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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0545
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Instruktion für die Prediger 1529

Glaub.

Solliche der sunt vorgebung und ewigs leben
durch Jesum Crist mag auf erdboden keyn ding
erlangen noch behalten ane der eyniger crist-
liger glaub. Cristliger glaub abir ist das vortrau-
wen nur in Gottis barmherzickeit on eyniges un-
ser oder anderer vordienst umb denn eynigen
unseren midtler Jesum Crist, der uns geschenkth
und umb unsern willen hingeben ist. In welchem
vortrauen wir auch denn Vatter alhy fur und
fur anruffen: Vorlas uns unse schulde, als wir
vorlassen unseren schuldigers.

Alhir ist noth, das folk zu lernen, das diesser
glaub sey eyn erkantnus, die von menschen nicht
mag begriffen noch behalten, sondern von Got
muss gegeben werden, auf das man draus nicht
eyne fleischlige freyheit und mussiggang guetter
werke lehrne, demnach der glaub das fleisch und
seine werke todtet und der Geist imer und imer
streytet gegen sund, teufel und welt, vorauss
abir soll das folk die kraft und gebrauch des
glaubens eygentlich vornemen.

Kraft des glaubens.

Des glaubens kraft ist uns rechtfertigen und
mit eyner frembden, nemlich Cristus gerechti-
cheyt anthun, und das ist die unaussprechlicke
gottisgab, dadurch er uns in seynem angepor-
nen 2e erlosth von sunt, todt und teufel etc.

Hiraus folget nun gewisslig, das alle unser
vorhaben und werke, so zu unser und anderer
rechtfertigung und erlosung allenthalber dorch
orden, ceremonien, gelubde, mess, walfahrte, ab-
las und dergleichen erfundten, vorhmert und
pis anher vorteydigt sein ane, ja widder Gots
worth, sein alle unnuze und vorgeblich, dann
vortrauwen in die ist Gottis des Vaters barmher-
zigkeit und das blut Jesu Cristi, des Suns Got-
tis, vorleuken. Hir abir ist ihnen nodt eyner
cristlichen bescheydenheit bey denn, die woll
das evangelion lernen, idoch noch nicht genug-

2e = eingebornen.

sam vorsthehen mogen, das solchs alles nichts
sey, sollen doch alles in das gemein angerurth,
darnach zu gelegener zeit mit mheren worten
erklert und dem volk ingebildet werden, dan
eyn getruwer haushalter wirt dem hausgesinde
Cristi zu gepurlicher zeit ihre masse weizen
geben.

Gebrauch des glaubens.

Des glaubens brauch ist, durch die lieb denn
anderen dienen und hinwidder denn bruder be-
kleyden mit unser fromigkeit, weisheit und allen
unsern wolvormugen, gleich als wir von Criste
aufgenomen sein und mit seynen guedtern be-
kleydt und reich gemacht.

Hiraus folget nu, das der guedten werke nodt
ist als des rechtschaffen glaubens, der tettigen
lebet. Plir muss abir aufsehen und woll gedacht
werden, das die werk des glaubens sein nicht
des unglaubens noch des abirglaubens. Der liebe
werke abir sein uns von Got gebotten, die der
heilig Geist in uns ungeheissen vorbringeth.

Untir denn werken abir sein die ersten, der
obirkeit und gewalt in allen dingen negst Gott
untirthan sein, den frydt fodderen, fursten ehren
und gross achten, bitten vor alle policei und
sorgfeltig sein, welcher gestalt wir ihnen mu-
gen nuzen und fromen. Nehist den sein, den
elteren gehorsam leysten, das hausgesinde mit
Gotts wort und leiblichen broth vorsorgen und
ehrneren und dergestalt in beyderleyg regerung,
leybs und Geists, ihnen dienen.

Hir muss mit lernen getrieben sein, was nach
seinem stanth eyn igliger, der predig horeth, zu
thun schuldig, was alte menner und weyber, was
jungling beyder kunne 3, was kinder, was elte-
ren, was knechte und mägde, was hern und
frauwen etc., vorpflicht sein, wie Paulus [1.
Tim 2, 8 ff.; 5, 4 ff.; 6, 1 f. usw.] und Petrus [1.
Petr 2, 18; 3, 1—7; 5, 1 ff.] davon pflegen zu er-
manen; die epistel to Tito [2, 2—10] gedenkt gar
nha der alle. Eynen igligen ist werks genug und

3 = Geschlecht, vgl. Schiller u. Lübben II,
S. 597 f.

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