Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0337
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Elosterordnung 1569

Was möcht klarer wider das vermeint mess-
opfer gesaget werden, da man sich unterstehet,
Christum teglich in der rness zu opfern für die
sünde der lebendigen und der todten 93, als ob
Christus nicht vollkommen alle sünde gebüsset
und bezalet hette am kreuz, so doch S. Paulus
hie klerlich bezeuget, Christus habe mit einem
opfer vollkomen gemacht alle, die da sollen ge-
heiliget werden, und dis sey der unterscheid 94
zwischen dem opfer Christi und des hohenprie-
sters im alten testament, das jener habe oft
müssen opfern, Christus aber habe nicht mehr
denn einmal sollen geopfert werden, damit er
ein ewige vollkomene erlösung erfunden .hat,
welcher unterscheid nicht bestehen möcht, wenn
Christus rnehr denn einmal blutiger oder un-
blutigerweise muste für die sünd, schuld und
peen der lebendigen und todten geopfert werden.

Unser catholischer christlicher glaube 95 lautet:
Ich gleube in Jhesum Christum, der gelitten hat
unter Pontio Pilato, gekreuziget, gestorben und
begraben ist. Ich gleube vergebung der sünden
etc. Das ist, ich gleube, das Christus umb
meinent und aller armen sünder willen sey am
kreuz aufgeopfert worden und habe uns ver-
dienet und erlangt vergebung unser sünden, das
uns der Vater umb seinentwillen solche ver-
zeihet und vergibet, dessen verdienst ich teil-
haftig werde, wenn ich warhaftig gleube an ihn
und desselben gedechtnis halte, nicht mit einem
neuen versönopfer, sondern so oft ich sein hei-
lig sacrament seines leibes und bluts empfahe,
esse und trinke nach seinem bevehl [1. Cor. 11,
23 ff.], wie die fromen Christen zu Corintho
gethan haben.

Der ursachen auch kein fegfeur 96 sein kan,
darin man erst die sünde müste büssen, denn
entweder hat Christus nicht alle sünde mit
seinem unschüldigen leiden gebüsset, so were

93 Vgi. Röm. Meßbuch, Ordo Missae, Darbrin-
gung des Brotes, S. 465: ... hostiam, quam ego
indignus famulus tuus offero ... et pro om-
nibus fidelibus christianis vivis atque defunc-
tis: ut mihi, et illis proficiat ad salutem in
vitam aeternam.

94 a. R.: Unterscheid des opfers Christi und
Aarons.

unser christlicher glaube falsch, oder aber hat
er sie alle gebüsset, so kan keine sünde im feg-
feur gebüsset werden.

Aber das sey ferne, das unser christlicher
glaube solte falsch sein, denn Johannes saget
[1. Joh. 1, 7]: Das blut Jhesu Christi rei-
niget uns von allen sünden. Reiniget es
von allen sünden, so reiniget uns das fegfeur
von keiner sünde. Item [1. Joh. 2, 2], er ist die
versönung für unser sünde, nicht aliein für
unsere, sondern auch für der ganzen welt sünde.
Ist denn Christus für der ganzen welt sünde eine
versönung, so kan das fegfeur keine sünde ver-
sönen. Das kan ein jeder einfeltiger mensch
verstehen.

Darumb ist es eine grosse verkleinerung,
schmach und lesterung des kreuzopfers und
bittern leidens und sterbens Jhesu Christi, da
die menschen felschlich uberredet werden, das
in der mess 97 der leib und blut Christi teglich
aufgeopfert werde, umb welches opfers willen
Gott den menschen, so dabey stehen und zu-
sehen, ihre sünde vergebe, den abgestorbenen
aber, so im leben die seelmessen bestelt, umb
dieses messopfers willen die straffe und qual
des fegfeurs milterte, so doch solches alles mit
einem einigen opfer Christus am kreuz vollen-
bracht und alle sünde volkomenlich gebüsset
und uns eine ewige, imerwerende erlösung er-
langet hat.

Da man aber sagen wolte, es würde nicht der
meinung mess gehalten, sondern die mess sey
anders nichts denn eine herrliche widergedecht-
nis des kreuzopfers Christi 98, dabey sein bitter
leiden und sterben betrachtet und das opfer
der danksagung aufgeopfert werde, darauf sollen
diese leut wissen, das die bisschoff auf dem
concilio zu Trent 99 diese Meinung als eine
ketzerey verdampt und mit runden worten ge-

95 a. R.: Das messopfer ist wider den christ-
lichen glauben.

96 a. R.: Es ist kein fegfeur.

97 a. R.: Greuel der papistischen messe.

98 a. R.: Einrede: Die mess sey ein opfer der
danksagung und gedechtnis des leidens Christi.

99 a. R.: Antwort aus dem trientischen concilio.

317
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften