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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0646
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^ j_Jie Stadt Lüneburg war ehemals die einzige bedeutende Stadt des Fürstentums und nahm
auch sonst eine Sonderstellung ein. Ihre IVohlhabenheit war durch die ergiebigen Soolquel-
len begünstigt; auf der llmenau wurde eine beachtliche Schiffahrt unterhalten. Dadurch nahm
Lüneburg im Bund der Hansestädte (zusammen mit Lübeck. Hamburg, Wismar, Rostock und
Stralsund) am Handel der Seestädte teil (vgl. Reinecke I, S. 263 ff.). Diese Verbindung
wirkte sich auch bei den religiösen Umwälzungen im 16. Jh. aus. zumal sich die Stadt weit-
gehend selbständig und unabhängig von der Landesherrschaft machen konnte (vgl. Fried-
land, S. 70 ff., Reinecke I, S. 306 ff.). Herzog Ernst dem Bekenner hat die Stadt
niemals die Huldigung erwiesen (vgl. Friedland, S. 76 f., Reinecke 1, S. 319). Das
hinderte nicht, daß Ernst der Bekenner, wie alle Herzöge, sich in seinen Geldverlegenheiten
mit Erfolg an die Stadt Jjüneburg wandte (vgl. Reinecke 1, S. 319, II, S. 151). Eins der
von den Lüneburgern durch solche Geldleihen erkauften Privilegien war die Befreiung der
Stadt von der Steuerpflicht des Landes; sie wurde unter gewissen Zugeständnissen auch
seitens der Lüneburger in einem Vertrage 1562 für ewige Zeiten bestätigt (vgl. F rie dland,
S. 141 ff., 1 ür gen s, S. 90, Rein e ck e 1, S. 322).

Zur Einführung der Reformation in der Stadt Lüneburg vgl. die Darstellung von Wrede
(S. 43 ff.), Reinecke (II, S. 159 ff.), Jürgens (S. 85 ff.), in knapper Form auch Mat-
thaei (Vikariestiftungen, S. 75 f.). Die treibende Kraft zum Glaubenswechsel kam aus der
Bürgerschaft. Der Rat hat die politischen Verhältnisse dabei nie außer acht gelassen: sowohl
dem Landesherrn gegenüber als auch hinsichtlich der Stiftungen in den städtischen Kirchen.

Lutherische Elemente sind in der Stadt seit 1525 bezeugt. Der Rat verbannte in diesem
Jahre aus seinen Mauern Bürger, die lutherische Schriften gelesen und deutsche Psalmen ge-
sungen hatten. 1528 begannen die stürmischen Auseinandersetzungen zwischen alter und neuer
Lehre, die der Rat noch zugunsten der alten zu steuern versuchte. Die Maßnahmen des Her-
zogs, vor allem die Einsetzung evangelischer Geistlicher in dem vor den Toren gelegenen Klo-
ster Lüne wie auch in dem benachbarten Stift Bardowik. förderten die lutherischen Strömun-
gen in der Stadt trotz dem Widerstand des Rates. 1529 hat Herzog Ernst dem Rat und der
Bürgerschaft sein „Artikelbuch“ von 1527 und die Anweisung für die Prediger von 1529 über-
sandt und zur Annahme dieser Ordnungen aufgefordert. Der Rat ließ diese Forderung un-
beantwortet. Da aber die Gefahr einer Verbindung der lutherisch gesinnten Bürgerschaft
mit dem Herzog clrohte. mußte der Rat es für richtiger halten nachzugeben.

So wurde um Ostern 1530 Stephan Kempe aus Hamburg mit der Neuordnung des Kir-
chenwesens in Lüneburg beauftragt. Auf seine Veranlassung wurden weitere lutherische Pre-
diger nach Liineburg berufen, die Messe in St.Johannis und St. Lamberti abgeschafft (über
Kempe und die tumultuarischen Zustände in Lüneburg, die zu seiner Berufung führten, vgl.
Wrede, S. 117 ff., Reinecke II, S. 161 ff.). Er stellte auch bereits 50 Artikel „vom Amt
und Dienst in den Kirchen“ zusammen, die er aus Bugenhagens KO für Hamburg entnommen
hatte. Doch sind sie nicht zur Anerkennung gekommen und im Wortlaut nicht erhalten.
Kempe verließ noch im gleichen Jahre Lüneburg.

Nun erbat der Rat von Herzog Ernst dem Bekenner den soeben erst nach Celle be-
rufenen Urbanus Rhegius. Dreimal ist dieser in der Folgezeit — zweimal 1531 und 1532
für anderthalb Jahre als Superintendent der Stadt — in Lüneburg gewesen (vgl. Wrede,
S. 138 ff., 145, 179 ff., Uhlhorn, Rhegius, S. 186 ff.). Zunächst verfaßte er in kurzer
Zeit die Schul- und KO der Stadt. Lüneburg. Am 9. Juni 1531 hatte er sie abgeschlossen und

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