Wolfenbüttel
selben keineswegs leichtfertig oder wider sein
willen zu bösen, verbotten sachen brauchen, son-
dern on unterlas preisen und rühmen, 3.] das
wir auf den bestimpten feyrtag sein wort und
heilige sacramenten mit glauben und rechter
herzlicher andacht zum lob Gottes und unser
selbst ewigem heil handlen, darab auch menig-
lich, so mit und bey uns sind, gebessert wer-
den, 4.] das wir unsern eltern und allen denen,
'so uns an ihr stat fürgesetzt [Ephe. 6, 1 ff.], aller
oberkeit, so gewalt uber uns hat [Rom. 13, 1—7],
nicht allein mit dem eusserlichen werk ge-
horsamen, sondern auch denselben alle ehr,
beides, im herzen und mit dem eusserlichen ge-
horsam, nicht anderst als Gott selbst, leisten
und erzeigen, 5.] das wir auch niemand weder
an seinem leib noch leben, 6.] weder an weib
und kindern, 7'.] weder an habe und gütern,
8.] noch an seinem guten namen beleidigen,
sondern in dem allen uns gegen ihm verhalten,
wie wir wolten, das er sich gegen uns ver-
hielte [Matth. 7, 1 f. 12], und solchs alles nicht
allein mit der eusserlichen that, 9. 10.] sondern
auch nicht ein gedanken noch lust haben im
herzen, der wider des nechsten wolfart sein
möcht, sondern in allem anderst nicht als uns
selbst lieben.
Da nun ein mensch durchaus in seinem herzen,
in seiner seel, in seinem gemüt und allen seinen
kreften also gegen Gott geschaffen were, das er
nichts gedechte, redet oder handelt, das wider
Gott oder seinen nechsten were, müste man
aber ein solchen menschen nicht für ein heiligen
menschen passiern lassen? Oder kan oder mag
auch eine vollkomnere regel 49, ein herterer, stren-
ger orden erdacht werden? Oder ist es müg-
lich, das einer ein grössere vollkomenheit er-
langen müge, denn hie in den zehen geboten
begriffen? Nein fürwar, liebe Christen, es ist
unmüglich, das etwas vollkomners in dieser welt
49 a R.: Die zehen gebot Gottes die volkom-
nest regel und strengster orden.
50 a. R.: Die zehen gebot klagen alle menschen
'an.
’ 51 a. R.: Die menschen können die zehen gebot
nicht erfüllen.
möge erdacht werden, denn in diesen kurzen
zehen geboten begriffen ist.
Da wir aber unser herz, unsere gedanken,
wort und werk und also unser ganzes leben
gegen diesen geboten halten und uns darhinen
als in einem spiegel ersehen, so befinden wir,
das wir dieser gebot keins gehalten haben
[Rom. 3,10—20], welche zumahl unser herz, wort
und werk anklagen 50 und als ungerechte und
ubertretter der gebot Gottes verdammen
[Rom. 4, 2. 15]. Und da uns nicht durch einen
andern jgeholfen wird, so sind wir der knecht,
welcher dem herrn zehentausent talent schuldig
[Matth. 18, 23 ff.], und uns unmüglich, das wir
bezalen können 51. Denn was wir gesündigt
haben, das ist sünde und wirdig der ewigen ver-
damnis. Das wir aber durch Gottes gnad auch
guts ,thun, das ist unvollkommen und auch mit
der sünde beflecket, und da es Gott nach seiner
gerechtigkeit ansehen wolt, würde er solche zu-
gleich den sündern verdamnen, weil es unrein
ist, wie der prophet Esaias sagt [Esa. 64, 5]: All
xmser gerechtigkeit ist wie ein unfletig kleid.
Er |saget nicht, alle unsere sünde, sondern alle
unsere gerechtigkeit, das ist, da wir am aller-
frömesten ,smd, da taugen wir nichts vor Gott,
sind sünder, ungerecht und verdampt. Was soll
es denn werden, wenn erst die sünde darzu
schlagen? So unser gerechtigkeit nichts sol, was
sol denn die sünde?
Darumb leret uns dis erst capitel, das wir uns
unter der gewaltigen hand Gottes demütigen,
uns als arme, verdampte sünder von herzen be-
kennen 52, die Gottes zorn und das ewige hellisch
feur verschuldet haben.
Dis erst capitel ist genomen aus dem andern
buch Mose im zwanzigsten capitel, wird luber
viel bundert mal in allen propheten, evangelisten
und apostelschriften widerholet 53, welchs capitel
ein jedes kind umb sieben jar von seinem vater
52 a. R.: Christen sollen demütig ihre sünd be-
kennen.
53 a. R.: Die zehen gebot in allen büchern der
h. schrift gefunden.
