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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0356
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Die Stadt Münster

Dieses Gremium forderte vom Rat umgehend die Anstellung evangelischer Prediger an den Kirchen der
Stadt, und der Rat kam diesem Wunsch nach einigen Auseinandersetzungen schließlich nach. In einer am
15. Juli 1532 getroffenen Vereinbarung (Nr. 1) erklärten Rat und Gemeinde ihren Zwist für beigelegt. Die
Vertreter der Bürgerschaft beriefen sich auf das Evangelium, das durch Bernd Rothmann in der Stadt
verbreitet worden sei und das künftig durch die an allen Pfarrkirchen der Stadt anzustellenden Prediger
verkündet werden würde. Sie forderten den Rat auf, die evangelische Lehre Rothmanns zu fördern und in
strittigen Lehrfragen Rothmann persönlich zu konsultieren. Schließlich sollte der Rat auch andere Rechte
und Gewohnheiten der Bürgerschaft künftig wahren.19
Mit diesem Dokument hatte der städtische Rat nicht nur die Einführung der Reformation in Münster
offiziell bestätigt und anerkannt, sondern auch die Lehrauffassung Bernd Rothmanns - und nicht etwa die
der Confessio Augustana - als Richtlinie für die evangelische Ausrichtung in der Stadt approbiert.20 Der
Text der Vereinbarung ist in einer zeitgenössischen Abschrift im Staatsarchiv Marburg überliefert.21 Das
Dokument wurde vermutlich zusammen mit einem Brief Rothmanns vom 16. Juli 1532 an Erhard Schnepf
(1494-1559), den Rektor der Universität, nach Marburg gesandt.22 In dem Schreiben bat Rothmann,
Schnepf solle sich bei Philipp von Hessen dafür verwenden, dass dieser beim Bischof von Münster für die
evangelische Sache werben möge. Philipp hatte bei Franz von Waldeck jedoch keinen Erfolg, der Mün-
steraner Landesherr blieb bei seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Reformation in der Kathedral-
stadt.23
Die Punkte, die Rat und Gemeinde in der Vereinbarung beschlossen hatten, wurde in den folgenden
Wochen umgesetzt. Im August 1532 ging der Rat daran, die altgläubigen Pfarrer zu entlassen, und setzte in
der Martini-, Ludgeri- und Aegidiikirche noch im gleichen Monat, in der Überwasserkirche im September,
evangelische Prediger ein,24 die mangels einheimischer Kräfte überwiegend von außerhalb berufen wurden.
Zu diesen Predigern gehörte auch Heinrich Roll25, der den Täufern nahestand.
Am 16. August 1532 legte Rothmann seine Schrift „Korte anwisunge der missbruch der romischen
kerken“26 vor, in der er die altgläubigen Bräuche, die nicht mit biblischen Texten begründet werden konn-
ten, etwa Benediktionen, Stolgebühren oder die Heiligenverehrung, kritisierte und deren Abschaffung vor-
schlug. Er forderte den altgläubigen Pfarr- und Stiftsklerus zu einer Disputation hierüber auf. Als aber von
dieser Seite keine Entgegnungen kamen, begann Rothmann gemeinsam mit den anderen evangelischen
Predigern, die altgläubigen Zeremonien abzuschaffen.27
Im Herbst 1532 fanden weitere Prädikanten, die Herzog Johann III. von Kleve aus Wassenberg im
Herzogtum Jülich vertrieben hatte, Aufnahme in Münster. Diese so genannten Wassenberger Prädikanten
- Dionysus Vinne, Johann Klopris, Hermann Staprade und Heinrich Slachtscaep - vertraten die Erwach-
senentaufe und trugen weitere täuferische Impulse in die Stadt.28 Martin Luther brachte am 21. Dezember

19 Zum Inhalt siehe auch Laubach, Reformation, S. 160;
Klötzer, Täuferherrschaft, S. 30f.; Stupperich,
Schriften Rothmanns, S. 78; Löffler, Reformations-
geschichte Münster, S. 111 f.; Schröer, Reformation 2,
S. 355-358.
20 Laubach, Reformation, S. 160. Vgl. Behr, Franz von
Waldeck II, Nr. 24.
21 Vgl. Nagel, Vertrag, S. 61 Anm. 8.
22 Abdruck des Briefs bei Stupperich, Schriften Roth-
manns, S. 32-34 und Cornelius, Geschichte I, S. 284f.
23 Behr, Franz von Waldeck II, Nr. 20f.; RommE, König-
reich 1, S. 85; Laubach, Reformation, S. 162; Schröer,
Reformation 2, S. 356.
24 Detmer, Kerssenbroch I, S. 230f; Neuser, Kirchenge-
schichte, S. 70; Laubach, Reformation, S. 161; Klöt-

zer, Reformation, S. 67; ders., Täuferherrschaft, S. 31;
Schilling, Aufstandsbewegungen, S. 216; Löffler,
Reformationsgeschichte Münster, S. 113; Schröer,
Reformation 2, S. 368f.
25 Kohl, Wilhelm, Heinrich Roll. Beiträge zu seiner Bio-
graphie, in: Bierbaum, Max (Hg.), Studia Westfalica. Bei-
träge zur Kirchengeschichte und religiösen Volkskunde
Westfalens, Festschrift für Alois Schröer (WestfSac 4),
Münster 1973, S. 185-194.
26 Abdruck in Stupperich, Schriften Rothmanns, S. 58f.
27 Laubach, Reformation, S. 161f.; Schröer, Reforma-
tion 2, S. 361-363.
28 Cornelius, Geschichte II, S. 170-210; Laubach,
Reformation, S. 166; Stupperich, Reformations-
geschichte, S. 108; Mellink, Täufertum, S. 13-18; Reu,

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