegen ein jeder gewarnet sei.
Ferner so soll hinfurters in allen kirchen auff die
sontage nachmittaghe kinderlehr gehalten und dar-
unter die jugendt in dem catechißmo underricht und
instituirt werden. |
Und darmit solch christlich exercitium desto ge-
wißer in schwangh und vortgangk bracht werde, so
sollen die pastores und kirchendiener auff jedern
sontagh nur eine, zwo, mehr oder weniger hunt-
schafften13 nach gelegenheit bescheiden. Wer dan
auß solchen hundtschafften seine kinder nicht zur
kinderlehr schicken wirt, der soll jedermall in den
gotteskasten geben sex albus colnisch.
Es sollen auch alßdan die alten, sonderlich
knecht und megde, in die kirch gehen, die lehr deß
catechißmi anhoeren und sich dieselbige kundigh
und bekandt machen.
Auch sollen die pastores jedermahll vor anfangh
der kinderlehr ein kurtze vermahnungh auff der
cantzell thun und darunter den nutzen dießes
wercks anzeigen, auch jedermall einen [pun]b cten
deß catechißmi kurtzlich expliciren u[nd er]kleren.
Alßdan sollen auch die schulmeister, so bei jeder
pfarkirchen verordtnet werden sollen, mit iren
schulern in die kirch gehen, zum anfangk und ende
jedermall ein psalmen singen.
Die schulmeister sollen auch den pastoribus die
kinderlehr verrichten helffen, sie auch hierinnen
zueweilen, da andere geschefft und verhinderungen
Heckmann, Geschichte, S. 13*-27*. Die Hundschaften
waren Organe der bäuerlichen Selbstverwaltung, sie
dienten etwa der Umlage und Erhebung von Abgaben
und Steuern. Der Vorsteher oder Gemeindebote hieß
Hunne, Honne oder Hund, vgl. Kaufmann, Die Kir-
chenzucht in den ehemaligen freien Reichsherrschaften,
S. 94 Anm. 6.

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