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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0339
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'Klosterordnung 1569

von ihren sünden absolviret worden. Denn also
lauten die wort der absolution 7: Passio Domini
nostri Iesu Christi, meritum et integritas beatae
Mariae semper virginis, intercessio omnium sanc-
torum, obedientia, labor et rigor ordinis, omnia
bona, quae feceritis, et adversa, quae propter De-
um sustinueritis, sint vobis in remissionem om-
nium peccatorum vestrorum. iVmen. Das lautet
auf deudsch also: Das leiden unsers I~Ierrn Jhesu
Christi, der verdienst und die unschuld der
seligen allweg jungfrauen Marie, die fürbit aller
heiligen, der gehorsam, die arbeit und streng
leben des ordens, alle gute werk, die ihr gethan,
und alles leiden und widerwertigkeit, so ihr
umb Gottes willen gelitten hapt, das verhelfe
euch zur vergebung aller eurer sünden 8.

Wenn ein Christ diese absolution nur hörete
sprechen, solte er darüber erschrecken, ich ge-
schweig, das einer dieselbige empfangen und deren
sich vor Gott trösten solle, welche absolution we-
der catholisch, apostolisch noch christlich ist.

Denn die apostel haben alle arme busfertige
sünder allein auf den verdienst des leidens
Jhesu Christi absolviert, wie droben auch gnug-
sam ist angezeiget und mit zeugnissen der hei-
ligen schrift und exempeln derselben erwiesen
worden. Es ist Maria, die hochgelobte jungfrau,
nicht für uns gekreuziget, die andern apostel
haben nicht für uns gelitten, darumb können
wir auf derselben verdienst von unsern sünden
nicht absolviert werden 9; denn was man dem
verdienst der heiligen zumisset, das nimpt man
dem verdienst Christi.

Es haben sich auch die lieben heiligen keines
verdienstes 10 jemals gerhümet, so alle zumal
schüldener Gottes gewesen und bitten müssen
[Matth. 6, 12; Psal. 32, 5]: Vergib uns unser

7 a. R.: Form der papistischen absolution.

8 Vgl. — außer der Bezugnahme auf den 'Or-
den —: Röm. Meßbuch, S. [226], eine der
zitierten ähnliche mönchische Absolutions-
formel b. Luther, In ep. S. Pauli ad Galatas
Commentarius, zu 2, 18. WA 40 I, S. 264 fr

9 a. R.: Auf der heiligen und eigenen verdienst

ist niemand zu absolvieren.

schuld, und gleuben vergebung der sünden. Dar-
umb sie sich gar nicht, weder zum halben noch
ganzen teil auf ihren verdienst verlassen, noch
viel weniger andere leut darauf gewiesen haben,
sondern allein auf den einigen vollkomenen ver-
dienst Jhesu Christi absolviert. Wie S. Petrus
am Pfingstag bey drvtausent menschen absol-
viert, spricht er [Act. 2, 38]: Thut busse und
las sich ein jeder teufen auf den namen Jhesu
(nicht meinen oder anderer heiligen) zur ver-
gebung der sünden, so werdet ihr empfahen
die gabe des heiligen Geistes.

Noch viel weniger kan sich ein mensch auf
den verdienst, gehorsam und streng leben des
ordens 11 lassen absolviren, damit Gott in viel
wege, wie droben angezeiget, erzürnet und nicht
versönet wird. Und da es gleich alles recht
were, was darinnen gethan wird, sol ein mensch
dennoch darauf nicht absolviret werden. Denn
ein mensch schüldig ist, seinem Gott zu dienen,
wenn er gleich nicht gesündiget hette, darumb
er auch seine vorgehende sünde 12 mit den nach-
folgenden guten werken nicht bezalen kan, wel-
che er schüldig ist zu thun. Und da er es auch
alles voHkomen hielte, was ihm geboten ist,
dennoch keines verdienstes sich zu rhümen hette,
sondern nach der lere Christi [Luc. 17,10] zu sa-
gen schuldig ist, er sey ein unnützer knecht und
habe erst gethan, was er schüldig gewesen sey.

Demnach ein mensch sehe, wohin er wolle,
in himel oder auf erden, zu engeln oder heiligen
menschen und auf alle gute werk, die ein mensch
gethan hat oder noch thun mag, so kan und
sol er sich nirgend auf, denn allein auf den
einigen verdienst des passions 13, das ist, des
gehorsams, bitter leidens und sterbens unsers
Herrn Jhesu Christi absolviren lassen.

10 a. R.: Die heiligen haben kein verdienst.

11 a. R.: Niemand sol sich auf sein eigen oder
des ordens verdienst absolvieren lassen.

12 a. R.: Sünde kan man mit folgenden werken
nicht bezalen.

13 a. R.: Das leiden Christi reiniget allein von
ällen sünden.

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