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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0358
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Die Stadt Münster

Dieses Exemplar wurde einem Brief beigelegt, den der Münsteraner Syndikus Johann von der Wyck39 am 2.
April 1533 an Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg nach Celle sandte.40

3. Zuchtordnung 1533 (Text S. 354)
Nachdem Franz von Waldeck am 14. Februar 1533 die Reformationseinführung in Münster anerkannt
hatte (Nr. 2) und die Ratswahlen am 3. März 1533 eine Mehrheit der evangelischen Mitglieder ergeben
hatten, ließ der städtische Rat eine Zuchtordnung erarbeiten, die noch im gleichen Jahr in der Offizin von
Dietrich Tzwyvel in Münster gedruckt wurde. Im Titelholzschnitt weist sie das Wappen der Stadt Münster
auf, umfangen mit einem Spruchband, das die Buchstaben VDMIE (Verbum Domini Manet In Aeternum)
- den Wahlspruch der Protestanten - trägt.41
Dass die Zuchtordnung vor dem Hintergrund der konfessionellen Positionierung entstand, wird nicht
nur durch dieses Motto, sondern auch durch den Inhalt der Ordnung unterstrichen. In der Vorrede erwähnt
der Rat, dass die evangelische Lehre in Münster eingeführt worden sei, beruft sich jedoch weder auf die
Confessio Augustana noch auf die Theologie Bernd Rothmanns, wie es in der Vereinbarung von 1532 der
Fall gewesen war. Die Ordnung enthält zwölf Abschnitte zu Strafamt, Gotteslästerung, Störung des Got-
tesdiensts, Beleidigung der Eltern durch die Kinder, Ehebruch, Hurerei, Kuppelei, übermäßiges Trinken,
Glücksspiel und Wucher. Den Schluss bildet ein Kapitel, in dem die Aufgaben der Zuchtherren beschrieben
sind. Darin stellt der Rat auch alle diejenigen unter Strafe, die die Kindertaufe und das Abendmahl unter
beiderlei Gestalt verspotten.42 Da sich der Rat in diesem Abschnitt auch explizit gegen täuferische Lehren
aussprach, erscheint es fraglich, ob Bernd Rothmann an der Abfassung der Ordnung beteiligt war.43
Die Zuchtordnung ist nicht datiert, die Forschung kam beim Versuch der zeitlichen Einordnung zu
unterschiedlichen Ergebnissen. Während Carl Adolf Cornelius die Ordnung auf das Frühjahr 1533 datier-
te44, meinte Robert Stupperich, der Rat habe sie im Sommer 1533 - noch während der Auseinandersetzung
um die Kirchenordnung45 und Rothmanns „Wydder andwurt“ - erlassen.46 Dietrich Kluge sprach sich
ebenfalls für ihr Erscheinen im Sommer 1533, allerdings noch vor der Disputation vom 7./8. August47,
aus.48 Im Gegensatz zu diesen zeitlichen Eingrenzungen auf Frühjahr/Sommer 1533 plädierte Gerhard
Goeters für das Erscheinen der Ordnung im November, da diese bezüglich der Taufe eine dezidiert luthe-
rische Position aufweise, die „nicht in die Zeit der Rivalität beider protestantischer Gruppen“ passe, „son-
dern nur in aie der lutherischen Vorherrschaft nach der Augustdisputation“ gehören könne.49 Die Frage der
Datierung kann also nicht eindeutig beantwortet werden. Fest steht lediglich, dass die Zuchtordnung früher

39 Johann von der Wyck, Dr. iur. utr., geb. um 1480, stu-
dierte in Köln, war 1528 Syndikus der Stadt Bremen und
seit 1. Januar 1533 der Stadt Münster. Hier unterstützte
er die Reformation und wurde Anfang Februar 1534 im
Namen des Bischofs hingerichtet, Stupperich, Dr.
Johann von der Wyck, S. 9-50; ders., Reformations-
geschichte, S. 109f.; Nagel, Vertrag, S. 62 Anm. 11.
40 Nagel, Vertrag, S. 74f.; Detmer, Kerssenbroch I,
S. 374 Anm. 1.
41 Beschreibung des Drucks bei Haller, Rothmanns
gedruckte Schriften, S. 91f. und Anm. 91; Borchling/
Claussen, Bibliographie, Nr. 1158, S. 519; Bömer,
Buchdruck, S. 64; Bahlmann, Wiedertäufer, S. 126.
Nachdem die Stadt rekatholisiert worden war, erließ der
Münsteraner Rat 1551 eine neue Zuchtordnung, die den
gleichen Titel-Holzschnitt aufweist wie diejenige von
1533 und somit auch das Schriftband mit der evangeli-
schen Devise „VDMIE“. Aus welchen Gründen man auf

das konfessionell eindeutige Titelblatt zurückgriff, ist
unklar, vgl. Galen, 500 Jahre Buchdruck, S. 124f.
Nr. 52; RommE, Königreich 1, S. 228.
42 Zum Inhalt siehe auch Kluge, Kirchenordnung, S. 230-
232; Brecht, Ulmer Kirchenordnung, S. 158-163; Ro-
thert, Kampf, S. 18-20; Goeters, Kirchenordnungen,
S. 130; RommE, Königreich 1, S. 92; Galen, 500 Jahre
Buchdruck, S. 125.
43 Die Mitarbeit Rothmanns nehmen an: Stupperich,
Schriften Rothmanns, S. 127; Brecht, Ulmer Kirchen-
ordnung, S. 160.
44 Cornelius, Geschichte II, S. 148.
45 Siehe unten, S. 341f.
46 Stupperich, Reformationsgeschichte, S. 104.
47 Siehe unten, S. 342.
48 Kluge, Kirchenordnung, S. 228 Anm. 46. Ebenso Klöt-
zer, Täuferherrschaft, S. 50 Anm. 187.
49 Goeters, Kirchenordnungen, S. 129f.

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