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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0055
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Kirchenordnung 1543

herten, van ganzer seelen etc. [Mt 22,37], alse
thovorne gesecht is und werd de leve nicht so
vulkamen in uns in dissem levende, bet dat wy
kamen tho jenem levende, dar Got werd alles
in uns allen syn, 1. Corinth. 15 [28].

Uth gnade överst, secht Augustinus, vullen-
bringen wy dat gesette. Uth gnade, dat is: Int
erste vor allem, dat uns Got gnedich und gün-
stich is und hefft uns leff alse unse leve Vader
syne kindere, gyfft uns synen hylgen Geist, dat
wy in Christo geloven könen vorgevinge der
sunden, dat Got unse leve Vader is und wy syne
kindere und hebben dat ewige levent und tröstet
uns in aller not, dat is unse gewisse salicheit,
de wy hebben in Christo, dat is dardorch, dat
wy geloven an Christum Jesum, den Söne Gades,
uns vam Vader gnedichlich gegeven.

By dem geloven mothen wy blyven unse levent
lang, dat wy numermehr in allen nöden lyves
und der seelen trost, radt und gerechticheit sö-
ken, denn allene by unsem hemmelschen Vader,
allene im namen Jhesu Christi, dat het, by der
gnaden Gades blyven. Also sind wy alse de
leven kindere vor unse persone anneme 9 Gade
unsem leven Vadere in Christo, alse de kindere
den oldern van herten leff synd, wen se noch
in der wegen liggen und sind erven tho allen
güdern der oldern, wenn se noch den oldern
nenen denst dohn könen, ja de oldern möthen
en denen edder de kindere weren vorlaten. Alse
ock Got tho uns spreckt Jesaia 43 [24 f.]: Du hast
my erbeit gemaket in dynen sunden und hast
my möde gemaket in dynen missedaden. Ick,
ick delge 10 dyne övertredinge umme mynent-
willen und gedenke dyner sunden nicht. Wol
wasschet dar dat unreyne kind? Deyt yd dat
kind sülvest edder Gades, des Vaders, gnade?
dat sick doch einmal de antichristesche, unser
papen und mönneken lere möchte schemen.

Darna wenn wy also kindere Gades allene
dorch Christum sind geworden, alse vaken tho-
vorne gesecht (men kan överst den dullen werk-
hilgen nicht genoch seggen), varen wy tho alse
gude böme dörch de gnade und hülpe dessulvi-

9 = angenehm.

10 = tilge.

gen hilgen Geistes, de in uns is, nicht mit unsen
kreften (Röm. 8 [18]: So gy dorch den Geist des
flessches werke döden, so werden gy leven) und
bringen gude früchte, dat is, wy heven an tho
levende Got und den negesten. Dat het nicht
anders, denn wy heven an, Gades gebaden ge-
horsam tho werdende und tho dohnde, wat
uns Got gebaden hefft. Und dat anhevent des
gehorsams is noch nicht ein vulkamen gehor-
sam, werd ock noch nicht in dissem levende vul-
kamen werden. Is de gehorsam unvulkamen, so
is he ock noch unrein, so vele an uns is, wo
kan denn solcke unvulkamen leve und der-
wegen unreine leve edder sülcke unvulkamen
werke und derwegen unreine werke Gade wol
gevallen? Dewile ock Augustinus secht: Justus
etiam in bono opere peccat11. Antwert: Sülcken
gehorsam, wowol unvolkamen, nimpt Got unse
Vader van synen kindern an vor vulkamen, gut,
hillich und rein uth gnaden und gunst gegen
uns alse ein Vader gegen den gehorsamen kin-
dern, de nu men beginnen tho donde, wat en de
Vader bevalen hefft. Also erfülle wy Gades ge-
bade und dohn allent, wat uns Got bevalen hefft,
nicht mit vullenkamenheit unser werken, dat is
nicht mögelick, sonder uth Gades gnaden und
gunst. He is unse Vader und is uns, synen kin-
dern, gnedich und günstich umme Christus
willen, den wy mit dem geloven angenamen
hebben.

Darumme wat wy dohn na synem bevele, dat
gevelt unsem leven Vader sowol, dat he uns ock
beloninge darvor thosecht und gyfft, alse tho-
vorne gesecht is. Wowol överst solck dohnd
noch uthermathen unvulkamen is und derwegen
sundich und unrein, dewile wy dem gesette Ga-
des darmede noch nenerleye wise genoch dohn
edder dohn könen, so nimpt yd doch unse hem-
melsche Vader an und up uth gnaden und gunst
vor vulkamen, gut und rein, gelick efft wy yd
ganz und vulkamen hedden uthgerichtet, so
schir, dat nein har breid darane feile. Dat wy
mit unser leve und werken dem gesette nicht
genoch dohn, dat is noch unse sunde. Overst

11 Augustin zugeschrieben.

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