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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0248
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Die Grafschaft Bentheim-Tecklenburg

Johann VI. war neben Kurfürst Friedrich III. der einflussreichste politische Vertreter des reformierten
Bekenntnisses im Reich. Er stand an der Spitze des Wetterauer Grafenvereins und unter seiner Führung
führten einige Mitglieder Calvins Lehre in ihren Herrschaftsbereichen ein, darunter Ludwig I. von Witt-
genstein um 1575, Hermann von Neuenahr 1581, Konrad von Solms-Braunfels 1582 sowie die Grafen von
Wied um 1586.77 Arnold von Bentheim gehörte dem Wetterauer Grafenverein zwar nicht an, er wandte sich
aber im Sommer 1587 mit der Bitte um Hilfe an Johann VI., nachdem es in der Grafschaft Bentheim zu
einem Einfall spanischer Soldaten aus den Niederlanden gekommen war. Der Nassauer Graf sagte seine
Unterstützung zu und ermahnte Arnold zugleich, die längst fälligen kirchlichen Reformen - gemeint war
das reformierte Bekenntnis - in seinem Land einzuführen. Arnold II. antwortete ihm am 9. November
zustimmend, es wäre „wohl hohe Zeit, zuvörderst den getreuen Gott einhellig und emsig im wahren Glauben
anzuruffen“.78 Dieser Ankündigung folgten Taten, denn im Herbst 1587 nahm der Bentheimer Graf nicht
nur die Ausarbeitung einer reformierten Kirchenordnung in Angriff, sondern ließ am 23. Dezember auch
den Hochaltar der Tecklenburger Stadtkirche abbrechen und feierte dort am 26. Dezember mit der
Gemeinde das Abendmahl nach reformiertem Ritus.79
Bereits im Herbst 1587 hatte Graf Arnold die Prediger aus Bentheim, Schüttorf, Nordhorn und Teck-
lenburg sowie seine Räte versammelt, um über die Einführung des reformierten Bekenntnisses und die
dieses dekretierende Kirchenordnung zu beraten, wie die Vita Arnoldi berichtet: „Darnach ist in Versamm-
lungh wolgemelter Priesteren nechst anruffungh deß nahmen Gottes eine Kirchenordnungh, so weilandt
Herr Adolff, Graff zu Mörß, Newnahr und Lymburgh durch seine prediger einstellen laßen und von dem
Kirchenraht zu Heidelbergh avisirt und approbirt wardt, vorgelesen und darauf eines Jeden bedencken,
suffragium und stimme gefundirt worden. Alß nuhn darein ein einhelligkeit und vergleichungh getroffen, ist
obermeltem Hoffpredigere [=Johann Kemener], dieselbe Kirchenordnungh mit lehren und predigen einzu-
füren und auß Gottes wortt, was darein verfasset, zu beweisen [aufgetragen worden], im gleichen auch mit
Gottes wordt zu widerlegen die irre meinung von den götzen in der Kirchen, Altaren, abergleubigen Fasten,
den verstorbenen heiligen, item von der noth- oder gehetauf der Weiber, von beschweren bei der tauf, von
den runden küchlein im nachtmahl deß Herrn, so nit Speißbrodt ist und nit gebrochen kan werden, im
gleichen von der leiblichen und mündtlicher niessungh deß leibß Christi und von der ubiquitet deßelben und
was dieses menschenerdichteten wercks mehr magh gefunden werden“.80
Arnold II. wollte also keine gänzlich neue Kirchenordnung für Bentheim-Tecklenburg erarbeiten lassen,
sondern auf die Kirchenordnung zurückgreifen, die sein Schwager Adolf von Neuenahr 1581 für die Graf-
schaft Moers erlassen hatte. Die Versammlung der Tecklenburger Prediger und gräflichen Räte beschloss
einstimmig deren Übernahme. Der Wortlaut der Moerser Kirchenordnung wurde den Gegebenheiten der
Grafschaft Bentheim-Tecklenburg vermutlich durch Johann Kemener angepasst. Im Herbst 1588 lag die
fertige Ordnung schließlich vor.81

77 Goeters, Genesis, S. 46; vgl. Sehling, EKO IX,
S. 311f.
78 Der Briefwechsel zwischen Arnold II. und Johann VI. von
1587/88 ist ediert bei Neuser, Spanier, S. 177-185; vgl.
Neuser/Dörner, Kirchenordnung, S. 10-14; Schaub,
Rheda, S. 81f.; Schmidt, 400 Jahre, S. 191f.
79 Neuser/Dörner, Kirchenordnung, S. 14.
80 Döhmann, Leben des Grafen, S. 24. Vgl. Neuser/Dör-
ner, Kirchenordnung, S. 21.
81 Das vermutlich einzig überlieferte Exemplar der hand-
schriftlichen Ordnung stammt aus der Tecklenburger
Gemeinde Lengerich, FA Rheda, Litt. K 11. Das Titel-
blatt trägt die Aufschrift: „Graffliche Tecklenburgische
Kirchen Ordnung zu Lengerich, Anno 1588“. Vgl. Neu-

ser/Dörner, Kirchenordnung, S. 22, 27; Neuser, Kir-
chenverfassung, S. 14; ders., Spanier, S. 172; Schaub,
Rheda, S. 83f. Die Abschrift der Moerser Kirchenordnung
enthält an drei Stellen kleinere Auslassungen im Text,
ohne die die fehlenden Passagen unverständlich sind. In
einem Fall findet sich die Ergänzung der Passage in der
kurpfälzischen Kirchenordnung von 1563. Die beiden
anderen Fehlstellen erscheinen im Druck der Bentheim-
Tecklenburger Kirchenordnung von 1619 (siehe oben,
S. 197 Anm. d, S. 202 Anm. s, S. 211 Anm. h). Dieser
Befund lässt darauf schließen, dass der Bentheimer Druck
nicht auf die erhaltene Abschrift der Moerser Kirchenord-
nung, sondern auf eine andere Überlieferung zurückgeht.
Da keine anderen Textvorlagen als die beiden nahezu

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