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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0257
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Kirchenordnung 1569

ist. Aber in unsern stetten, bey der particular-
schul und sonst wo die schulen groß und den
ördentlichen lectionibus nicht verhinderlich,
möchten alle tag vor der ersten lection nach
mittagzeit ein vierteil stund die knaben in
der music underricht, doch das die praecepta
ganz kurz und fürnehmlich nach notwendigen
gegebenen praeceptis usus getrieben werde.

Am Sonnabend zur vesper, so man das erst
mahl leutet, sollen alle knaben züchtig zu der
schul kommen, ein jeder sein psalmenbüchle.in 64
mit sich bringen, auf das, so man zusammen
leutet, sie in der proceß zu chor miteinander
gehen mögen.

Desgleichen sol am Sonn und feyertag zur
morgen, mittag oder vesperpredigt auch gehan-
delt werden und die praeceptores sich mit dem
gesang unser kirchenordnung nach halten.

Am Freytag oder andern tagen, da jedes orts
die lytaney 65 gehalten wird, sol die ganze schul
zu der predigt und lytaney vleissig kommen.

Es sol auch der praeceptor gut acht haben,
das die kinder in der kirchen züchtig sein
und der predigt vleissig zuhören, damit, so
man sie nach der predigt examiniren wird, was
sie darauß behalten haben, wissen zu erzelen.

Von der disciplin und zucht.

Der gottseligkeit volget auch die eusserliche
disciplin und zucht der knaben, welche von dem
heiligen Geist auch vleissig zu pflanzen ge-
botten ist. Derhalben wöllen wir, das dieselbige
ernstlich getrieben, damit die jugent nicht wie
das vihe ohne alle zucht erzogen werde, laut
des spruchs: Die wort, die ich dir heut gebiete,
soltu deinen kindern scherpfen [Dt 6, 6 f.] etc.

Dann wo gottesfurcht bey einem kind ist,
alsbald findt sich auch bey ihme die zucht.
Darumb sol nicht allein die schulmeister, sonder
auch die eltern oder diejenigen, denen ihre
eltern entfallen, verordente vormünder vleissigs

64 Vgl. S. 248 bei Anm. 69; verbreitet war das
Psalterium Davidis... repurgatum von G.
Maior, 1547; vgl. RE 3 12, S. 86, 55 ff.

und ernstlichs aufsehens haben, das die kinder,
dieweil sie noch zart und zu biegen seind, zu
aller erbarkeit und guten sitten gezogen wer-
den und zur schul, kirchen, auf der gassen,
in ihren heusern und an allen örtern guten
wandel ftihren.

Wo aber eltern oder vormünder weren, die
aus unverstand, fahrlessigkeit oder halßstarrig-
keit ihrer kinder, die sie zur schul verordnet und
sonderlich die mit der zeit in das paedagogium,
klosterschulen oder stipendium zu bringen ge-
denken, nicht achten, dieselben mit der zucht
versaumen und nicht, wie sie vor Gott schüldig,
ob ihnen halten würden, die sollen von den
schulmeistern ermanet und ihres ampts vleissig
erinnert, und da es nicht hilft, in der visitation
dem superintendenten und magistrat angezeigt
werden, damit dieselben dargegen ihr ampt
auch gebrauchen und verrichten mögen.

Und damit die eltern der schulen nutz und
notturft mit den kindern bericht und zu desto
mehrer liebe, vleiß und eifer gereizet werden,
sollen die pfarrer und kirchendiener dem volk
auf das wenigst im jar zweymal, das erst im
früling, das ander gegen dem winter, in öffent-
licher predig ein ernstliche vermanung thun,
das sie die kinder vleissig zur schul schicken
in bedenken, das der mehrer teil ihrer arbeit
und hantierung halben dieselben nicht selbs
lehren und underichten mögen, und doch zu
ihrer zeitlichen und ewigen wolfart in den
schulen, als dem rechten mittel gelehrt zu
werden, ihnen hoch von nöten und nutzlich. Und
sie, die eltern, ihre kinder selbs auch under der
ruten halten und ihnen nicht zu leiß und milt
seien oder under den schulen zu andern arbeiten
gebrauchen und an ihren studiis verhindern.
Und wo sie ab den schulmeistern klagen, ,nicht
leichtlich glauben geben und beyfal thun, dann
die schulmeister hierin ihres ampts nicht ver-
gessen, sonder wissen und dafür halten sollen,
das ihnen die kinder nicht als dem hirten das

65 Ev. Kgb. Nr. 138. Vgl. oben S. 51, Anm. 75
und 77.

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