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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0340
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Wolfenbüttel

Daraus alle klosterjungfrauen abzunemen, was
für greuliche und erschreckliche finsternissen,
aberglauben, abgöttereyen und misbreuch 14 in
das klosterleben (wie auch sonst in die ganze
christenheit) eingerissen und leider dermassen,
wie das unkraut, uberhand genomen, das man
solches alles für den wolgefelligen und ange-
nemen gottesdienst gehalten und unter dem-
selben den rechten, warhaftigen gottesdienst
schier nicht mehr erkennet hat.

1. ] Die zehen gebot und die rechte, edle, gute
werk sind mit menschengeboten verdunkelt ge-
wesen, die man viel höher denn Gottes gebot
gehalten und verhoffet, dem Herrn mehr damit
zu dienen denn mit den werken, die in den
zehen geboten befohlen gewesen sind.

2. ] Der christliche glaube ist verdunkelt wor-
den durch der heiligen und menschen verdienst,
das man sich nicht auf den einigen verdienst
Jesu Christi, sondern auch auf der heiligen
und unsern eigen verdienst verlassen, wie hie-
bevorn gnugsam ist angezeiget worden.

3. ] Durch die walfarten und anruffung der
heiligen ist das Vater unser verdunkelt, das
man schier das veterliche herz Gottes, unsers
himlischen Vaters, nicht mehr erkennet hat.
Denn die prediger und lerer den himlischen
Vater 15 nicht anderst als einen grausamen
tyrannen den betrübten sündern fürgemalet, für
welchen die armen sünder nicht tretten dörfen,
ja Christum, den Herrn selber, der unser einiger
mitler, advocat und fürsprech bey dem Vater ist,
haben sie dermassen den angefochtenen gewissen
fürgestelt, als wenn niemand für ihn komen
dürfte, er hette denn zuvor seine mutter an-
geruffen oder sonst einen heiligen und patronen
vorgeschickt, der ihm den weg zu Christo be-
reitet hette, wie solches alles den jungfrauen
in den klöstern unverborgen ist.

14 a. R.: Welcher gestalt die rechte christliche
religion unter dem bapsthumb verdunkelt
worden.

15 a. R.: Wie man den himlischen Vater und
Christum den armen sündern im bapsthumb
fürgemalet habe.

So doch dargegen unser Herr Gott, seine un-
aussprechliche liebe anzuzeigen, darumb ein
Vater 16 von uns hat genennet werden wollen
[Esa. 64 = Jes 63, 16], auf das wir wissen sollen,
wir sein nimer so willig zu beten, er sey noch
viel williger zu hören und zu geben [Matth. 6,
6. 8. ff.; Luc. 11, 2—4. 9—13; Rom. 11 = 10,13],
Und Christus schüttet sein ganzes herz aus
gegen den sündern, auf das sie unerschrocken
zu ihm gehen sollen, da er spricht [Matth. 11, 28]:
Kompt zu mir, zu mir, spricht er, alle, die ihr
beschweret und beladen seid, ich wil euch er-
quicken. Er saget nicht: Habe ein jeder einen
eigenen patron, der eine gehe zu meiner mutter,
der andere zu S. Peter, der dritte zu S. Paulo,
sondern er saget: Kompt alle zu mir, die ihr
beschweret seid: niemand kan euch dieser last
und bürde abhelfen denn ich, der ich für euch
gestorben und euch erlöset habe, das S. Peter,
S. Paul [1. Cor. 1, 13] oder meine mutter nicht
gethan hat.

4. ] Das hochwirdige sacrament des leibes und
bluts unsers Herrn Jhesu Christi ist nicht allein
verdunkelt, sondern auch jemmerlich zerrissen,
da den leyen nur die eine gestalt gegeben
und aus dem sacrament ein neu opfer für die
sünde der lebendigen und der todten gemacht
und also gar nahend die austeilung des leibes
und bluts Christi und der rechte gebrauch dieses
sacraments verloren worden.

5. ] Die schlüssel des himelreichs sind schier
gar verrostet und mit menschenverdienst uber-
wachssen gewesen, da die leute nicht allein
auf den verdienst Christi. sondern auch auf der
heiligen und anderer menschen verdienst sind
absolviert worden.

Desgleichen das ganze klosterleben 17 an ihm
selbst, so anderst nichts denn schulen und zucht-
heuser gewesen, ist dermassen von ihrem alten

16 a.R.: Warumb Gott hat wollen ein Vater
genennet werden.

17 a. R.:Das erste klosterwesen gar verendert.

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