Lüneburg
2. Wie und was wir, Ernst, von Gots gnaden herzog zu Braunswick und
Leuneborg, unsers furstenthumbs pharhern und predigern zu predigen
befholen. 1 [1529]
Demnach mancherley kuntliche missbrauche
nun langes her eyngerissen, die nicht leichtlich
noch ohn geverdh in der eyle mogen ausgereu-
teth werden, ehe dann sie vormiddelsth heller,
unwiddersprechliger, heiliger schrifth vor ungot-
lich erklerth, erfodderth die billicheit und not-
turfth, hirinnen eyner klugkeith des geystes und
cristliger bescheydenheith zu gebrauchen, das
erstlich eyn gutter, unbewechliger grund gelegt,
drauf man onsorglich bauwe und das liecht got-
lichs worths im mittel angezundet werde, dar-
bey die cristglaubige gleich als in eynem dunk-
len orth mogen sehen, bey welchem auch be-
rurte missbrauche sich nicht vorstellen, sonder
an ihn selbs dermasse gebloseth werden, das
ihrer falscher scheyn entlichen vorlossche. Sol-
len drumb alle und iglige unsers furstenthumbs
pharhern und prediger nicht unzeitlich noch um-
bescheydenlich mit ergernus der zuhorer wider
menschlige gerechtigkeit fechten, dieweil der
grundvesth gotliger gerechtigkeith, welcher ist
Cristus, noch nicht gelegt ist, dieweil das evan-
gelion so lange noch nicht gepredigeth ist, das
men glaub der sundh vorgebung durch Gots
gnade und das ewig leben nur alleyn in un-
serm Hern Jesu Cristo. Eyn nerrichter mensch
baueth ane grundh und flickt eyn alt kleidh
mit eynem lappen von nuwem thuch, fasseth
auch den mosth in alte schleuche [Mk 2, 21 f.].
Da abir die menschen angefangen, die warhaf-
tige gerechtigkeit zu vorstehen, alsdan wirdeth
die falsche gerechtigkeit leichtlich verdammet.
Erstlich sollen sie die menschen ansehen als
1 Druckvorlage: Hs Celle Br. A. Des. 50, Nr. 2,
Bl. 34—41 im Staatsarchiv Hannover.
^a = Sie hüten zugleich den Pflug und den
Stein. Ein damals öfter vorkommendes Sprich-
wort heißt: De ploch den sten wol vindeth,
vgl. Schiller u. Lübben III, S. 350, auch K. F.
Wander, Deutsches Sprichwörterlexikon III,
1873, S. 1334.
bruder, nicht in kappen, platen etc. als der wi-
derwertigen vileicht durch predig der pusse van
irsalen und sunden nuchtern zu reden und durch
predig dess evangelii zu glauben und salicheit
zu entpfangen auf die vorheissung. In Cristo wirt
ihnen Got pusse geben, die warheit zu erkennen
und nuchtern zu werden von des teufels strick,
der sie gefangen hath nach seynem willen, 2. ep.
Timoth. 2 [25 f.].
Hyninnen aber etwas fruchtbares nach gotli-
gem willen auszurichten, sollen sie nicht unge-
schickte, noch unnuze arbeyder seyn als jenne,
wennör sie ein ganze stunth gepredigeth auss
der schrifth dergestalth, das sie nicht mogen
beschuldigt werden, als hetten sie ichtwes bos-
ses gepredigt, haben doch nichts gepredigth und
die zuhörer ohn frucht hinweggehen, demnach,
da sye nichts gesazt, das ist, keyne gewisse ma-
ten vor sich genomen, daruff sie reden, die be-
weren odir als gepürlich dem folk inbilden wer-
den, fharen sie weitluftig, werfen ungeschickth
alles in eynen haufen, das man nicht weis, wür-
hinaus. Thun dazu nu diesses, nu jennes, das da-
zu nicht gehorth, waren zugleich de pflug und
steen^a odir ja der beyder keines, da sie sich
beyderley undirstheen, laufen imer darneben
und auss der bahn, von diessen dorfstu nicht er-
warten eins besclus, drynnen alles das gesagt,
kurzlig vorgriffen und vorhalt werde, dann die-
weil, was sie je *b gang guetter werk lerne, dem-
nach der inhalt erfoddert, eins malhs nicht alles
sagen.
