Einleitung
als die Kirchenordnung erschien, denn der Rat rechtfertigte sich darin am Schluss, warum die Kirchenord-
nung noch nicht vorliege, und kündigte deren baldige Fertigstellung an.50
Mit der Betonung der Sittenzucht trug das Münsteraner Kirchenwesen oberdeutsche Züge. Dieser Cha-
rakter lässt auf siidwestdeutsche Vorbilder schließen. Hier ist zunächst die Zuchtordnung „Constitution
und Satzung eins loblichen Raths der freyen statt Straßburg“51 von 1529 zu nennen, ferner die Basler
Reformationsordnung aus demselben Jahr52 und die Ulmer Kirchenordnung von 153 1 53. Alle drei Texte
können jedoch lediglich beziiglich des inhaltlichen Entwurfs als Vorlagen fiir die Münsteraner Zuchtord-
nung angesehen werden, wörtliche Textübernahmen finden sich hingegen keine.54 Die in der Forschung
betonten Parallelen zu Straßburg, Basel und Ulm sind zudem um allgemeine Anleihen aus den Zuchtord-
nungen von Konstanz55 und Esslingen56, beide von 1531, zu erweitern. Sämtliche genannten Texte behan-
deln mehr oder weniger die gleichen Themen, man muss für Münster also all diese städtischen Zuchtord-
nungen als Vorbilder annehmen, ohne sich dezidiert auf spezielle Texte festlegen zu können. Vor diesem
Hintergrund ist auch die Annahme, in Münster habe man das Amt der Zuchtherren von Straßburg über-
nommen57, zu relativieren, da dieses etwa auch in Konstanz und Esslingen eingeführt worden ist.
Die Münsteraner Zuchtordnung von 1533 wurde schließlich selbst zum Vorbild für die 1542 von Anto-
nius Corvinus entworfene lippische Zuchtordnung.08 Beide Texte weisen eindeutige Parallelen auf: Die
Kapitel sind in der gleichen Reihenfolge angeordnet, die Abschnitte „Van den Ampte des swerdes und straf
der openen laster“ sowie „Van Sweren, Vloeken, Godt lesteren ofte zijn wort“ wurden wörtlich in die
lippische Ordnung übernommen. Bei den übrigen Kapiteln orientierte man sich in Lippe nur an den Ein-
gangsformulierungen und führte das Folgende eigenständig aus.
4. Summarium der Kirchenordnung [April 1533] (Text S. 361)
Im Frühjahr 1533 begann der Münsteraner Rat damit, das Kirchenwesen nach evangelischen Vorstellungen
umzuformen. Bereits in der Zuchtordnung (Nr. 3) kündigte er an: „zyn dryerley ordeninge anthorichten
und to holden vor nodich bevunden, erstlic einen behorliken orden in dem ampte des wordes goddes, in
versamlinge der gemeyn in den kerken. Tho dem anderden gemeiner christliker und borgerliker tucht over
de gantze stad. Thom derden gude schole ordeninge, darinne de yoget in guder kunst, schrift und tucht tho
godes eren und gemeynem besten gelert und upgetoghen werde. Dusse dryerley ordeninge heft men, to
guden christliken leven anthorichten und tho holden, vor noidich angesyen“.59
Johann von der Wyck, der seit dem 1. Januar 1533 Syndikus in Münster war, wollte die Reformation in
der Stadt auch durch außenpolitische Maßnahmen sichern und plante den Beitritt zum Schmalkaldischen
Bund - die Kirchenordnung sollte folglich eine lutherische Prägung erhalten. Obwohl bekannt war, dass
o0 Siehe unten, S. 359. Vgl. Kluge, Kirchenordnung, S. 230.
51 Abdruck in Sehling, EKO XX, S. 208-217.
52 Abdruck in Roth, Paul (Hg.), Aktensammlung zur
Geschichte der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis
Anfang 1534, Bd. 3, Basel 1937, S. 383-410.
53 Abdruck in Sehling, EKO XVII/2, S. 124-162.
54 In der Forschung wurde jedoch mehrfach die große Nähe
der Münsteraner Zuchtordnung zu den Ordnungen aus
Straßburg, Basel und Ulm betont, etwa von Stuppe-
rich, Reformationsgeschichte, S. 105; Kluge, Kirchen-
ordnung, S. 223-228; Lutterbach, Weg, S. 98f.;
Schröer, Reformation 2, S. 400; Brecht, Theologie,
S. 64; ders., Ulmer Kirchenordnung, S. 158-163.
Brecht, Ulmer Kirchenordnung, S. 159 verweis darauf,
dass die Vorrede aus der Ulmer Ordnung „mit leichten
Vereinfachungen fast ganz in die Münsterander Zuchtord-
nung übernommen“ worden sei. Bei genauer Durchsicht
zeigt sich jedoch, dass sich der Text nur locker an die
Ulmer Ordnung anlehnt. Auch der Abschnitt „Ein gemein
sattinge allerlei misdaet straffinge“ der Münsteraner Ord-
nung lässt sich nur sehr allgemein auf den Abschnitt „Von
den lästerern Gottes, des glaubens und der sacrament“
der Basler Reformationsordnung von 1529 zurückführen.
55 Abdruck in Sehling, EKO XVII/1, S. 384-409.
56 Abdruck in Sehling, EKO XVII/2, S. 335-356.
57 So Kluge, Kirchenordnung, S. 231f.
58 Ebd., S. 232f. Abdruck der lippischen Zuchtordnung in
Sehling, EKO XXI, S. 361-365. Vgl. ebd., S. 290-292.
