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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0250
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Die Grafschaft Bentheim-Tecklenburg

Die Einführung der Zweiten Reformation in der Grafschaft Bentheim trug keine radikalen Züge, sie
erfolgte offenbar im Einvernehmen mit den Gemeinden. Bei der Anstellung reformierter Pfarrer und Pre-
diger ging Arnold II. umsichtig vor und wartete damit mancherorts, bis der lutherische Amtsinhaber ver-
storben war oder die Stelle selbst verließ. Der innerevangelische Bekenntniswechsel in Bentheim-Tecklen-
burg nahm somit mehrere Jahre in Anspruch und war erst 1597/98 abgeschlossen.90
Auch die Strukturen der landesherrlichen Kirchenleitung werden erst zu dieser Zeit sichtbar. 1597 ließ
Arnold II. ein geistliches Rentamt errichten, dessen Einkünfte sich aus den Mitteln der eingezogenen
Klostergüter und Stiftungen speisten. Aus diesem Fonds wurden die Geistlichen und Lehrer entlohnt sowie
die Kirchen- und Schulbauten unterhalten. Vermutlich 1597 richtete man auch die Klassen ein, in denen die
Geistlichen des Landes regelmäßig zu Synoden zusammenkamen, wie es bereits in der Kirchenordnung von
1588 angeordnet worden war.91
Nach dem Tod Arnolds II. (1606) wurde die Herrschaft unter seinen Söhnen geteilt.92 Graf Adolf93
(1577-1623), der Tecklenburg-Rheda erhielt, ließ die 1588 erlassene Kirchenordnung seines Vaters, die nur
als handschriftliche Fassung in Umlauf war, 1619 drucken und bestätigte damit deren Gültigkeit in seinem
Herrschaftsbereich. Konkreter Anlass für den Druck war die Zusammenkunft der Rhedaer Räte und Pre-
diger am 12. Januar 1619, bei der über eine Stärkung der kirchlichen Disziplin beraten wurde.94 Die Ord-
nung von 1588 wurde für den Druck nur leicht überarbeitet. Graf Adolf selbst nahm die Änderungen an
dem aus Lengerich stammenden handschriftlichen Exemplar vor.95 Seine Korrekturen griffen jedoch nicht
in den Inhalt ein, sondern betrafen lediglich Druckfehler oder ergänzende Versangaben bei Bibelzitaten.96
Die so entstandene „neue“ Version der Lengericher Handschrift diente als Druckvorlage, wie aus Markie-
rungen zum Seitenumbruch hervorgeht. Auch unterstrichene Passagen der in Petit zu setzenden Abschnitte
deuten darauf hin.97
Die Kirchenordnung gibt keine Auskunft zu Drucker und Druckort. Entgegen der Annahme, dass sie in
einer Lemgoer Offizin entstand,98 scheint es aufgrund des Drucktypenvergleichs wahrscheinlicher, dass das
Buch in Bremen bei Thomas de Villiers gedruckt wurde.99 Das Titelblatt wird von den Wappen Adolfs von
Bentheim und seiner Frau Margaretha von Nassau-Wiesbaden geziert. Ferner wurde dem Druck nicht nur
ein Widmungsschreiben des Grafen für seine Kinder, sondern auch ein origineller Anhang beigegeben, denn
den Schluss des Bandes bilden eine Sammlung von lateinisch-deutschen Kirchenväterzitaten zum Regiment
der weltlichen Obrigkeit im kirchlichen Bereich sowie zwei lateinische Hymnen auf Graf Arnold II. und
seinen Sohn Adolf. Diese Carmina wurden von Johann von Münster (1560-1632) verfasst, einem humani-

Arnold IV., S. 5-18; 400 Jahre Arnoldinum 1588-1988
(Schriftenreihe des Kreisheimatbundes Steinfurt 6), Gre-
ven 1988.
90 Goeters, Reformation in der Grafschaft Bentheim,
S. 110f.; Reu, Quellen I/III,1/2, S. 1127*.
91 Goeters, Reformation in der Grafschaft Bentheim,
S. 65. Vgl. ders., Evangelische Kirche, S. 210-214;
Smend, Kirchenverfassung, S. 12f.
92 Siehe unten, S. 235.
93 Zu Adolf, Graf zu Tecklenburg, siehe Cuno, Gedächtnis-
buch 5, S. 13f.; Schaub, Rheda, S. 88-91.
94 Siehe unten, Nr. 10. Vgl. Dresbach, Kirchengeschichte,
S. 498; Neuser/Dörner, Kirchenordnung, S. 22.
95 Siehe oben, Anm. 81.
96 Diese marginalen Abweichungen zwischen Handschrift
und Druck werden in unserer Ausgabe nicht kenntlich
gemacht, sie sind aber bei Neuser/Dörner, Kirchen-
ordnung, S. 255-268 ausgewiesen.

97 Ebd., S. 22, 27; Burkardt, Hohenlimburger Kirchen-
ordnung, S. 97. Beschreibung der Druckvorlage und des
Drucks von 1619 bei Neuser/Dörner, Kirchenord-
nung, S. 25-27.
98 Eine aus dem 20. Jahrhundert stammende Aktennotiz auf
der Handschrift der Ordnung gibt an: „Dieser erste Druck
erfolgte befehlsgemäß im Jahre 1619 (Lemgo). Angeblich
ist die gesamte Druckauflage (Lemgo 1619) völlig in Ver-
lust geraten, also kein Exemplar mehr auffindbar“. Unter
den Lemgoer Drucken bis 1626 ist die Bentheim-Tecklen-
burger Kirchenordnung jedoch nicht aufgeführt, Weiss-
brodt, Ernst, Die Meyersche Buchhandlung in Lemgo
und Detmold und ihre Vorläufer, Festschrift zum 250jäh-
rigen Bestehen der Firma am 12. Juni 1914, Detmold
1914, S. 65-72; vgl. Reske, Buchdrucker, S. 548.
99 So Neuser/Dörner, Kirchenordnung, S. 25f.; vgl.
Reske, Buchdrucker, S. 125.

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