Artik-elbuch 1527
eine göddynne, noch byn ick darumme nicht de
rechte borne alles guden, alse gy mick holden 35,
sunder Godt ys allene de borne alles guden, unde
he wyl nen gudt tho juw komen laten ane dorch
mynen Söne, dem he de eere unde herlicheit
allene geven hefft, dat he allene twyscken juw
unde eme handelen scholle. Darumme weset
kloek, dat gy Goddes des Vaders ordeninge nicht
verkeren unde my tholeggen, dat he allene sy-
nem Söne Christo wyl thogelecht hebben, unde
fallen also under einer guden meninge, myck
tho eren, yn den ewygen torne des Vaders.
Hyr late wy na umme der körte wyllen. So yd
rede, recht und billick were, Marien na unsem
gutbedunken to eeren, dat de papen dennoch
unrecht doen, dar se klapperen de wort heruth
ane geyst, vorstand und begerte. Item se syngen
edder lesen nicht umme Goddes edder Marien,
sunder umme den pennink, eren godt, deme se
darmede denen. De psalme unde wort, de se le-
35 Vgl. z. B. Analecta hymnica medii aevi IX,
hrsg. v. G. M. Dreves. 1890, Nr. 94,6b: „Para-
disus voluptatis, / Universae bonitatis / Fons,
rivulus, alveus“, G. Morel, Lateinische Hym-
nen des Mittelalters. 1868, Nr. 193,3: „fons
totius bonitatis“, J. Kehrein, Lateinische Se-
quenzen des Mittelalters. 1873, Nr. 306,3: „O
fons bonitatis / Nostrae paupertatis / Sis me-
mor Maria“, Wackernagel II, Nr. 62,5: „Prunn
der güt“, Wackernagel II, Nr. 674,3: „Gnaden
reyche sonne / vil schöner wen y kein man /
Czwar aller güte oronne / sich vns liplich
an“. — Ueberhaupt wurde Maria häufig mit
dem Beinamen „Brunnen“ oder „Quelle“ be-
nannt: Quelle des Lebens, Brunnen der Gnade
usw., nicht nur, weil sie den Herrn gebar,
sondern auch als die, die schon vor derEmp-
fängnis „gratia plena“ war und voller Rein-
heit und Tugenden geglaubt wurde. Vgl. A.
Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens
in der deutschen Literatur und lateinischen
Hymnenpoesie des Mittelalters. 1893, S. 9 f. 71J
322 ff. 568 ff„ ferner P. Sträter, Katholische
Marienkunde I. 1947, S. 301 ff.
36 Die Marienpsalterien bestanden, ebenso wie
auch andere Psalterien, meistens aus 150 Stro-
phen, beginnend mit „Ave“, von denen jede
auf den entsprechenden der 150 Psalmen in
einem engeren oder weiteren Rahmen an-
spielte. Bei den Marienpsalterien wurden die
herangezogenen Psalmworte dann zu Maria
sen, synt nicht van Marien geschreven edder
gesprocken, strecken sick ock nicht tho Marien,
sunder tho Godde, se werden överst mit allerge-
walt wedder Goddes wyllen tho Marien getho-
gen 36. Darumme synd se billick, so verne wy
Christen wesen wyllen, genzlick affthodonde.
De negenteynde artikel.
Van gewyedem solte, water, palm,
vüre unde krude etc. 36a.
Gewyet was, water, solt, vüre, palm unde krü-
de, ock wat siis uth grunde des ungelovens je-
gen Goddes erste gebot allenthalven mochte ge-
wyet werden, schal gar nichtes geleden werden.
Paulus sprickt (1. Timo. 4, 4 f.), dat alle crea-
ture Goddes gudt synt unde nichtes vorwerp-
lick, dat mit dankseggynge entfangen wert,
wente ydt wert gehylliget dorch dat wort God-
des unde gebett. Hyruth folget nicht, alse wy
suslange gemeinet, dat was, solt, water etc., wen
in Beziehung gesetzt, einzelne Psalmverse
aber auch geradezu auf Maria umgedichtet.
Diese Psalterien dienten wie das Rosenkranz-
gebet der Privatandacht. Vgl. solche Marien-
psalterien: Analecta hymnica medii aevi, Bd.
XXXV, hrsg. v. G. M. Dreves, 1900, S. 123 ff„
Bd. XXXVI von demselben Herausgeber. 1901,
S. 11 ff„ z. B. Psalterium beatae Mariae V.
auctore Anselmo Cantuariensi, Bd. XXXV,
S. 254 ff„ V. 1: „Ave mater advocati / Qui
beatus consilio / Aula ventris incorrupti /
Processit ut ex thalamo“, aber auch Solilo-
quium sive Psalterium B. M. V., saec. 15, Bd.
XXXVI, S. 129 ff., das zu jedem Psalm meh-
rere Strophen enthält, I, 1: „Beatus vir, qui
discedit / A feminae malae via / Beatior cum
accedit / A te, beata Maria“. — Anderer Art
waren die Marienpsalterien, die beim Vesper-
offizium vor, nach und zwischen den einzel-
nen Versen des Magnificat verwandt wurden.
Hier wurden die ganzen Psalmen durch Um-
dichtung auf Maria angewandt. Ein solches
ist das „Psalterium Mariae magnum“, das mit
Unrecht Bonaventura zugeschrieben wurde.
Vgl. St. Beissel, Geschichte der Verehrung
Marias in Deutschland während des Mittel-
alters. 1909, S. 241 ff. 314, zum Psalterium
magnum auch RE 3 12, S. 318.
36a Vgl. S. 27, Anm. 6; S. 38, Anm. 13; S. 63,
Anm. 15; S. 138, Anm. 82 f.