59 Siehe unten, S. 359. Vgl. Laubach, Reformation, S. 165.
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als die Kirchenordnung erschien, denn der Rat rechtfertigte sich darin am Schluss, warum die Kirchenord-
nung noch nicht vorliege, und kündigte deren baldige Fertigstellung an.50
Mit der Betonung der Sittenzucht trug das Münsteraner Kirchenwesen oberdeutsche Züge. Dieser Cha-
rakter lässt auf siidwestdeutsche Vorbilder schließen. Hier ist zunächst die Zuchtordnung „Constitution
und Satzung eins loblichen Raths der freyen statt Straßburg“51 von 1529 zu nennen, ferner die Basler
Reformationsordnung aus demselben Jahr52 und die Ulmer Kirchenordnung von 153 1 53. Alle drei Texte
können jedoch lediglich beziiglich des inhaltlichen Entwurfs als Vorlagen fiir die Münsteraner Zuchtord-
nung angesehen werden, wörtliche Textübernahmen finden sich hingegen keine.54 Die in der Forschung
betonten Parallelen zu Straßburg, Basel und Ulm sind zudem um allgemeine Anleihen aus den Zuchtord-
nungen von Konstanz55 und Esslingen56, beide von 1531, zu erweitern. Sämtliche genannten Texte behan-
deln mehr oder weniger die gleichen Themen, man muss für Münster also all diese städtischen Zuchtord-
nungen als Vorbilder annehmen, ohne sich dezidiert auf spezielle Texte festlegen zu können. Vor diesem
Hintergrund ist auch die Annahme, in Münster habe man das Amt der Zuchtherren von Straßburg über-
nommen57, zu relativieren, da dieses etwa auch in Konstanz und Esslingen eingeführt worden ist.
Die Münsteraner Zuchtordnung von 1533 wurde schließlich selbst zum Vorbild für die 1542 von Anto-
nius Corvinus entworfene lippische Zuchtordnung.08 Beide Texte weisen eindeutige Parallelen auf: Die
Kapitel sind in der gleichen Reihenfolge angeordnet, die Abschnitte „Van den Ampte des swerdes und straf
der openen laster“ sowie „Van Sweren, Vloeken, Godt lesteren ofte zijn wort“ wurden wörtlich in die
lippische Ordnung übernommen. Bei den übrigen Kapiteln orientierte man sich in Lippe nur an den Ein-
gangsformulierungen und führte das Folgende eigenständig aus.
4. Summarium der Kirchenordnung [April 1533] (Text S. 361)
Im Frühjahr 1533 begann der Münsteraner Rat damit, das Kirchenwesen nach evangelischen Vorstellungen
umzuformen. Bereits in der Zuchtordnung (Nr. 3) kündigte er an: „zyn dryerley ordeninge anthorichten
und to holden vor nodich bevunden, erstlic einen behorliken orden in dem ampte des wordes goddes, in
versamlinge der gemeyn in den kerken. Tho dem anderden gemeiner christliker und borgerliker tucht over
de gantze stad. Thom derden gude schole ordeninge, darinne de yoget in guder kunst, schrift und tucht tho
godes eren und gemeynem besten gelert und upgetoghen werde. Dusse dryerley ordeninge heft men, to
guden christliken leven anthorichten und tho holden, vor noidich angesyen“.59
Johann von der Wyck, der seit dem 1. Januar 1533 Syndikus in Münster war, wollte die Reformation in
der Stadt auch durch außenpolitische Maßnahmen sichern und plante den Beitritt zum Schmalkaldischen
Bund - die Kirchenordnung sollte folglich eine lutherische Prägung erhalten. Obwohl bekannt war, dass
o0 Siehe unten, S. 359. Vgl. Kluge, Kirchenordnung, S. 230.
51 Abdruck in Sehling, EKO XX, S. 208-217.
52 Abdruck in Roth, Paul (Hg.), Aktensammlung zur
Geschichte der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis
Anfang 1534, Bd. 3, Basel 1937, S. 383-410.
53 Abdruck in Sehling, EKO XVII/2, S. 124-162.
54 In der Forschung wurde jedoch mehrfach die große Nähe
der Münsteraner Zuchtordnung zu den Ordnungen aus
Straßburg, Basel und Ulm betont, etwa von Stuppe-
rich, Reformationsgeschichte, S. 105; Kluge, Kirchen-
ordnung, S. 223-228; Lutterbach, Weg, S. 98f.;
Schröer, Reformation 2, S. 400; Brecht, Theologie,
S. 64; ders., Ulmer Kirchenordnung, S. 158-163.
Brecht, Ulmer Kirchenordnung, S. 159 verweis darauf,
dass die Vorrede aus der Ulmer Ordnung „mit leichten
Vereinfachungen fast ganz in die Münsterander Zuchtord-
nung übernommen“ worden sei. Bei genauer Durchsicht
zeigt sich jedoch, dass sich der Text nur locker an die
Ulmer Ordnung anlehnt. Auch der Abschnitt „Ein gemein
sattinge allerlei misdaet straffinge“ der Münsteraner Ord-
nung lässt sich nur sehr allgemein auf den Abschnitt „Von
den lästerern Gottes, des glaubens und der sacrament“
der Basler Reformationsordnung von 1529 zurückführen.
55 Abdruck in Sehling, EKO XVII/1, S. 384-409.
56 Abdruck in Sehling, EKO XVII/2, S. 335-356.
57 So Kluge, Kirchenordnung, S. 231f.
58 Ebd., S. 232f. Abdruck der lippischen Zuchtordnung in
Sehling, EKO XXI, S. 361-365. Vgl. ebd., S. 290-292.
59 Siehe unten, S. 359. Vgl. Laubach, Reformation, S. 165.
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