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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0241
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Einleitung

Tecklenburg die evangelische Lehre in seinem Herrschaftsbereich aktiv förderte.15 Aufgrund fehlender Quel-
len ist die Frühphase der Reformationseinführung jedoch nur in Ansätzen zu rekonstruieren. Für die Ein-
richtung evangelischer Gottesdienste griff Konrad vermutlich auf hessische Kirchenordnungen zurück, ent-
weder auf die Homberger Ordnung von 1526 oder die „Christliche ordenung, wie es zu Marpurg in Hessen
mit teufen, sacramentreichen und mit beten nach der predigt gehalten wird“ von 1527.16 Anfang dieses
Jahres wurden Johannes Pollius17, der Osnabrücker Domkaplan, als Hofprediger nach Rheda und im Juli
Hermann Keller18 als evangelischer Prediger nach Tecklenburg berufen.19
Als Otto VII. 1534 starb, übernahm sein Sohn Konrad auch in Tecklenburg die Herrschaft und setzte
gemeinsam mit Pollius die Reformation in den Tecklenburger Klöstern durch. Ende der 1530er Jahren
wurden die Ordensgemeinschaften in Schale und Osterberg aufgehoben, in Leeden setzte Graf Konrad 1538
die Wahl seiner Halbschwester Katharina als Äbtissin durch und in Herzebrock sowie Clarholz führte er
evangelische Gottesdienste ein.20
In den 1530er Jahren wurde das evangelische Kirchenwesen in Tecklenburg gemäß der brandenburg-
nürnbergischen Kirchenordnung von 153321 gestaltet, deren Gebrauch 1537 belegt ist. In diesem Jahr wies
Konrad von Tecklenburg die Kreuzherren in Osterberg an, evangelische Zeremonien einzuführen. Der vom
Konvent daraufhin um Rat gebetene Pfarrer Hermann Keller in Tecklenburg ließ die Kreuzherren wissen,
Graf Konrad erlaube zwar, die kanonischen Stundengebete beizubehalten, fordere aber, das Abendmahl sub
utraque auszuteilen. Bezüglich aller übrigen Zeremonien solle man sich nach der brandenburg-nürnbergi-
schen Kirchenordnung richten. Obwohl Graf Konrad diese Ordnung zur Grundlage seines Kirchenwesens
machte, bestand nach wie vor eine enge Bindung an Hessen, und auf Anraten Landgraf Philipps I. trat
Konrad 1538 als einziger westfälischer Graf dem Schmalkaldischen Bund bei.22
1541 erbte Konrad von Tecklenburg von seinem Onkel Nikolaus IV. die Grafschaft Lingen. Seither
befand sich der gesamte tecklenburgische Besitz - Tecklenburg, Rheda und Lingen - vereint in seiner Hand.

1. Tecklenburger Kirchenordnung 24. August 1543 (Text S. 241)
1543 erließ Konrad von Tecklenburg für seinen Herrschaftskomplex eine Kirchenordnung. Vorgeschichte
und Details ihrer Abfassung sind nicht bekannt. Vermutlich entstand sie in Zusammenhang mit der im
gleichen Jahr von Hermann Bonnus verfassten Kirchenordnungen für die Stadt und das Hochstift Osna-
brück23 sowie dem von Martin Bucer entworfenen „Einfaltigen Bedencken“ für das Hochstift Köln.24 Als

15 Grosse-Dresselhaus, Einführung, S. 27f.; Schaub,
Rheda, S. 67 Anm. 113; Wolf, Einfluß, S. 98; Schröer,
Anteil, S. 653; Dresbach, Kirchengeschichte, S. 486;
Stupperich, Reformationsgeschichte, S. 61. Zur Diskus-
sion um den Zeitpunkt der Reformationseinführung in
Tecklenburg siehe Hunsche, Reformation, S. 63-78;
Schröer, Reformation 1, S. 187f.; Schaub, Rheda,
S. 70-74.
16 Wolf, Einfluß, S. 99 verweist unter Bezug auf Hol-
sche, Beschreibung, S. 155f. darauf, dass eine Notiz in
nicht mehr erhaltenen Landtagsakten von 1561 auf die
hessischen Ordnungen hingedeutet habe. Vgl. Reu, Quel-
len, I/III,1/2, S. 1124*; Grosse-Dresselhaus, Einfüh-
rung, S. 13-20, 50-55. Abdruck der Homberger Ordnung
in Sehling, EKO VIII, S. 43-65.
17 Zu Johannes Pollius siehe Grosse-Dresselhaus, Ein-
führung, S. 30-50; Schröer, Reformation 1, S. 185f.;
Schaub, Rheda, S. 65.
18 Hermann Keller starb 1561 in Tecklenburg, Bauks, Pfar-
rer, Nr. 3114; Schröer, Reformation 1, S. 189, S. 611
Anm. 23.

19 Kühn, Kirchenordnung, S. 29; Grosse-Dresselhaus,
Einführung, S. 51; Wolf, Einfluß, S. 98. Zur Reforma-
tion in Rheda vgl. Möller, Vor 450 Jahren, S. 869f.
20 In Schale setzte Konrad von Tecklenburg den Prediger
Jakob Ledig ein, 1535 wurde das Kloster verkauft. Der
Konvent von Osterberg wurde 1538 vertrieben, die Klo-
stergüter wurden eingezogen. 1552 erhielten die Kreuz-
herren die Liegenschaften jedoch zurück, Grosse-Dres-
selhaus, Einführung, S. 59-74 und Anlage S. 106-112;
Schröer, Reformation 1, S. 190-193; Wolf, Einfluß,
S. 102-105; Richter, Konrad von Tecklenburg, S. 182-
184; Pabst, Osterberg, S. 53f.; Klueting, Herzebrock,
S. 66-71; Dresbach, Kirchengeschichte, S. 487-489;
Schaub, Rheda, S. 69f.
21 Abdruck in Sehling, EKO XI, S. 140-205 und Osian-
der, Gesamtausgabe 5, S. 37-177.
22 Grosse-Dresselhaus, Einführung, S. 89-93; Wolf,
Einfluß, S. 106-114.
23 Abdrucke in Sehling, EKO VII/1, S. 222-228, 247-264.
24 Abdruck in Bucer, Deutsche Schriften 11,1- Vgl.
Grosse-Dresselhaus, Einführung, S. 79f.; Schaub,

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