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eine göddynne, noch byn ick darumme nicht de
rechte borne alles guden, alse gy mick holden 35,
sunder Godt ys allene de borne alles guden, unde
he wyl nen gudt tho juw komen laten ane dorch
mynen Söne, dem he de eere unde herlicheit
allene geven hefft, dat he allene twyscken juw
unde eme handelen scholle. Darumme weset
kloek, dat gy Goddes des Vaders ordeninge nicht
verkeren unde my tholeggen, dat he allene sy-
nem Söne Christo wyl thogelecht hebben, unde
fallen also under einer guden meninge, myck
tho eren, yn den ewygen torne des Vaders.
Hyr late wy na umme der körte wyllen. So yd
rede, recht und billick were, Marien na unsem
gutbedunken to eeren, dat de papen dennoch
unrecht doen, dar se klapperen de wort heruth
ane geyst, vorstand und begerte. Item se syngen
edder lesen nicht umme Goddes edder Marien,
sunder umme den pennink, eren godt, deme se
darmede denen. De psalme unde wort, de se le-
35 Vgl. z. B. Analecta hymnica medii aevi IX,
hrsg. v. G. M. Dreves. 1890, Nr. 94,6b: „Para-
disus voluptatis, / Universae bonitatis / Fons,
rivulus, alveus“, G. Morel, Lateinische Hym-
nen des Mittelalters. 1868, Nr. 193,3: „fons
totius bonitatis“, J. Kehrein, Lateinische Se-
quenzen des Mittelalters. 1873, Nr. 306,3: „O
fons bonitatis / Nostrae paupertatis / Sis me-
mor Maria“, Wackernagel II, Nr. 62,5: „Prunn
der güt“, Wackernagel II, Nr. 674,3: „Gnaden
reyche sonne / vil schöner wen y kein man /
Czwar aller güte oronne / sich vns liplich
an“. — Ueberhaupt wurde Maria häufig mit
dem Beinamen „Brunnen“ oder „Quelle“ be-
nannt: Quelle des Lebens, Brunnen der Gnade
usw., nicht nur, weil sie den Herrn gebar,
sondern auch als die, die schon vor derEmp-
fängnis „gratia plena“ war und voller Rein-
heit und Tugenden geglaubt wurde. Vgl. A.
Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens
in der deutschen Literatur und lateinischen
Hymnenpoesie des Mittelalters. 1893, S. 9 f. 71J
322 ff. 568 ff„ ferner P. Sträter, Katholische
Marienkunde I. 1947, S. 301 ff.
36 Die Marienpsalterien bestanden, ebenso wie
auch andere Psalterien, meistens aus 150 Stro-
phen, beginnend mit „Ave“, von denen jede
auf den entsprechenden der 150 Psalmen in
einem engeren oder weiteren Rahmen an-
spielte. Bei den Marienpsalterien wurden die
herangezogenen Psalmworte dann zu Maria
sen, synt nicht van Marien geschreven edder
gesprocken, strecken sick ock nicht tho Marien,
sunder tho Godde, se werden överst mit allerge-
walt wedder Goddes wyllen tho Marien getho-
gen 36. Darumme synd se billick, so verne wy
Christen wesen wyllen, genzlick affthodonde.
De negenteynde artikel.
Van gewyedem solte, water, palm,
vüre unde krude etc. 36a.
Gewyet was, water, solt, vüre, palm unde krü-
de, ock wat siis uth grunde des ungelovens je-
gen Goddes erste gebot allenthalven mochte ge-
wyet werden, schal gar nichtes geleden werden.
Paulus sprickt (1. Timo. 4, 4 f.), dat alle crea-
ture Goddes gudt synt unde nichtes vorwerp-
lick, dat mit dankseggynge entfangen wert,
wente ydt wert gehylliget dorch dat wort God-
des unde gebett. Hyruth folget nicht, alse wy
suslange gemeinet, dat was, solt, water etc., wen
in Beziehung gesetzt, einzelne Psalmverse
aber auch geradezu auf Maria umgedichtet.
Diese Psalterien dienten wie das Rosenkranz-
gebet der Privatandacht. Vgl. solche Marien-
psalterien: Analecta hymnica medii aevi, Bd.
XXXV, hrsg. v. G. M. Dreves, 1900, S. 123 ff„
Bd. XXXVI von demselben Herausgeber. 1901,
S. 11 ff„ z. B. Psalterium beatae Mariae V.
auctore Anselmo Cantuariensi, Bd. XXXV,
S. 254 ff„ V. 1: „Ave mater advocati / Qui
beatus consilio / Aula ventris incorrupti /
Processit ut ex thalamo“, aber auch Solilo-
quium sive Psalterium B. M. V., saec. 15, Bd.
XXXVI, S. 129 ff., das zu jedem Psalm meh-
rere Strophen enthält, I, 1: „Beatus vir, qui
discedit / A feminae malae via / Beatior cum
accedit / A te, beata Maria“. — Anderer Art
waren die Marienpsalterien, die beim Vesper-
offizium vor, nach und zwischen den einzel-
nen Versen des Magnificat verwandt wurden.
Hier wurden die ganzen Psalmen durch Um-
dichtung auf Maria angewandt. Ein solches
ist das „Psalterium Mariae magnum“, das mit
Unrecht Bonaventura zugeschrieben wurde.
Vgl. St. Beissel, Geschichte der Verehrung
Marias in Deutschland während des Mittel-
alters. 1909, S. 241 ff. 314, zum Psalterium
magnum auch RE 3 12, S. 318.
36a Vgl. S. 27, Anm. 6; S. 38, Anm. 13; S. 63,
Anm. 15; S. 138, Anm. 82 f.
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