Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0328
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wolfenbüttei

wird ihm auch nicht gedienet, sondern wer in
der gerechtigkeit, fried und freud des heiligen
Geistes erfunden wird, der dienet Gott, das wil
ihm Gott gefallen lassen. Darumb schreibet er
an die Colosser [Coloss. 2, 16]: Lasset euch nie-
mand gewissen machen uber speise oder uber
trank. Und an die Corinther schreibet er
[1. Cor. 8, 8]: Die speise fordert uns nichts für
Gott, essen wir, so werden wir darumb nicht
besser, essen wir nicht, so werden wir darumb
nichts weniger sein. Und zum Timotheo in der
ersten epistel nennet S. Paulus dis gebot vom
verbot der speise 30 mit einem sehr schrecklichen
namen und sagt, es sey eine lere des leidigen
sathans. Der Geist, spricht er [1. Tim. 4, 1—5],
sagt deutlich, das in den letzten tagen werden
etliche vom glauben abfallen und anhangen den
verfürischen geistern und leren der teufel durch
die, so in gleisnerey lügenreder sind und brand-
mal in ihrem gewissen haben und verbieten, ehe-
lich zu werden und zu meiden die speise, die
Gott geschaffen hat, zu nemen mit danksagung
den gleubigen und denen, so die warheit erken-
nen, denn alle creatur Gottes ist gut und nichts
verwerflich, das mit danksagung empfangen
wird, denn es wird geheiliget durch das wort
Gottes und gebet. Dis sind klare zeugnis heiliger
göttlicher schrift, welche uns anzeigen und leren,
das Gott dem Herrn mit unterscheid der speise
keinesweges gedienet werde, und da man ein
gebot darauf lege, so sey es nicht ein göttlichs,
sondern des leidigen sathans gebot, darauf die
gleubigen nichts geben, ihnen auch kein gewissen
machen sollen, sondern sich ihrer freyheit ge-
brauchen, doch das den schwachgleubigen hie-
mit kein ergernis noch anstos gegeben werde.

Denn wie er im ehestand, so viel die jung-
frauen belanget, weder gebot noch verbot, son-
dem ein freyen willen haben wil, das kein
mensch diesen strick an hals trage noch ver-

30 a.R.: Speise verbieten ist des teufels gebot.

31 a. R.: S. Paulus wil kein kirchengebot von un-
terscheid der speise haben.

32 a. R.: Fasten mit unterscheid der speise in
den klöstern ein gespöt.

bunden sein, sondern jederzeit frey stehen sol,
also zu bleiben oder sich zu verendern, also wil
er es auch mit der speise 31 gehalten und mit
derselben auf gewissen unterscheid niemand ge-
bunden haben.

Da man es auch in dem grunde recht und
eigentlich erwegen wil, so ist solche fasten mit
unterscheid der speise 32, wie es dieser zeit in
den klöstern gehalten wird, mehr ein gespöt für
Gott denn ein ernstlicher gottesdienst.

Denn was ist das für ein fasten, das ein
mensch auf bestimpte tage nicht fleisch, son-
dern fische isset, so zum besten zubereitet sind?
Solch fasten neme ein armer man für seinen
Ostertag, der sich etwan eine ganze wochen
an ein trucken brot, oder wenn es wol geret,
an koel und speck oder einer wassersuppen mus
benügen lassen.

Dergleichen ist es auch geschaffen mit dem
gelübde der willigen armut 33, da eine jungfrau
einen bettelsack verlesst, gehet in ein kloster
und findet darinnen allen uberflus, und was
ein mensch zur schönheit seines leibes und der-
selben gesundheit begeren mag.

Welches alles der ursach gemeldet wird, auf
das meniglich sehen möge, welcher gestalt dieser
zeit die klosterordnung und das klosterleben in
einen misverstand und unrechten wahn geraten
und viel anderst gehalten wird, denn es anfangs
die stifter gemeint haben, wie auch solches
alles dem ausgedruckten, klaren, offenbaren
wort Gottes entgegen und zuwider sey.

Also ist es auch ergangen mit der kleidung 34,
die anfangs auch anderst nichts ist gewesen
denn ein stück der hausordnung, da nemlich eine
abtissin oder domina hat alle kinder, so in ihrer
zucht lebten, in einerley kleidung haben wollen,
in einer farbe und auf einerley weise zugerichtet,
damit keine die andern verachte, wenn sie köst-
licher gekleidet were denn eine andere.

33 a. R.: Willige armut in den klöstern.

34 a. R.: Welcher gestalt der alten memung von
der kloster habit sey verkeret worden.

308
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften