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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0351
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Klosterordnung 1569

schweret, das er seine seele verbindet, der sol
sein wort nicht schwechen, sondern alles thun,
wie es zu seinem munde ist ausgegangen. Wenn
ein weibsbilde dem Herrn ein gelübde thut und
sich verbindet, weil sie in ihres vaters hause
und ein magthum ist, und ihr gelübde und ver-
bündnis, das sie thut uber ihre seele, kompt
für ihren vater und er schweiget darzu, so
gilt all ihr gelübde und all ihr verbündnis, des
sie sich uber ihr seele verbunden hat. Wo
aber ihr vater wehret des tages, wenn ers
höret, so gilt kein gelübde noch verbündnis,
des sie sich uber ihre seele verbunden hat, und
der Herr wird ihr gnedig sein, weil ihr vater
ihr gewehret hat.

Hat sie aber einen man und hat ein gelübde
auf ihr oder entferet ihr aus ihren lippen
ein verbündnis uber ihre seele und der man
hörets und schweiget desselben tages stille, so
gilt ihr gelübde und verbündnis, dessen sie sich
uber ihre seele verbunden hat. Da aber ihr
man wehret des tages, wenn ers höret, so ist
ihr gelübde los, das sie auf ihr hat, und das ver-
bündnis, das ihr aus ihren lippen entfaren ist
uber ihr seele, und der Herr wird ihr gnedig
sein.

Hie zeuget der Herr durch Mosen, wenn ein
vater seiner tochter oder ein eheman seines
weibes gelübde widerspreche 82, so sey sie es
nicht schuldig noch verbunden zu halten, darf
ihr auch kein gewissen darumb machen noch
sorgen, das sie Gott deshalben straffen werde,
sondern Gott wil ihr gnedig sein.

So denn ein leiblicher vater so viel gewalts
uber seine tochter und ein eheman gegen sei-
nem weibe hat und kan sie der gelübde ledig
zelen, die sie ohn ihr wissen und willen gethan
haben, warumb solte denn der himlische Vater
gegen seinen kindern und Christus gegen seiner
braut nicht so viel macht und gewalt haben,
wenn jemand unter den Christen im unverstand

82 a. R.: Ein vater und eheman können ihrer
töchter und weiber gelübde widerruffen.

83 a. R.: Mit haltung der gelübde wider Gottes
wort wird Gott nicht gedienet.

ein gelübde gethan, das Gott nicht gefellig und
in seinem wort öffentlich widersprochen, das
er ihn deshalben nicht solte absolvieren und
ledig zelen können? Ja, der Herr widerspricht
und absolviert nicht allein von solchen ge-
lübden, da man erkennet und bekennet, das man
unbedacht und unrecht gehandelt, sondern be-
zeuget auch öffentlich, das, da man solche
gelübde halte 83, nicht ihme, dem Herrn, sondern
dem leidigen sathan diene, wie an den kindern
Israel zu sehen, die Gott zu ehren gelobten und
verhiessen, ihre söne durch das feur zu opfern,
wie von Manasse geschrieben stehet, das er
liesse seinen son durch das feur gehen [2. Reg. 21,
6], welchen brauch der gottselige könig Josia
abgethan, das tophat verunreiniget, das niemand
seinen son oder seine tochter dem Molech
durchs feur liesse gehen [2. Reg. 23, 10]. Was
saget aber der psalm von diesen gelübden und
gottesdienst? Sie opferten ihre söne und ihre
töchter den teufeln [Psal. 106, 37].

Darumb ist ein guter unterscheid zu halten
unter den gelübden. Denn vemöge Gottes wort
ist man nicht schuldig, alle gelübde on unter-
scheid zu halten. Dabey diese unfehlbare regel 84
und richtschnur zu halten ist: Wenn ein mensch
etwas gelobet und auch mit einem eyde be-
stettiget, das Gott in seinem wort widersprochen
und öffentlich zeuget, das es ihm nicht gefalle,
ihm auch damit nicht gedienet, sondern viel
mehr zum zorn gereizet werde, so ist der mensch
in seinem gewissen nicht verbunden, solch ge-
lübd zu halten. Wil das durch ein einfeltig
exempel erkleren: Wenn einer gelobet hette, er
wolte seinen son oder seine tochter Gott auf-
opfern, were ers auch schuldig zu thun? Wie wir
lesen von Jephtah [Jud. 11, 30 ff.], das er Gott
verheissen, wenn ihm Gott die kinder Ammon
in seine hende gebe, was zu seiner hausthür
eraus ihm entgegen gehe, wenn er mit frieden
widerkome von den kindern Ammon, das sol

84 a. R.: Unfehlbare, gewisse regel von den ge-
lübden.

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