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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0244
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Die Grafschaft Bentheim-Tecklenburg

Steinfurt Sohn Arnold II. (1497-1553), für den Everwin von Bentheim bis 1522 die Vormundschaft über-
nahm. Nach dessen Tod 1530 fiel auch das Bentheimer Territorium an Arnold, der somit beide Teilherr-
schaften - Bentheim und Tecklenburg - wieder in einer Hand vereinigte.43
Die reformatorische Bewegung lässt sich um 1530 in der Grafschaft Bentheim nachweisen. Einzelne
Prediger verkündigten die evangelische Lehre, Bernt Krechting44 in Gildehaus soll der Erste gewesen sein,
der sich offen zum Luthertum bekannte. Nachdem Krechting und einige andere Bentheimer Prediger als-
bald begannen, täuferische Lehren zu verkündigen, wurden sie entlassen. Arnold II. ging vehement gegen
die Täufer vor und war 1535 auch an der Niederschlagung der Täuferherrschaft in Münster beteiligt.45
Seit 1542 hielt der Bentheimer Hofprediger Johann von Loen evangelische Predigten. Während Graf
Arnold beharrlich beim alten Glauben blieb, ließ sich die Gräfin, Walburg von Brederode († 1567), für die
neue Lehre gewinnen. Intensive Gespräche mit seinem Hofprediger sollen schließlich auch den Grafen zur
Konversion veranlasst haben.46 Vermutlich hatten auch der Kölner Reformationsversuch 1543 sowie die im
gleichen Jahr betriebene Einführung evangelischer Kirchenordnungen in Stadt und Bistum Osnabrück47
Einfluss auf die konfessionelle Position des Grafen, denn 1544 berief er einen Konvent der Geistlichen seines
Landes ein und bekannte sich in Gegenwart seiner Räte und von Vertretern des Adels öffentlich zum
Augsburger Bekenntnis. Darüber hinaus ordnete er an, die Gottesdienste künftig in evangelischer Weise zu
halten, die Sakramente nach Maßgabe der Confessio Augustana zu spenden sowie die Messen und andere
altgläubige Zeremonien - Prozessionen, Vigilien, Heiligenanrufungen sowie den Gebrauch von Weihwasser
- abzuschaffen.48
Am 25. November 1544 wurde die Bentheimer Pfarrstelle mit dem evangelischen Pfarrer Victor ter
Haer besetzt. In dessen Bestallungsurkunde heißt es, er solle nichts predigen, „denn wat recht christelyck
ist und mit der göttlighen hilligen schrift alden und nyen Testaments to bewaeren und sich nach den locis
communibus Philippi Melanchthonis und der Bekentnisse, dy von den protesteerenden Churfürsten, Für-
sten und Stenden des hylligen Rychs duytscher Nation vor Kayserlich Majestät vorgebracht sind“, rich-
ten.49 In Schüttorf und Neuenhaus amtierten vor 1548 ebenfalls evangelische Pfarrer, und vermutlich setzte
Arnold II., der das Patronatsrecht an einigen Pfarrkirchen seines Landes besaß,50 auch auf den Dörfern
evangelische Amtsinhaber ein.51 Die Messe feierte man nur noch in den Klosterkirchen von Frenswegen und
Wietmarschen.52 In der Grafschaft Steinfurt wurden 1544 in Gronau und Burgsteinfurt evangelische Pre-
digten gehalten. In Burgsteinfurt versammelte sich die evangelische Gemeinde in der Schlosskapelle sowie
in der Kleinen Kirche, während die Große Kirche im Besitz der Johanniterkommende blieb.53
Aufgrund der schlechten Quellenlage ist nicht bekannt, welche weiteren Maßnahmen Arnold II. zur
Einführung der Reformation in der Grafschaft Bentheim-Steinfurt ergriff und auf welche Kirchenordnung
er sich dabei stützte. 1548 musste er das Augsburger Interim einführen. In der Niedergrafschaft Bentheim,

43 Vgl. die Stammtafel in ders., Geschichte, S. 12f.
44 Bernt Krechting gehörte zu den führenden Täufern in
Münster, Münster 800-1800, S. 139.
45 Goeters, Reformation in der Grafschaft Bentheim,
S. 83-87, 89; Dresbach, Kirchengeschichte, S. 491f.;
Schröer, Reformation 1, S. 200.
46 Hamelmann, Opera, S. 784-786. Vgl. Schröer, Refor-
mation 1, S. 201; ders., Anteil, S. 653-655; zu Bent-
heim, Geschichte, S. 33-36; Goeters, Reformation in
der Grafschaft Bentheim, S. 88f.
47 Siehe oben, S. 223.
48 Hamelmann, Opera, S. 786f.; Goeters, Reformation in
der Grafschaft Bentheim, S. 89f.; Smend, Kirchenverfas-
sung, S. 3; zu Bentheim, Geschichte, S. 33-39; Dres-
bach, Kirchengeschichte, S. 492.

49 Zitiert nach Smend, Kirchenverfassung, S. 3 Anm. 1.
Vgl. Goeters, Reformation in der Grafschaft Bentheim,
S. 90f.
50 In Bentheim, Gildehaus, Neuenhaus und Wilsum, Goe-
ters, Reformation in der Grafschaft Bentheim, S. 79, 98;
Wolf, Einfluß, S. 97. Zu den Verhältnissen in den einzel-
nen Pfarreien siehe Goeters, Reformation in der Graf-
schaft Bentheim, S. 68-79.
51 Goeters, Reformation in der Grafschaft Bentheim,
S. 91-93; zu Bentheim, Geschichte, S. 27-56;
Schröer, Reformation 1, S. 202.
52 Smend, Kirchenverfassung, S. 3; Kohl, Marienwolde zu
Frenswegen, S. 27-38; Schröer, Reformation 1, S. 204.
53 Hamelmann, Opera, S. 847f. Vgl. zu Bentheim, Ge-
schichte, S. 37-39.

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