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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0388
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Die Stadt Soest

Die Thesen, die von Thomas Borchwede und den anderen Predigern unterzeich.net worden waren, setzten
sich mit überkommenen Lehrauffassungen, wie der Rechtfertigungslehre und der Heiligenverehrung,
Beichte und Fastengebot, Zeremonien in Gottesdiensten sowie bei Taufe und Abendmahl auseinander.26
Die von den Predigern gewünschte Disputation kam zwar nicht zustande, aber ein entscheidender
Schritt auf dem Weg zur Soester Reformation wurde Ende 1531 doch noch getan, denn im Herbst dieses
Jahres war mit Johann Wulf von Kampen (um 1500-um 1575) ein weiterer Prediger nach Soest gekom-
men.2' Obwohl der Magistrat im Auftrag des Klever Herzogs ein Predigtverbot für Auswärtige verhängt
hatte, stieg Johann Wulf am Thomastag, dem 21. Dezember 1531, in St. Pauli auf die Kanzel. Als er auch in
St. Petri predigen wollte, wurde er vom Rat gefangen genommen, woraufhin es zu Unruhen unter der
Bevölkerung kam. Wulf von Kampen wurde von den Aufständischen befreit, die daraufhin die beiden
altgläubigen Bürgermeister Albert Greve und Johann Gropper gefangen setzten und einige Häuser der
Stiftsherren stürmten. Nach Verhandlungen eines Bürgerausschusses mit dem Rat wurden die Bürgermei-
ster wieder freigelassen und die Forderungen im „Bundbrief“28 festgehalten. Mit diesem Schreiben, das
Ämter (Zünfte) und Gemeinheit dem Soester Rat übergaben, erzwangen sie die Zulassung evangelischer
Predigten in allen Kirchen der Stadt mit Ausnahme des Patroklusstifts. Infolge des Soester „Thomasauf-
stands“ von 1531 wurde schließlich auch ein aus 24 Personen bestehendes Gremium eingesetzt, das die
weiteren Schritte der Reformationseinführung lenken sollte.29
1. Kirchenordnung 4. April 1532 (Text S. 385)
Obwohl der Klever Herzog Johann III. den Soestern am 25. Oktober 1531 geschrieben hatte, ihnen seine
Kirchenordnung zu übersenden, kam er dieser Ankündigung in den folgenden Wochen nicht nach, auch
nicht, als der Soester Magistrat am 16. Dezember ausdrücklich um die Zusendung bat.30 Der Grund für die
Verzögerung bestand darin, dass die Klever Kirchenordnung31 zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt
war. So entschloss sich der Soester Magistrat - nicht zuletzt unter dem Druck der Prediger und der
überwiegend evangelischen Stadtbevölkerung -, ein eigenes Regelwerk ausarbeiten zu lassen. Hierfür
wurde Gert Oemeken,32 der Prediger von Lippstadt, nach Soest berufen, der am 1. Januar 1532 ein-

26 Peters, Dyt ys de beken(n)inge, S. 69-80 mit Edition
weiterer Quellen zu Borchwedes Thesen. Vgl. Neuser,
Kirchengeschichte, S. 61f.; Schwartz, Geschichte,
S. 39f.; Stupperich, Reformationstheologie, S. 7-12;
Ehbrecht, Reformation, S. 252.
27 Schwartz, Geschichte, S. 37, 40, 84f.; Jostes, Daniel
von Soest, S. 16f.; Ehbrecht, Reformation, S. 243-245,
275-280; ders., Verlaufsformen, S. 45f.
28 Abdruck bei Schwartz, Geschichte, S. 46f. und Jostes,
Daniel von Soest, S. 106f. Der Bundbrief ist im Ratspro-
tokoll fälschlich auf 1532 datiert, vgl. hierzu Schwartz,
Geschichte, S. 47 Anm. 8. Siehe auch ebd., S. 43-47; ders.,
Aldegrever, S. 72; Schröer, Reformation 1, S. 359-362;
Stupperich, Reformationstheologie, S. 17-19; Eh-
brecht, Reformation, S. 253-256; Jostes, Daniel von
Soest, S. 17f.; Kohl, Absolutismus, S. 63; Günther,
Autonomie, S. 27.
29 Auch in Herford war 1528/29 ein aus neun Personen
bestehendes Gremium zur Reformationseinführung
installiert worden, Sehling, EKO XXI, S. 161. Zu den

Soester Bürgerunruhen siehe auch Ehbrecht, Verlaufs-
formen, S. 32-37.
Schwartz, Geschichte, S. 39; Schröer, Reformation 1,
S. 358; Jostes, Daniel von Soest, S. 15.
Siehe oben, Anm. 25.
Gert Oemeken (um 1500-1562) stammte aus Kamen, er
nahm Predigertätigkeiten in Wittenberg, Lübeck, Büde-
rich und Lippstadt wahr und hielt sich 1532 für wenige
Monate in Soest auf. Anschließend wirkte er erneut in
Lübeck sowie in Lemgo und Minden, nach 1540 stand er
in Diensten der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg,
seit 1547 war er Superintendent in Güstrow, Mühl-
haupt, Art. Oemeken, RGG 4 (31960), Sp. 1568 f.; Wil-
helm-Schaffer, Art. Oemeken, BBKL 6 (1993),
Sp. 1150f.; Knodt, Omeken; Krafft, Oemiken, S. 267-
273; Stupperich, Wirksamkeit, S. 151-158; ders., Refor-
mationsgeschichte, S. 203 Anm. 180; Schwartz,
Geschichte, S. 49f„ 79f.; Goeters, Oemeken, S. 67-90;
Jostes, Daniel von Soest, S. 20f.; Bauks, Pfarrer,
Nr. 4581; Basse, Oemeken, S. 48f.

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