Einleitung
Hand gekommen waren, wieder mit altgläubigen Geistlichen besetzt. Nachdem das Interim am 2. August
1552 durch den Passauer Vertrag faktisch aufgehoben worden war, konnte die Reformationseinführung in
Moers fortgesetzt werden.26 Bereits Anfang dieses Jahres war Wilhelm II. gestorben, und Hermann war nun
alleiniger Regent der Grafschaft. Nach dem Tod seines nahen Verwandten Gumprechts IV. von Neuenahr-
Alpen 1555 übernahm Graf Hermann auch die Vormundschaft für dessen drei Kinder. Im Einvernehmen
mit der Witwe Amöna verwaltete er die Territorien für deren ältesten Sohn Adolf bis zu dessen Volljährig-
keit im Jahre 1570. Neben der Herrschaft Alpen27 waren dies die Grafschaft Limburg, die Herrschaften
Helpenstein und Hackenbroich und die Freiherrschaft Lennep.28
Graf Hermann setzte die Religionspolitik seines Vaters fort, indem er die Reformation behutsam vor-
antrieb, ohne sich und sein Land jedoch offiziell von Rom loszusagen. Auch nachdem die Anhänger der
Confessio Augustana im Augsburger Religionsfrieden von 1555 reichsrechtlich anerkannt worden waren,
ging Wilhelm II. aufgrund seines katholischen Umfelds, insbesondere des nach dem gescheiterten Refor-
mationsversuch wieder katholischen Erzstifts Köln sowie des habsburgischen Herzogtums Geldern, weiter-
hin umsichtig vor.29
Erst 1560/61 machte der Graf sein Bekenntnis zu Luthers Lehre öffentlich, indem er eine Kirchenord-
nung erließ.30 Die Ordnung ging vermutlich im Moerser Stadtbrandes von 1599 verloren,31 ihre Existenz ist
aber durch andere Quellen belegt, etwa in einem Schreiben, das Graf Hermann am 20. Mai 1561 an seinen
Krefelder Drost Wilhelm von Pelden gen. Clouth sandte: „Wöllet auch von der Drostin zu Krackow32
endtlich vernemen, wer die Jenigen seien, so sich wider meine Kirchenordnung mutwilliger weiß setzen, und
deren Namen und Zunamen Verzeichniß begeren“.33 Die Ordnung, die auch in späteren Dokumenten
genannt ist,34 muss also vor dem 20. Mai 1561 entstanden sein. Über ihren Inhalt ist nichts bekannt,
möglicherweise geht sie auf ein ebenfalls nicht erhaltenes „Kirchenstatut“ von 1542 zurück.35 Ihr theolo-
gischer Charakter wird - nicht zuletzt durch den Hinweis auf die Confessio Augustana in dem Brief Wil-
helms von der Lippe von 156436 - lutherisch gewesen sein.37
Als Verfasser gilt Hendrik van Bommel. Er stammte aus dem Herzogtum Geldern, hatte in Deventer
und Köln studiert und war um 1522 zum Priester geweiht worden. Als er 1536 der Ketzerei beschuldigt
wurde und die Niederlande verlassen musste, fand er Aufnahme in der Grafschaft Moers. Hier war er
zunächst an der städtischen Lateinschule in Moers tätig, wirkte daneben aber auch als Prediger. Zwischen
26 Ebd., S. 93-101; Becker, Moers im Zeitalter, S. 174f.;
Faulenbach, Hermann von Neuenahr, S. 115f.
27 Zur Reformation in Alpen siehe Daebel, Reformation,
S. 88-91, 148-151; Bösken, Grafenhaus, S. 60-85.
28 Daebel, Reformation, S. 116, 199; Faulenbach, Her-
mann, Graf zu Neuenahr, S. 75; Klueting, Protektoren,
S. 278f.
29 Daebel, Reformation, S. 109.
30 Ebd., S. 124-127.
31 Zur Diskussion um die mögliche Auffindung der Moerser
Kirchenordnung siehe Müller, Ist die Moerser Kirchen-
ordnung von 1560 gefunden, S. 182-187; Daebel, Refor-
mation, S. 127-132; Mast, Geschichte der Kreissynode,
S. 7-10; Blass, Reform und Reformation, S. 15f.
32 Burg Krakau.
33 Zitiert nach Daebel, Reformation, S. 120, Abbildung
des Briefs ebd., S. 121.