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selben keineswegs leichtfertig oder wider sein
willen zu bösen, verbotten sachen brauchen, son-
dern on unterlas preisen und rühmen, 3.] das
wir auf den bestimpten feyrtag sein wort und
heilige sacramenten mit glauben und rechter
herzlicher andacht zum lob Gottes und unser
selbst ewigem heil handlen, darab auch menig-
lich, so mit und bey uns sind, gebessert wer-
den, 4.] das wir unsern eltern und allen denen,
'so uns an ihr stat fürgesetzt [Ephe. 6, 1 ff.], aller
oberkeit, so gewalt uber uns hat [Rom. 13, 1—7],
nicht allein mit dem eusserlichen werk ge-
horsamen, sondern auch denselben alle ehr,
beides, im herzen und mit dem eusserlichen ge-
horsam, nicht anderst als Gott selbst, leisten
und erzeigen, 5.] das wir auch niemand weder
an seinem leib noch leben, 6.] weder an weib
und kindern, 7'.] weder an habe und gütern,
8.] noch an seinem guten namen beleidigen,
sondern in dem allen uns gegen ihm verhalten,
wie wir wolten, das er sich gegen uns ver-
hielte [Matth. 7, 1 f. 12], und solchs alles nicht
allein mit der eusserlichen that, 9. 10.] sondern
auch nicht ein gedanken noch lust haben im
herzen, der wider des nechsten wolfart sein
möcht, sondern in allem anderst nicht als uns
selbst lieben.
Da nun ein mensch durchaus in seinem herzen,
in seiner seel, in seinem gemüt und allen seinen
kreften also gegen Gott geschaffen were, das er
nichts gedechte, redet oder handelt, das wider
Gott oder seinen nechsten were, müste man
aber ein solchen menschen nicht für ein heiligen
menschen passiern lassen? Oder kan oder mag
auch eine vollkomnere regel 49, ein herterer, stren-
ger orden erdacht werden? Oder ist es müg-
lich, das einer ein grössere vollkomenheit er-
langen müge, denn hie in den zehen geboten
begriffen? Nein fürwar, liebe Christen, es ist
unmüglich, das etwas vollkomners in dieser welt
49 a R.: Die zehen gebot Gottes die volkom-
nest regel und strengster orden.
50 a. R.: Die zehen gebot klagen alle menschen
'an.
’ 51 a. R.: Die menschen können die zehen gebot
nicht erfüllen.
möge erdacht werden, denn in diesen kurzen
zehen geboten begriffen ist.
Da wir aber unser herz, unsere gedanken,
wort und werk und also unser ganzes leben
gegen diesen geboten halten und uns darhinen
als in einem spiegel ersehen, so befinden wir,
das wir dieser gebot keins gehalten haben
[Rom. 3,10—20], welche zumahl unser herz, wort
und werk anklagen 50 und als ungerechte und
ubertretter der gebot Gottes verdammen
[Rom. 4, 2. 15]. Und da uns nicht durch einen
andern jgeholfen wird, so sind wir der knecht,
welcher dem herrn zehentausent talent schuldig
[Matth. 18, 23 ff.], und uns unmüglich, das wir
bezalen können 51. Denn was wir gesündigt
haben, das ist sünde und wirdig der ewigen ver-
damnis. Das wir aber durch Gottes gnad auch
guts ,thun, das ist unvollkommen und auch mit
der sünde beflecket, und da es Gott nach seiner
gerechtigkeit ansehen wolt, würde er solche zu-
gleich den sündern verdamnen, weil es unrein
ist, wie der prophet Esaias sagt [Esa. 64, 5]: All
xmser gerechtigkeit ist wie ein unfletig kleid.
Er |saget nicht, alle unsere sünde, sondern alle
unsere gerechtigkeit, das ist, da wir am aller-
frömesten ,smd, da taugen wir nichts vor Gott,
sind sünder, ungerecht und verdampt. Was soll
es denn werden, wenn erst die sünde darzu
schlagen? So unser gerechtigkeit nichts sol, was
sol denn die sünde?
Darumb leret uns dis erst capitel, das wir uns
unter der gewaltigen hand Gottes demütigen,
uns als arme, verdampte sünder von herzen be-
kennen 52, die Gottes zorn und das ewige hellisch
feur verschuldet haben.
Dis erst capitel ist genomen aus dem andern
buch Mose im zwanzigsten capitel, wird luber
viel bundert mal in allen propheten, evangelisten
und apostelschriften widerholet 53, welchs capitel
ein jedes kind umb sieben jar von seinem vater
52 a. R.: Christen sollen demütig ihre sünd be-
kennen.
53 a. R.: Die zehen gebot in allen büchern der
h. schrift gefunden.
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