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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0525
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Einleitung

Zeit ist dürftig, so dass offen bleiben muss, wann genau und in welcher Weise die reformatorische Bewegung
hier Fuß fasste. Fest steht nur, dass man 1535 Marienprozessionen durchführte und Totenmessen hielt.
Auch um 1560 war die hergebrachte Liturgie noch weitgehend in Gebrauch, vermutlich wurden jedoch
evangelische Predigten und deutschsprachige Lieder in die Messen integriert. Diese Form allmählichen
Eindringens evangelischer Neuerungen lässt sich auch in der nahegelegenen Reichsstadt Dortmund11 fest-
stellen, wo sich der Magistrat der Reformation ebenfalls erst Anfang der 1560er Jahre öffnete.12

3. Die Neuenrader Kirchenordnung von 1564

1. Kirchenordnung 21. Mai 1564 (Text S. 515)
Die Einzelheiten zur Entstehung und zum Druck der Neuenrader Kirchenordnung sind aufgrund mangeln-
der Quellen nicht bekannt. Vermutlich Ende 1563 oder Anfang 1564 wurde Hermann Wilken mit der
Ausarbeitung der Kirchen- und Gottesdienstordnung für seine Heimatstadt beauftragt. Wilken (Witekind)
(1522-1603)13 stammte aus einer einflussreichen Neuenrader Familie. Er studierte 1546 an der von Philipp
Melanchthon geprägten Universität in Frankfurt an der Oder14 und von 1548 bis 1550 bei Melanchthon
selbst in Wittenberg. 1552 zog Wilken in das lutherisch geprägte Riga, wo er zunächst zwei Jahre lang
Lehrer an der Domschule und auf Empfehlung Melanchthons seit 1554 deren Rektor war. 1561 ging er nach
Rostock und schrieb sich in die Universitätsmatrikel ein. Noch im selben Jahr ließ er sich jedoch in Hei-
delberg nieder, wo er 1563 die Professur für Griechisch übernahm. Seit 1557 nannte er sich Hermannus
Witekind, angelehnt an den Sachsenherzog des 8. Jahrhunderts.15 In Heidelberg amtierte Wilken 1567
erstmals als Dekan der Artistenfakultät und 1569 als Rektor der Universität. Die Professur für Griechisch
hatte er bis 1580 inne. Anschließend - während des lutherischen Intermezzos in der Kurpfalz unter Lud-
wigVI. - war er am Casimirianum16 in Neustadt als Professor für Mathematik tätig. Als 1583 unter
Kuradministrator Johann Casimir in der Kurpfalz das reformierte Bekenntnis wieder verbindlich gemacht

11 Zur Reformation in Dortmund siehe Sehling, EKO
XXI, S. 199-206; Schilling, Heinz, Dortmund im 16.
und 17. Jahrhundert - Reichsstädtische Gesellschaft,
Reformation und Konfessionalisierung, in: Luntowski,
Gustav/Reimann, Norbert (Hg.), Dortmund. 1100 Jahre
Stadtgeschichte, Festschrift, Dortmund 1982, S. 151-201;
Winterfeld, Durchbruch, S. 53-146; Stenger,
Albrecht, Die Reformation in Dortmund, in: JVWKG
40/41 (1939/40), S. 191-208.
12 Stievermann, Neuenrade, S. 106, 114; ders., Neuenra-
der Kirche, S. 252; Gryczan, Melanchthonschüler,
S. 198; Rothert, Kirchengeschichte der Grafschaft
Mark, S. 485.
13 Zu Hermann Wilken (Witekind) siehe Gryczan,
Melanchtonschüler, S. 21-181; Sommer, Hermann Wite-
kind, S. 111-122; ders., Funktion, S. 258f.; Drüll,
Gelehrtenlexikon, S. 557-559; Hartmann, Art. Wite-
kind, Hermann, in: Killy Literaturlexikon 12, hg. von
Wilhelm Kühlmann, Berlin 22011, S. 475-477; Stiever-
mann, Lercheimer, Sp. 1518-1524; ders., Neuenrade,
S. 109-114; Schlick, Gemeinde- und Gedenkbuch,
S. 45-55; Wolters, Hermann Wilcken, S. 45-54;
Nelle, Wilckens Kirchenordnung, S. 86-94; Böhmer,
Hermannus Wilcken, S. 189-191; Binz, Lercheimer,

S. iii-xxxi; Vilmar, Notiz, S. 228-235; Rothert, Kir-
chengeschichte des Westfälisch-Rheinischen Industriege-
bietes, S. 68-72; Heutger, Evangelisch-theologische
Arbeit, S. 169-171; Poelchau, A., Biographisches über
Hermann Wilcken (Augustin Lercheimer) und Andere, in:
Sitzungsberichte der Gesellschaft für Geschichte und
Alterthumskunde der Ostseeprovinzen Russlands aus dem
Jahr 1888 (1889), S. 89-95.
14 Vgl. Höhle, Michael, Universität und Reformation.
Die Universität Frankfurt (Oder) von 1506 bis 1550
(BoBKG 25), Köln u.a. 2002; Heinrich, Gerd, Art.
Frankfurt an der Oder, Universität, in: TRE 11 (1983),
S. 335-342; Knefelkamp, Ulrich, Art. Frankfurt an
der Oder, Universität, in: RGG 3 (2000), Sp. 217f.
15 Zu Wilkens Namenswechsel siehe Gryczan, Melanch-
thonschüler, S. 50-52.
16 Johann Casimir, Pfalzgraf von Lautern, hatte 1578 in
Neustadt an der Haardt (Weinstraße) eine calvinistische
Hochschule, das Casimirianum, eingerichtet, da bereits
im Dezember 1577 die drei reformierten Theologieprofes-
soren in Heidelberg entlassen worden waren. Sie fanden
im Casimirianum Aufnahme, Wolgast, Universität Hei-
delberg, S. 44-46.

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