Alsdann auch schigligkeith weynig nuzet, wo
xb Im folgenden ist dem Schreiber der Hs ein
Versehen unterlaufen, vgl. S. 525, Mitte; Ucke-
ley, S. 11, Anm. 6 hat die hierher gehörenden
Worte aus fol. 36a sinngemäß rekonstruiert:
„gelernt adir geleßen, alles auff eyne stunt
sagen wollen, werden ßie Irre Ihnen selbs,
wissen nicht, was ßie gesagt; solche mugen
eynen andern nicht lernen. Ein Bischoff aber
522
2. Wie und was wir, Ernst, von Gots gnaden herzog zu Braunswick und
Leuneborg, unsers furstenthumbs pharhern und predigern zu predigen
befholen. 1 [1529]
Demnach mancherley kuntliche missbrauche
nun langes her eyngerissen, die nicht leichtlich
noch ohn geverdh in der eyle mogen ausgereu-
teth werden, ehe dann sie vormiddelsth heller,
unwiddersprechliger, heiliger schrifth vor ungot-
lich erklerth, erfodderth die billicheit und not-
turfth, hirinnen eyner klugkeith des geystes und
cristliger bescheydenheith zu gebrauchen, das
erstlich eyn gutter, unbewechliger grund gelegt,
drauf man onsorglich bauwe und das liecht got-
lichs worths im mittel angezundet werde, dar-
bey die cristglaubige gleich als in eynem dunk-
len orth mogen sehen, bey welchem auch be-
rurte missbrauche sich nicht vorstellen, sonder
an ihn selbs dermasse gebloseth werden, das
ihrer falscher scheyn entlichen vorlossche. Sol-
len drumb alle und iglige unsers furstenthumbs
pharhern und prediger nicht unzeitlich noch um-
bescheydenlich mit ergernus der zuhorer wider
menschlige gerechtigkeit fechten, dieweil der
grundvesth gotliger gerechtigkeith, welcher ist
Cristus, noch nicht gelegt ist, dieweil das evan-
gelion so lange noch nicht gepredigeth ist, das
men glaub der sundh vorgebung durch Gots
gnade und das ewig leben nur alleyn in un-
serm Hern Jesu Cristo. Eyn nerrichter mensch
baueth ane grundh und flickt eyn alt kleidh
mit eynem lappen von nuwem thuch, fasseth
auch den mosth in alte schleuche [Mk 2, 21 f.].
Da abir die menschen angefangen, die warhaf-
tige gerechtigkeit zu vorstehen, alsdan wirdeth
die falsche gerechtigkeit leichtlich verdammet.
Erstlich sollen sie die menschen ansehen als
1 Druckvorlage: Hs Celle Br. A. Des. 50, Nr. 2,
Bl. 34—41 im Staatsarchiv Hannover.
^a = Sie hüten zugleich den Pflug und den
Stein. Ein damals öfter vorkommendes Sprich-
wort heißt: De ploch den sten wol vindeth,
vgl. Schiller u. Lübben III, S. 350, auch K. F.
Wander, Deutsches Sprichwörterlexikon III,
1873, S. 1334.
bruder, nicht in kappen, platen etc. als der wi-
derwertigen vileicht durch predig der pusse van
irsalen und sunden nuchtern zu reden und durch
predig dess evangelii zu glauben und salicheit
zu entpfangen auf die vorheissung. In Cristo wirt
ihnen Got pusse geben, die warheit zu erkennen
und nuchtern zu werden von des teufels strick,
der sie gefangen hath nach seynem willen, 2. ep.
Timoth. 2 [25 f.].
Hyninnen aber etwas fruchtbares nach gotli-
gem willen auszurichten, sollen sie nicht unge-
schickte, noch unnuze arbeyder seyn als jenne,
wennör sie ein ganze stunth gepredigeth auss
der schrifth dergestalth, das sie nicht mogen
beschuldigt werden, als hetten sie ichtwes bos-
ses gepredigt, haben doch nichts gepredigth und
die zuhörer ohn frucht hinweggehen, demnach,
da sye nichts gesazt, das ist, keyne gewisse ma-
ten vor sich genomen, daruff sie reden, die be-
weren odir als gepürlich dem folk inbilden wer-
den, fharen sie weitluftig, werfen ungeschickth
alles in eynen haufen, das man nicht weis, wür-
hinaus. Thun dazu nu diesses, nu jennes, das da-
zu nicht gehorth, waren zugleich de pflug und
steen^a odir ja der beyder keines, da sie sich
beyderley undirstheen, laufen imer darneben
und auss der bahn, von diessen dorfstu nicht er-
warten eins besclus, drynnen alles das gesagt,
kurzlig vorgriffen und vorhalt werde, dann die-
weil, was sie je *b gang guetter werk lerne, dem-
nach der inhalt erfoddert, eins malhs nicht alles
sagen.
Alsdann auch schigligkeith weynig nuzet, wo
xb Im folgenden ist dem Schreiber der Hs ein
Versehen unterlaufen, vgl. S. 525, Mitte; Ucke-
ley, S. 11, Anm. 6 hat die hierher gehörenden
Worte aus fol. 36a sinngemäß rekonstruiert:
„gelernt adir geleßen, alles auff eyne stunt
sagen wollen, werden ßie Irre Ihnen selbs,
wissen nicht, was ßie gesagt; solche mugen
eynen andern nicht lernen. Ein Bischoff aber
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