34 In einem Brief des Krefelder Drosten Wilhelm von der
Lippe gen. Hoen an die Meisterin des Klosters Meer vom
21. Okt. 1564: „Ire Gn. mögen leiden, dass Ew. L. einen
darstellen, der Irer Gn. Kirchen-Ordnung und der Augs-
purgischen Confession sich gemäß halte“, Abdruck bei
Keussen, Geschichte, Anhang, S. XXXIVf.; ders.,
Urkundenbuch Crefeld 4, Nr. 5725 (Regest). Vgl. Dae-
bel, Reformation, S. 122, siehe auch die beiden Schreiben
des Grafen an das Kloster vom 10. Okt. 1561 (unten,
Nr. 1) und 20. Jan. 1565 (unten, Nr. 2).
35 Daebel, Reformation, S. 79; Keussen, Geschichte,
S. 102; Mast, Wie wurde die Grafschaft Moers evange-
lisch, S. 15f., 24; Buschbell, Geschichte, S. 99.
36 Siehe Anm. 34.
37 Daebel, Reformation, S. 127; Faulenbach, Haupt-
merkmale, S. 5; ders., Hermann, Graf zu Neuenahr,
S. 80f., 116f.; Forsthoff, Rheinische Kirchengeschichte
1, S. 291f.; Buschbell, Geschichte, S. 99; Mast,
Geschichte der Kreissynode, S. 8; ders., Reformation,
S. 18; ders., Wie wurde die Grafschaft Moers evangelisch,
S. 24-26; Henrichs, Geschichte, S. 172-174; Hirsch-
berg, Reise, S. 57; Keussen, Geschichte, S. 102;
Ottsen, Geschichte S. 73; Becker, Moers im Zeitalter,
S. 179f.; Rotscheidt, Wie wurde die Grafschaft Moers
evangelisch, S. 10; Müller, Ist die Kirchenordnung von
1560 gefunden, S. 182-187.
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Hand gekommen waren, wieder mit altgläubigen Geistlichen besetzt. Nachdem das Interim am 2. August
1552 durch den Passauer Vertrag faktisch aufgehoben worden war, konnte die Reformationseinführung in
Moers fortgesetzt werden.26 Bereits Anfang dieses Jahres war Wilhelm II. gestorben, und Hermann war nun
alleiniger Regent der Grafschaft. Nach dem Tod seines nahen Verwandten Gumprechts IV. von Neuenahr-
Alpen 1555 übernahm Graf Hermann auch die Vormundschaft für dessen drei Kinder. Im Einvernehmen
mit der Witwe Amöna verwaltete er die Territorien für deren ältesten Sohn Adolf bis zu dessen Volljährig-
keit im Jahre 1570. Neben der Herrschaft Alpen27 waren dies die Grafschaft Limburg, die Herrschaften
Helpenstein und Hackenbroich und die Freiherrschaft Lennep.28
Graf Hermann setzte die Religionspolitik seines Vaters fort, indem er die Reformation behutsam vor-
antrieb, ohne sich und sein Land jedoch offiziell von Rom loszusagen. Auch nachdem die Anhänger der
Confessio Augustana im Augsburger Religionsfrieden von 1555 reichsrechtlich anerkannt worden waren,
ging Wilhelm II. aufgrund seines katholischen Umfelds, insbesondere des nach dem gescheiterten Refor-
mationsversuch wieder katholischen Erzstifts Köln sowie des habsburgischen Herzogtums Geldern, weiter-
hin umsichtig vor.29
Erst 1560/61 machte der Graf sein Bekenntnis zu Luthers Lehre öffentlich, indem er eine Kirchenord-
nung erließ.30 Die Ordnung ging vermutlich im Moerser Stadtbrandes von 1599 verloren,31 ihre Existenz ist
aber durch andere Quellen belegt, etwa in einem Schreiben, das Graf Hermann am 20. Mai 1561 an seinen
Krefelder Drost Wilhelm von Pelden gen. Clouth sandte: „Wöllet auch von der Drostin zu Krackow32
