Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0340
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Grafschaft Rietberg

Hamelmann berichtet etwa, Otto III. habe 1535 zwei ehemalige Augustinermönche, die in Lippstadt
aufgrund ihrer evangelischen Predigten vertrieben worden waren, in der Grafschaft aufgenommen: Her-
mann Halevat sei zum Prediger in Rietberg bestellt, Wilhelm Capellen als Hilfsprediger nach Neuenkirchen
entsandt worden.11 Die Anstellung der beiden Prediger und damit die Reformationseinführung in der Graf-
schaft Rietberg in den 1530er Jahren ist jedoch nicht durch andere Quellen belegt und ist - auch vor dem
Hintergrund weiterer Ereignisse - eher unwahrscheinlich.12 Otto III.13 von Rietberg hinterließ nach seinem
Tod (1535) zwei Söhne, die um die Herrschaft rivalisierten: Otto (IV.)14 (j 1552) aus der ersten Ehe mit
Anna15 von Wittgenstein und Johann (II.)16 (f 1562) aus der zweiten Ehe mit Anna von Esens. Otto war
beim Tod seines Vaters bereits mündig und forderte die ungeteilte Erbfolge. Am 23. Mai 1537 belehnte
Landgraf Philipp von Hessen die Halbbrüder jedoch zu gleichen Teilen.17 Ottos auch nach der Belehnung
anhaltendes Ringen um die alleinige Regierung in der Grafschaft wurde von Johanns Mutter, Anna von
Esens, unterbunden. Nach jahrelangem Streit vermittelte Philipp von Hessen am 22. Dezember 1541 einen
Vergleich, in dem Ottos Alleinherrschaft abgelehnt wurde.18
Die Rivalität unter den Halbbrüdern ist auch im Zusammenhang mit der vermuteten Reformations-
einführung in Rietberg relevant. Am 28. Juli 1537 antwortete Landgraf Philipp von Hessen auf ein nicht
überliefertes Schreiben Ottos IV. von Rietberg und brachte darin seine Freude über dessen Reformations-
absichten zum Ausdruck: „Unsernn gunstigen Grus zuvor, wolgebornner liebe Neve und Getrewer! Ewer
Schreibenn, an unsern Stathalter und Vicecantzler, Rethen und lieben Getrewen Sigmunden von Boyneburg
und Georgen Nuspickernn gethain, habenn wir verstandenn und hertzlich gerne gehort, das Ihr das Evan-
gelium und Wort Gottes in Ewrer Herschafft predigen unnd ordenn lassenn wollenn. Des gunstigen Erpie-
tens, wo Euch derhalb etwas Widerwertiges entstehen oder zugefugt werdenn wolt, das wir solchs unsers
besten Vermugens abschaffen und, Euch darbey zu hanthaben, an uns nichts erwinden lassenn wollen. Sover
Ir Ewrem Erpieten nach unsers freuntlichen lieben Vettern und Bruders, des Churfusten zu Sachssen etc.,
und unserer Ordnung hirin nachkommen werdenn, so wollenn itzo wir unsere Superintendenten derhalb in
Ewere Herschaft zum Ritperge schicken, die Ewre Ordnung im evangelio besichtigen und, wo vonnoten, die
zu bessern und uf die Bahn zu pringen“.19
Philipps Brief lässt erkennen, dass Otto IV. die Absicht hatte, die Reformation in der Grafschaft ein-
zuführen, woraufhin der Landgraf ihm zusagte, bei der Umgestaltung des Kirchenwesens nach hessischem

11 Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 421: „Ibi
unum ex concionatoribus secum ducit in comitatum Rith-
bergicum, nempe Wilhelmum Capellium, et eum adiungit
pastori in Nienkirchen et alterum Hermannum Halewa-
tum profugum concionatorem ministrum evangelii con-
stituit in oppido Rithberg“. Hamelmanns Darstellung fol-
gen Flaskamp, Zur Kirchengeschichte der Grafschaft,
S. 39f.; ders., Funde, S. 75; ders., Hagemann, S. 115;
Schüpp, Reformation, S. 79; Schwertener, Beiträge,
S. 10; Goeters, Kirchenordnungen, S. 138f.; Wolf, Ein-
fluß, S. 46; Stupperich, Reformationsgeschichte, S. 65;
Beine, Rietberg, S. 89; Beine/Austermann, Ostfries-
land, S. 43. Zu Capellen und Halevat siehe Hamelmann,
Reformationsgeschichte, S. 421 Anm. 1 und 3; Han-
schmidt, Pfarrei St. Johannes, S. 12; Bauks, Pfarrer,
Nr. 2251, 3084; Schüpp, Heinrich Wilhelm, Hand-
lungsspielräume einer Bürgerschaft während der Frühzeit
der Reformation, in: Ehbrecht, Wilfried (Hg.), Lippstadt
- Beiträge zur Stadtgeschichte, Bd. 1, Lippstadt 1985,
S. 261-280, hier S. 266, 278.
12 So Brandt/Hengst, Erzbistum Paderborn 2, S. 64, vgl.
Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 421 Anm. 3.

13 Zu Otto III. siehe Leesch, Grafen, S. 325f.; Wolf, Ein-
fluss, S. 45f.
14 Zu Otto IV. siehe Leesch, Grafen, S. 329f.
15 Zu Anna von Sayn-Wittgenstein siehe ebd., S. 326.
16 Zu Johann II. siehe ebd., S. 332; Beine, Vor 400 Jahren,
S. 90f.; Pieper, Paul, Das Rietberg-Bildnis von Her-
mann tom Ring, in: Westfalen 36 (1958), S. 192-212.
17 Leesch, Grafen, S. 297; Flaskamp, Zur Kirchenge-
schichte der Grafschaft, S. 30f.; Fahlbusch, Burg,
S. 62f.; Schüpp, Reformation, S. 79-81.
18 Regest des Vergleichs bei Leesch, Grafen, S. 362f. Vgl.
Heinemeyer, Politisches Archiv 3, Nr. 2491-2497;
Flaskamp, Zur Kirchengeschichte der Grafschaft, S. 32;
Schröer, Anteil, S. 647; Wolf, Einfluß, S. 48-50.
19 LAV NRW W, Grafschaft Rietberg, Akten Nr. 1375.
Zitat nach Flaskamp, Zur Kirchengeschichte der Graf-
schaft, S. 31. Wortlaut auch bei Stupperich, Reforma-
tionsgeschichte, S. 65 und Wolf, Einfluß, S. 49 Anm. 29
(Auszug); vgl. Brandt/Hengst, Erzbistum Paderborn
2, S. 64; Leesch, Grafen, S. 285; Schüpp, Reformation,
S. 79-81.

322
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften