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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0360
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Die Stadt Münster

Bernd Rothmann eine andere Auffassung vom Abendmahl vertrat, erteilte ihm der Rat vermutlich noch im
März 1533 den Auftrag, die Ordnung zu entwerfen.60
Rothmanns Ausarbeitung ist nicht erhalten, ihr Inhalt kann lediglich ansatzweise aus einem Exzerpt
mit dem Titel „Succinctum municipalium legum excerptum earum rerum, quae ad senatus monasteriensis
auctoritatem pertinent“ (Nr. 4) erschlossen werden.61 Hiernach waren für jede Pfarrkirche zwei von der
Gemeinde gewählte Prediger vorgesehen, ferner sollten eine Lateinschule sowie Almosenkästen unter der
Aufsicht von Diakonen und Almosenherren eingerichtet, zwei Gelehrte für exegetische Vorlesungen über das
Alte und Neue Testament angestellt und die Ehegerichtsbarkeit sowie Sittenzucht von sechs Zensoren
überwacht werden.62
Die theologische Ausrichtung von Rothmanns Entwurf scheint dem Rat nicht zugesagt zu haben, denn
am 17. April sandte er die Ordnung zur Begutachtung an Philipp von Hessen, der sie an die Theologische
Fakultät in Marburg weiterleitete.63 Das Gutachten aus Marburg ist nicht überliefert, es ist aber bekannt,
dass die Theologen das Tauf- und Abendmahlsverständnis der Ordnung kritisierten. Folglich legte Landgraf
Philipp dem Münsteraner Rat nahe, den Text insbesondere in den beanstandeten Abschnitten ändern zu
lassen.64
Rothmann, der seinen Entwurf also kommentiert zurückerhielt, machte sich jedoch nicht an die Über-
arbeitung, sondern legte am 24. Juli 1533 - unterstützt von den Wassenberger Prädikanten - eine „Wydder
Andwurt“65 vor. Darin bezeichnete er die Kindertaufe als nicht schriftgemäß, vertrat die Taufe der Erwach-
senen und führte eine symbolische Abendmahlslehre aus. Rothmann stand also bereits deutlich unter dem
Einfluss der von den Wassenberger Prädikanten vertretenen Theologie.66
Rothmanns Tauf- und Abendmahlsverständnis war nicht vom Reichsrecht gedeckt, und der städtische
Rat musste auf die „Wydder Antwurt“ reagieren. Er forderte Rothmann und die Wassenberger Prädikanten
für den 7. und 8. August 1533 zu einer Disputation über die strittigen Punkte von Taufe und Abendmahl
auf. Bei dieser Zusammenkunft folgten die meisten Prediger Bernd Rothmanns theologischer Haltung.67
Anfang Oktober 1533 legte Bernd Rothmann sein „Bekenntnis von beiden Sakramenten“68 vor, in dem
er sich erneut für die Glaubenstaufe, eine symbolische Auffassung des Abendmahls sowie für ein Gemein-
deverständnis aussprach, mit dem er sich ausdrücklich von den Lutheranern distanzierte. Zu dieser Zeit
scheint sich der Kern der späteren Täufergemeinde in Münster formiert zu haben, und am 28. Oktober
drängte Franz von Waldeck die Stadt, die Wassenberger Prädikanten auszuweisen. Der Rat kam dieser
Aufforderung nach und belegte Rothmann außerdem mit einem Predigtverbot.69 Daneben hatte die Stadt

60 Ebd., S. 166.
61 Cornelius, Geschichte II, S. 150; Stupperich, Refor-
mationsgeschichte, S. 104.
62 Kluge, Kirchenordnung, S. 224f.; Cornelius,
Geschichte II, S. 148f.; Stupperich, Schriften Roth-
manns, S. 129; Schröer, Reformation 2, S. 393f.; Lut-
terbach, Weg, S. 99.
63 Stupperich, Reformationsgeschichte, S. 104. Vgl. ders.,
Schriften Rothmanns, S. 129; Küch, Politisches Archiv
II, S. 784.
64 StaatsA Marburg, Polit. Arch. 2203, Bl. 34; Krapf,
Landgraf Philipp, S. 71; Stupperich, Hessens Anteil,
S. 155; Schilling, Aufstandsbewegungen, S. 221; Behr,
Franz von Waldeck I, S. 79; Laubach, Reformation,
S. 166.
65 „Wydder Andwurt der diener des evangelii zu Munster
auf denn radtschlag unnd gudt duncken der theologen zu
Marpurgk, die munsterische ordenunge belangende, an
die erbar und ersamen burgermaister auch olderleute und

gildemaister daselbst“, Abdruck in Stupperich, Schrif-
ten Rothmanns, S. 130-138. Vgl. Lutterbach, Weg,
S. lOOf.; Laubach, Reformation, S. 166f.
66 Zu Rothmanns theologischer Entwicklung und Radikali-
sierung siehe Peters, Vom Humanismus zum Täufer-
reich (im Druck); Stupperich, Reformationsgeschichte,
S. 113-117; Brecht, Theologie, S. 49-82; Kluge, Vor-
bereitung, S. 23-38; Detmer/Krumbholtz, Zwei
Schriften, S. LI-LXX.
67 Das Protokoll der Disputation ist abgedruckt bei Stup-
perich, Schriften Rothmanns, S. 94-119. Vgl. ders., Dr.
Johann von der Wyck, S. 24; Detmer, Religionsge-
spräch, S. 282-300; ders., Kerssenbroch II, S. 424-426;
Laubach, Reformation, S. 171f.; Schröer, Reforma-
tion 2, S. 397f.
68 Abdruck in: Stupperich, Schriften Rothmanns, S. 138-
195. Vgl. Laubach, Reformation, S. 172f.
69 Detmer, Kerssenbroch II, S. 437ff.; Stupperich,
Reformationsgeschichte, S. 110; Kluge, Kirchenord-

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