endtlich vernemen, wer die Jenigen seien, so sich wider meine Kirchenordnung mutwilliger weiß setzen, und
deren Namen und Zunamen Verzeichniß begeren“.33 Die Ordnung, die auch in späteren Dokumenten
genannt ist,34 muss also vor dem 20. Mai 1561 entstanden sein. Über ihren Inhalt ist nichts bekannt,
möglicherweise geht sie auf ein ebenfalls nicht erhaltenes „Kirchenstatut“ von 1542 zurück.35 Ihr theolo-
gischer Charakter wird - nicht zuletzt durch den Hinweis auf die Confessio Augustana in dem Brief Wil-
helms von der Lippe von 156436 - lutherisch gewesen sein.37
Als Verfasser gilt Hendrik van Bommel. Er stammte aus dem Herzogtum Geldern, hatte in Deventer
und Köln studiert und war um 1522 zum Priester geweiht worden. Als er 1536 der Ketzerei beschuldigt
wurde und die Niederlande verlassen musste, fand er Aufnahme in der Grafschaft Moers. Hier war er
zunächst an der städtischen Lateinschule in Moers tätig, wirkte daneben aber auch als Prediger. Zwischen
26 Ebd., S. 93-101; Becker, Moers im Zeitalter, S. 174f.;
Faulenbach, Hermann von Neuenahr, S. 115f.
27 Zur Reformation in Alpen siehe Daebel, Reformation,
S. 88-91, 148-151; Bösken, Grafenhaus, S. 60-85.
28 Daebel, Reformation, S. 116, 199; Faulenbach, Her-
mann, Graf zu Neuenahr, S. 75; Klueting, Protektoren,
S. 278f.
29 Daebel, Reformation, S. 109.
30 Ebd., S. 124-127.
31 Zur Diskussion um die mögliche Auffindung der Moerser
Kirchenordnung siehe Müller, Ist die Moerser Kirchen-
ordnung von 1560 gefunden, S. 182-187; Daebel, Refor-
mation, S. 127-132; Mast, Geschichte der Kreissynode,
S. 7-10; Blass, Reform und Reformation, S. 15f.
32 Burg Krakau.
33 Zitiert nach Daebel, Reformation, S. 120, Abbildung
des Briefs ebd., S. 121.
34 In einem Brief des Krefelder Drosten Wilhelm von der
Lippe gen. Hoen an die Meisterin des Klosters Meer vom
21. Okt. 1564: „Ire Gn. mögen leiden, dass Ew. L. einen
darstellen, der Irer Gn. Kirchen-Ordnung und der Augs-
purgischen Confession sich gemäß halte“, Abdruck bei
Keussen, Geschichte, Anhang, S. XXXIVf.; ders.,
Urkundenbuch Crefeld 4, Nr. 5725 (Regest). Vgl. Dae-
bel, Reformation, S. 122, siehe auch die beiden Schreiben
des Grafen an das Kloster vom 10. Okt. 1561 (unten,
Nr. 1) und 20. Jan. 1565 (unten, Nr. 2).
35 Daebel, Reformation, S. 79; Keussen, Geschichte,
S. 102; Mast, Wie wurde die Grafschaft Moers evange-
lisch, S. 15f., 24; Buschbell, Geschichte, S. 99.
36 Siehe Anm. 34.
37 Daebel, Reformation, S. 127; Faulenbach, Haupt-
merkmale, S. 5; ders., Hermann, Graf zu Neuenahr,
S. 80f., 116f.; Forsthoff, Rheinische Kirchengeschichte
1, S. 291f.; Buschbell, Geschichte, S. 99; Mast,
Geschichte der Kreissynode, S. 8; ders., Reformation,
S. 18; ders., Wie wurde die Grafschaft Moers evangelisch,
S. 24-26; Henrichs, Geschichte, S. 172-174; Hirsch-
berg, Reise, S. 57; Keussen, Geschichte, S. 102;
Ottsen, Geschichte S. 73; Becker, Moers im Zeitalter,
S. 179f.; Rotscheidt, Wie wurde die Grafschaft Moers
evangelisch, S. 10; Müller, Ist die Kirchenordnung von
1560 gefunden, S. 182-187.
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