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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0323
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Klosterordnung 1569

gehalten worden, was man auf einen jeden tag
in der wochen speisen solle, damit auch des-
halben eine gute ordnung gehalten werde.

Desgleichen und auf das auch die ungleicheit
der kleidung 96 nicht zank und uneinigkeit ge-
bere, sind alle die jungfrauen, so in solche
klöster sich begeben, in eine farbe und einerley
kleidung gekleidet worden, auf das keine vor
die andern eine pracht fixren und deshalben
einander verachten oder anfeinden möchten.

Dieweil aber die furcht Gottes aller weisheit
ein anfang ist [Pr 9, 10; Ps 111, 10], und da
dieselbige nicht vorgehet, eusserliche zucht we-
nig oder gar nichts ausrichtet, so sind sie auf
bestimpte stunden durch die abtissin oder do-
mina gehalten worden zum gottesdienst 97: mor-
gens wenn sie aufgestanden, vor dem morgen-
essen, nach dem essen, zur vesperzeit und ehe
sie schlaffen gangen. Da haben sie Gott umb
gnade anruffen, danken, loben und preisen
sollen, darzu besonders der psalter ist gebraucht
worden, desgleichen die lection der heiligen
schrift altes und neues testaments, auf das sie
neben den werken ihres beruffs für und für
zur furcht Gottes gehalten und auf dieselbige
als auf einen felsen die zucht gegründet haben
[Pro. 1; Sap. 1; Psal. 34, 10 ff.]. Denn wer Gott
recht erkennet und denselben von herzen fürch-

96 a. R.: Einerley kleidung in jedem kloster.

97 a. R.: Gottesdienst in den klöstern, welcher
meinung erstlich angestellet worden.

98 a. R.: Etliche freye klöster im herzogthumb
Brunschwig.

99 Vgl. oben Anm. 3.

1 Maßgebend für das Leben der Kanonissen
war die Aachener Kanonissenregel „De insti-
tutione sanctimonialium”, die auf der Aache-
ner Reichssynode v. 816/817 beschlossen wor-
den war (gedruckt bei Mansi XIV, S. 266 ff.).
Die Kanonissen durften eigenes Vermögen
haben und eigene Kurien innerhalb der Stifts-
immunität besitzen. Heirat nach Entlassang
aus der Stiftsgemeinschaft war nicht aus-
geschlossen und scheint seit dem 11. Jhdt.
immer häufiger geworden zu sein, sofern die
Stifter nicht im Zuge der Reformbewegung
eine strengere Lebensweise nach der Regel
Augustins annahmen und feierliche Gelübde
abgelegt wurden. Vgl. M. Heimbucher, Die

tet, der ist auch leichtlich in dem gehorsam
und christlicher zucht zu halten. Der aber Gott
nicht fürchtet, der fiirchtet auch keinen men-
schen, gibt wenig oder nichts umb alle ver-
manungen und ist alle zucht an ihm verloren.

Da sie nun den gottesdienst mit dem gebet
und lection der heiligen schrift, wie ihnen für-
geschrieben, verrichtet, alsdenn ist ein jede zu
ihrer arbeit gangen, darzu sie von der domina
selbiger zeit bescheiden und verordnet worden,
eine zur küchen, die ander zum keller, die dritte
zum spinnen, die vierde zum neyen und so
fortan.

Dis ist anfanges der ursprung und 'ungezwei-
felte ordnung der klöster und der fromen gott-
seligen leut, so sich solcher lehre und zucht
unterwunden, endlicher wille und fürnemen ge-
wesen, wie denn noch heutiges tages solche
klöster 98 in diesem löblichen fürstenthumb Brun-
schweig sind, als nemlich zu Gandersheim ", da
die jungfrauen nicht zur ewigen keuscheit ;in der
jungfrauschaft verbunden, sondern zu ihrer ge-
legenheit freien mögen 7. Dergleichen in erster
stiftung auch die jungfrauen zu Heningen 2 diese
freiheit gehabt und erst in wenig jaren solcher
ihrer christlichen freyheit sind beraubet worden.

Wie aber der leidige sathan 3 aller guter ord-
nung 'feind ist, der nicht unterlesset, sondern

Orden und Kongregationen d. kath. Kirche 3,
1. Bd., 1933, S. 395 und 455 ff„ auch St. Hil-
pisch, Gesch. der Benediktinerinnen. 1951,
S. 25 f., Lexikon f. Theologie und Kirche 2 V,
Sp. 783 ff., zu der Aachener Synode: A. Hauck,
'KG Deutschlands 2 II, S. 584 ff.

2 Meistens „Heiningen” genannt, ehemaliges
Kanonissenstift in der Diözese Hildesheim,
'Krs. Goslar, gegründet z. Zt. Ottos III. und
Bischofs Bernward von Hildesheim zu Ehren
Marias, Peters und Pauls. 1128 wurde Propst
Gerhard v. Riechenberg mit der Herstellung
einer strengeren klösterlichen Zucht nach
der Regel Augustins beauftragt, um die Mitte
des 15. Jhdts. die Windesheimer Reformation
durchgeführt. Vgl. H. Hoogeweg, Verz. d.
Stifter u. Klöster Nieders. vor der Reforma-
tion. 1908, S. 56 f.

3 a. R.: Christliche klosterordnung hat der sa-
than zerstöret.

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