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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0247
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Einleitung

5. Die Einführung des reformierten Bekenntnisses in den 1580er Jahren
Das Kirchenwesen in der Teilgrafschaft Tecklenburg war nach dem Interim - nicht zuletzt durch das
Wirken der regierenden Grafenwitwe Anna - zunächst lutherisch geprägt. Ihr Sohn, Arnold II., der seit
1573 Regent in Steinfurt war, wandte sich hingegen dem reformierten Bekenntnis zu. Er war bereits 1571
während seines Studienaufenthalts in Straßburg mit Calvins Lehre in Kontakt gekommen, und seine Frau,
Magdalena von Neuenahr, die mit Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz verschwägert war, hatte wohl
ebenfalls Einfluss auf seinen Konfessionswechsel. 1574 berief Arnold den reformierten Prediger Johann
Kemener72 nach Bentheim. Am zweiten Advent 1575 feierte man am Hof erstmals das Abendmahl nach
reformiertem Ritus, und am 29. Januar 1576 taufte Kemener den zweiten Sohn des Grafenpaares, Everwin
Wirich (1576-1596), gemäß reformierter Zeremonie. Johann Kemener wurde anschließend als Hofprediger
angestellt und stand in den folgenden Jahren der reformierten Hofgemeinde vor.73
2. Ordnung für das Tecklenburger Zisterzienserinnenkloster Leeden 27. Februar 1585 (Text S. 247)
Arnold II. pflegte das reformierte Bekenntnis zunächst lediglich im familiären Rahmen an seinem Hof und
machte es erst einige Jahre später im Land verbindlich. Erste Maßnahmen ergriff er gegenüber dem Zister-
zienserinnenkloster Leeden.74 Am 27. Februar 1585 erließ er ein Mandat, mit dem er die unter seinen
Vorfahren begonnene Klosterreformation fortsetzte, indem er bestimmte, dass ein evangelischer Pfarrer den
Schwestern in Leeden allmorgendlich aus der Bibel sowie ihnen nachmittags ein Kapitel aus Heinrich
Bullingers „Hausbuch“, den Dekaden, vorlesen und erklären sollte. Der Verweis auf Bullingers Hauptwerk
legt nahe, dass Arnold II. bereits 1585 Maßnahmen ergriff, die Zweite Reformation in seinem Herrschafts-
gebiet einzuführen.75
3. Bentheim-Tecklenburger Kirchenordnung 1588 / 20. Januar 1619 (Text S. 249)
Trotz der 1585 ergriffenen Initiative gegenüber dem Kloster Leeden zögerte Arnold II. zunächst noch, das
reformierte Bekenntnis in den Landgemeinden durchzusetzen. ein Anstoß kam schließlich von außen.
Arnold hatte seine zehn-, neun-, und sechsjährigen Söhne Everwin Wirich, Adolf und Arnold Jost 1586 auf
die Lateinschule in Herborn geschickt, die der reformierten Hohen Schule angegliedert war. Im Frühjahr
1587 besuchte er sie dort, wobei es auch zu einer Begegnung mit Johann VI. von Nassau-Dillenburg kam,
der ihm nahelegte, die Zweite Reformation in Bentheim-Tecklenburg einzuführen.76

72 Johann Kemener stammte aus Werne an der Lippe, Graf
Arnold berief ihn 1574 von Haus Merfeld bei Coesfeld.
Als Bentheimer Hofprediger ist er noch 1606 genannt,
Neuser, Spanier, S. 170; Bauks, Pfarrer, Nr. 3127.
73 Döhmann, Leben des Grafen, S. 12; Neuser/Dörner,
Kirchenordnung, S. 9f.; Neuser, Spanier, S. 170;
Schaub, Rheda, S. 82f.; zu Bentheim, Anna von Teck-
lenburg, S. 84, Schröer, Reformation 1, S. 207; Reu,
Quellen, I/III,1/2, S. 1127*.
74 1583 hatte Graf Arnold dem Kloster ein neues Wahlstatut
gegeben, LAV NRW W, Stift Leeden, Akten Nr. 284. Vgl.
Hengst, Klosterbuch 1, S. 496.
75 Der Abdruck der Ordnung in unserer Edition folgt dem-
jenigen bei Rumpius, Tekelenburg, S. 66-68, in dem sich
allerdings einige Lesefehler finden. Der Quellentext, der
Rumps Abdruck zugrunde lag, scheint nicht mehr erhal-

ten zu sein. Trotz intensiver Recherchen, die Dr. Christof
Spannhoff und Sebastian Schröder M.A. dankenswerter-
weise in den Beständen des LAV NRW W (Stift Leeden,
Akten Nr. 1, Nr. 285, Nr. 290, Nr. 292; Grafschaft Teck-
lenburg, Akten Nr. 262) sowie bezüglich des Archivs der
Kirchengemeinde Leeden im Landeskirchlichen Archiv in
Bielefeld betrieben haben, konnte der Text weder im Ori-
ginal noch in einer späteren Abschrift ermittelt werden.
Vgl. Schröder, Sebastian, „unndt alle mit einander
der Augspürgischen confession zugethaen gewesen“. Erin-
nerungen und Wahrnehmungen der Reformation im Stift
Leeden in einem Zeugenprotokoll von 1630, in: Nordmün-
sterland. Forschungen und Funde 3 (2016), S. 196-219.
76 Neuser/Dörner, Kirchenordnung, S. 10-13; Neuser,
Spanier, S. 170.

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