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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0237
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Kirchenordnung 1569

Do sich auch begeben würde, das ein jung-
frau oder frau von einem mit listen, trug oder
ander hinderftirungen, persuasionibus et induc-
tionibus ohne oder mit gewalt per raptum
heimlicher oder betrieglicher weiß weggefüret
und solchs vor unsern eherichter und rethen
beygebracht würde, alsdann sol nicht allein
zwischen solchen personen kein ehe erkant,
sondern auch der, so gehörtermassen raptum
begangen, in gemeiner recht und unser ernst-
liche straff gefallen sein, welche wir auch an
solchem ubelthetter nach gestalt und gelegen-
heit der ubertrettung an leib oder leben mit
rechtlicher erkantnuß volnstrecken lassen wöllen.

Do auch den gemeinen pfarrern in diesem
und andern fellen etwas bedenklichs und zwei-
felhaftigs fürfallen würde, darauß sie sich nicht
eigentlich verrichten könten, sollen sie bey
ihren superintendenten sich berichts erhölen
oder an unser consistorium gelangen lassen
und daselbst bescheids sich verhalten.

Von ehescheidung des ehebruchs 15 halben.

Nachdem etliche ehe, so von wegen des be-
gangnen ehebruchs durch unsere geordente ehe-
richter und rethe von einander gescheiden sein,
sich eigen willens nach der scheidung ander-
werts zu verheyraten fürnehmen, so ist unser
ernstlicher will und meinung, das hinfurt kein
gescheiden person sich eigens gefallens wider-
umb verheyrate, sonder, so es deshalben be-
schwerung tragen würde, solches unsern ehe-
richtern fürbringen und von ihnen deshalb be-
scheids erwarten.

Es sol auch der straff halben gegen der ehe-
brüchigen person vermöge der landordnung mit
des ampts verweisung, so lang das unschüldig

ibid. S. 331. — Pandect. XXIII,2,55; ibid. S.
333 f. — Pandect. XXIII,2,62,2; ibid. S. 334. —
Pandect. XXIII,2,661; ibid. S. 334 f. — Cod.
Just. V,6,5 ff.; Vol. II, S. 200.

12 Ehebruch und bösliche Verlassung (vgl. S.
218) galten bei den Reformatoren durchweg
unbestritten als Ehescheidungsgründe. Wo
noch andere Gründe hinzugeftigt wurden, ent-
nahm man sie dem röm. Recht. Ehebruch aber

noch im leben bleibt, gehalten werden Im fall
aber, da das unschüldig den andern heyrath
auß billichen ehehaften ursachen von unsern
eherichtern erlangen und sich wiederumb ver-
heyrahten würd, sol das schüldig des lands
verwiesen werden und nichts destoweniger dem
unschüldigen sein fürderung von verwirkung
wegen des ehebrüchigen guts gegen dem schül-
digen vor dem ördentlichen gericht in allwege
außzuführen, vorbehalten sein.

Doch wo die eheleut auß einiger obgemelter
ursach mit der urtheil gescheiden werden, so
mögen sie sich wol miteinander widerumb
christlich versönen und einander ehelich bey-
wohnung thun, darin unser amptleut allen müg-
lichen vleiß fürwenden sollen.

Wo auch die unschtildige person in schweben-
den rechten und ehe die endurteil ergeht, auch
ehebrtichig und solchs bewisen würde, alsdann
sollen sie, beide eheleut, nicht gescheiden, sonder
die instantia gefallen, auch. sie beide, einander
widerumb ebeliche beywonung zu. thun, schüldig
sein und nicht dest weniger sie beide vermöge
unser landsordnung gestrafft werden.

Von versönung und zusamenthedigung 12a
der eheleut.

Es tregt sich auch teglich und an viel örtern
zu, das unter den eheleuten je eins gegen dem
andern oder sie beide gegen einander grossen
unwillen, neid, haß, grimmen und unfreund-
schaft gefast, damit nicht nachlassen. sondern
eheliche beywohnung nicht haben noch pflegen
wöllen. Darin sollen jedes orts amptleut und
gericht, auch eherichter und rethe, so dise und
dergleichen sachen für sie gebracht, allen müg-
lichen vleiß ankeren und ernstliche handlung

sah man auf Grund von Mt 5,32 u. 19,9, bös-
liche Veranlassung auf Grund von 1. K 7,15
als durch das Neue Testament gerechtfertigte
Scheidungsgründe an. Luther hatte schon 1520
geäußert, daß er 1 K 7,15 auf die bösliche Ver-
lassung für anwendbar halte. Vgl. De capt.
WA 6, S. 559 f.

12a = Zusammenbringung; Fischer, Schwäb.Wör-
terb. VI, 1, S. 1376.

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