Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0334
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Wolfenbüttel

so viel gesagt: Du (Maria) wollest uns vor dem
bösen feind schirmen und uns in der stunde
des todes beystehen und aufnemen. Heisst das
nicht angebetet? Heisst das nicht, von Maria
bitten, das man ailein von Gott bitten sol?
S. Stephanus saget: Domine Iesu, suscipe spiri-
tum meum, Herr Jhesu, nim meinen geist auf
[Act 7, 58], Hie aber heisst es, Maria, du
mutter Gottes, nim meinen geist auf. Ich wil
hie nichts vom Salve regina 75 sagen 76, darin
Marie, der Mutter Gottes, zugelegt wird, das
allein dem Herrn Christo zugehöret, das sie
nemlich sey unser leben und unser hoffnung, so
doch Christus allein unser hoffnung und trost ist,
wie er denn spricht [Joh. 14, 6]: Ich bin die war-
heit und das leben. Desgleichen ist er auch
unser hoffnung. Und verflucht ist der mensch,
sagt Jeremias [Jere. 17, 5], der seine hoffnung
auf einen menschen, das ist, nicht allein auf den
einigen, allmechtigen Gottesson setzet.

Desgleichen wird ihr zugemessen, das sie
unsere seufzen höre, und man bittet, sie wolle
ihre barmherzige augen zu uns wenden, welches
alles allein Gott zugehöret und keinem ab-
gestorbenen menschen, wie droben gnugsam an-
gezeiget und aus Gottes wort erwiesen worden
ist. Darumb lesst es sich weder leugnen noch
verstreichen, sondern der sicherste weg ist,
aufrichtig bekennen und umb verzeihung bitten,
das wir unwissend solchs gethan und nicht
verstanden haben.

Do man aber gleich Mariam 77 allein gegrüsset
und nicht angebetet hette (das doch nicht ist,
wie itzt angezeiget), so were doch auch solch
grüssen unrecht. Denn es ist allein dem engel
Gabriel befohlen worden [Luc. 1, 28] und sonst

75 Vgl. Röm. Meßbuch, Ordo Missae, Gebete
nach der stillen hl. Messe, S. 488 f.: Salve
Regina, mater misericordiae ...; im Brev.
Rom., P. Aestiv, S. 27 und P. Autumn, S. 29,
bildet das „Salve Regina” die Schlußantiphon
der einzelnen Horen. — Ygl. dazu L. Eisen-
hofer, a. a. O., Bd. II, S. 553 f.

76 a.R.: Das Salve regina ist gar abgöttisch.

keinem engel. Wir lesen auch nicht, das ein
engel nach dem andern sie gegrüsset habe.
So ist auch das werk schon vollnbracht, darumb
sie der engel Gabriel gegrüsset hat, das sie
nemlich hat sollen empfangen vom heiligen Geist
und den Son des höchsten geberen. Weil sie
ihn denn nicht noch einmal empfangen und
geberen darf, so bedarf es auch unsers grüssens
nicht. Wir mögen aber die ganze geschicht
dieses englischen grusses 78 lesen und uns dar-
aus der gnaden Gottes erinnern. Das grüssen
aber, so uns nicht befohlen ist, sollen wir an-
stehen lassen.

Weil denn schier der mehrer teil des gottes-
dienstes in den klöstern mit anruffung der hei-
ligen verrichtet worden, welchs unrechf' und
wider das offenbare wort Gottes und eine ab-
götterey ist, darzu auch, was an ihm selbst
recht und heilig, als der psalter, Vater unser,
engelische grus, nicht nach der ordnung Gottes
gebrauchet, sondern in einen misbrauch verkeret
worden, kan ein jeder Christ leichtlich abnemen,
Üas damit der allmechtige zum höchsten erzürnet
worden sey.

Desgleichen ist auch der rechte christliche,
apostolische und catholische brauch des hoch-
wirdigen sacraments 79 des leibes und bluts
unsers Herrn Jhesu Christi zerrissen und jem-
merlich verkeret worden.

Denn einmal wider die stiftung und einsetzung
des testaments und letzten willens unsers Herm
Christi den jungfrauen in den klöstern dis sacra-
ment 80 nicht unter beider gestalt, sondern nur
in einer gestalt ist gegeben 81. Und sind die
einfeltigen jungfrauen beredet worden, das sie
unter einer gestalt ebenso viel haben als in

77 a. R.: Mariam, die mutter Gottes, sol man
nicht grüssen.

78 a. R.: Wie man den englischen grus christlich
gebrauchen sol.

79 a. R.: Verkerung des hochwirdigen sacraments
in den klöstern.

80 a.R.: Unrechter brauch des sacraments unter
einer gestalt.

81 Vgl. oben S. 129, Anm. 58a.

314
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften