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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0693
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Kirchenordnung 1575

der braut uber den rechten goltfinger sticht,
lest sie sich darauf die rechter hende unter-
einander geben oder nimmet der braut rechte
hand und legt sie in die rechter hand des breu-
tigams und spricht: Nachdem der Herr Chri-
stus selber Matthei an dem 19. capittel [6] sagt:
Was Godt der Herr zusahmengefuget hat, das-
selbe soll kein mensche scheiden, und sich dan
nun diese beyde personen als N. und N. durch
ausvorsehung Gottes ehelich zusahmen begeben,
wie sie dasselbe mit dem offentlichen ja bekant,
mit vorwechselung der treuringe und darrei-
chunge der hende bestetiget, so spreche ich sie
darauf ampts halben ahn Gottes stadt ehelich
zusahmen in dem nhamen des Vatters und des
Sohns und des heiligen Geistes, sampt dem se-
gen: Der Herr segne und behuete euch ahn leib
und sehle von nun ahn biß zu ewigen zeiten umb
unsers Hern Jesu Christi willen. Amen.

Von den vorurtheilten misthetern, wie man
dieselben pflegt zu besuchen und trösten.
XII. caput.

Nachdem Godt der almechtiger niemande,
auch den allergrössesten sundern, seine gnade
nicht absagt, sondern dieselben, soferne sie
sich alleine warhaftigen zu ihme bekeren las-
sen, herzlich gerne annimmt, wie da geschrie-
ben stehetEzechielis cap. 33 [11]: So whar als ich
lebe, spricht der Herr, ich habe kein wolgefal-
len ahn dem tode des gottlosen, sondern das
sich der gottloser bekere von seinem wesende
und lebe, und daselbst ahn dem 18. capitel
[21 f.]: Wo sich der gottlose bekeret von allen
seinen sunden, die ehr gethon hat, und helt
alle meine rechte und thuet recht und woll, so
soll ehr leben und nicht sterben, aller seiner
ubertrettung, die ehr begangen hat, soll nicht
gedacht werden. Und der sehelsorger ambt er-
furdert, das sie sich jederzeit aufs allergetreu-
ligste damach bearbeiten sollen, wie sie viele
sehelen retten und dem Hern zubringen mugen,
so werden demnach von diesem ministerio auch

96a Im Original: zwolf.

die allergrössesten und grobesten sunder nicht
vorschmadet oder vorworfen, sofern sie immer
zu gewinnende stehen, sondern wird umb ihre be-
kehrung hochstes vormugens mit ungespartem
vleisse gearbeitet und gestritten. Darumb so
oft es sich zutregt, das jemand umb seiner mis-
handlung willen von der obrigkeit hirselbst ge-
fenklich eingezogen und zum thode vorurtheilt
werden soll, auf das seine seele dennoch nicht
vorloren, sondern zur seligkeit erhalten und ge-
rettet werden muge, so helt man derowegen
damit diesen gebrauch: wen einem solchen
durch die gerichtsbefhelichhaber die sentenz des
todes den nachmittag umb eins angezeigt und
gesprochen werden soll, so lassen sie dieß dem
superintendenten umb zehen oder elf 96a schlegen
zuvor wissen, welcher darauf das ganze mini-
sterium zu zwolf schlegen per vices einmhal in
S. Johans, das ander mhal in S. Lamberts,
zum dritten mhale in S. Niclas kirchen 97 zu-
sahmen foderen und diß ihnen selbst vormeldet
oder durch einen von seinen collegis anzeigen
lest, das ein armer sunder vorhanden, welcher
umb seiner ubelthaten willen den folgenden tag
vom leben zum todte gebracht werden soll, das
sie derowegen die ordnung machen wollen, wehr
mit ihme hinaussengehen und welche stunde
ihne ein jeglicher trostes halben besuchen soll.
Wird damit auch solche ordnung gehalten, das
allwege der senior in dem ministerio, und so der-
selbe nicht einheimisch oder gesund ist, der
subsenior, mit den gerichtsbefhelichabern in die
gefenknusse gehet und ihne nach empfangener
sentenz tröstet und beredet, das ehr sie mit ge-
dult aufnheme und sich gehorsamblich in die
auferlegte und wolvordiente straffe ergebe. Dar-
negst werden von den andern, so allein ein vor-
urtheilter vorhanden ist, zwene, so ihrer zwen
seind, drey oder vier und so forthan nach ge-
legenheit aus gedachtem ministerio, die mitihme
aus dem gefenknus vors gerichte und von
dannen zur walstadt gehen sollen, vorordnet,
welchs ordine umbgehet von dem eltisten bis auf

97 Vgl. oben S. 652, Anm. 10 ff.

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