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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0695
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Kirchenordnung 1575

von ganzem herzen höchlich und vleissig dafur
soll danken, das ehr ihnen nicht auf seiner fri-
schen thatt erwurgen, den hals absturzen oder
sunst umbbringen, in seinen sunden sterbenund
ewiglich vorloren werden lassen hat, sondern
ihme solche gnade noch beweyset, das ehr ihme
seinen ende, sich mit allem vleisse darauf zu
schicken, zuvor vorkundigen und wissen, auch
getreulich anzeigen und lehren lest, wie ehr
seliglichen sterben soll, auch seine gnade von
vorgebung der sunden anbieten und von der
ewigen seligkeit vorwissen lest.

4. So einer ahn der gnadenreichen barmherzig-
keit Gottes und vorgebung der sunden zweifelt
oder vor dem greulichen und ernstlichen zorn
Gottes widder die sunde erschrecket, blöde im
gewissen und schwach im glauben ist, ein sol-
chen werden die trostspruche von der grund-
losen barmherzigkeit Gottes und deme reichen
vordienste Christi nebenst dem exempel Adae
und Evae, Davidis, Manassis, Nabuchodonosers,
des zollners, Mariae Magdalenen, des schechers
ahm kreuze, Petri, Pauli und anderer grossen
und groben sunder und sunderinnen, welcher
Godt almechtiger aus lauter barmherzigkeit zu
gnaden angenohmmen hat, vorgehalten und mit
sonderm vleisse getreulich und wol eingebildet.

5. Wo auch jemands vor dem schwert, stricke,
wasser oder feuer etc. grauset oder vor der
peine, so ehr erleiden soll, erschrecket, deme helt
man vor die gnedigen zusagen Gottes, darin ehr
sich vorsprochen, das ehr daselbst bey ihnen
in der nott sein, all ihre marter und peine lin-
deren und kurzen wolle, wie ehr spricht in dem
91. psalm [14 f.]: Ehr hat mein begeret, ich wil
ihm aushelfen, ich will ihn beschutzen, dan ehr
kennet meinen nhamen, ehr ruffet mich ahn,
so will ich ihn erhören, ich bin bey ihme in der
nodt, ich will ihn herausserreissen und zu eh-

98 Vgl. oben S. 398 u. Anm. 17.

99 Märtyrerin unter Dezius(?)zu Catania auf Si-
zilien. Sie soll nach schweren Mtßhandlungen
im Gefängnis gestorben sein. Ihr Tag ist der
5. Februar. Vgl. F. v. Sales-Doye, Heilige u.
Selige d. röm.-kath. Kirche I. 1929, S. 26.

ren machen. Item Matthei 11. cap. [28]: Kommet
zu mir alle, die ihr muhselig und beladen seid,
ich will euch erquicken, nebenst den exempeln
Laurentii 98, Stephani [Act 7], item Agathae ",
Blandinae 5 welche Gott almechtiger also gegen
den todt gerustet und gesterket hat, das sie
von herzen frölich zum todte als zum tanze ge-
gangen seind.

6. So sich aber einer vor der weltlichen schande
entsiehet und scheuet etc., denselben tröstet
man mit der zusage der ewigen herligkeit, so
darnach soll erfolgen und kommen, wie da ge-
schrieben stehetPhilip. 3 [20 f.]: Unser wesen ist
im himmel, darher wir auch vorwachten des
heilandes Jesu Christi, des Herm, der unseren
nichtigen leib vorklaren wird, das ehr gleich
werde seinem vorklaredem leibe, nach der wir-
kunge, da ehr sich auch alle ding kan mit under-
theinig machen, und wie wir in dem psalm
[Ps 106,2 f.] singen: Es lebet kein man, ders
aussprechen kan, die glori und das ewige lohn,
das Godt den seinen wird schenken; den wie-
woll der liebe S. Petrus [1. Petr 4,15] sagt, die
Christen sollen nicht leiden als mörder, diebe
oder ander ubelthäter, dennoch wen es gleich-
woll also geschicht, das emer umb seiner offent-
lichen sunde willen leiden soll oder muß, so kans
nicht desto weiniger geschehen, das aus einer
mehr den alzuwoll vordienten straffe ein hei-
liges leiden werde, welchs Godt almechtigen
ebenso angeneme sey und wolgefalle, als der
allerheiligesten merterer leiden gewesen ist oder
sein mag. Dan wo ein solcher sunder die groß-
heit seiner sunde in seinem herzen fhulet und er-
kennet, dieselbe offentlich vor Godt und men-
schen zustehet und bekennet, das sie ihme von
herzen gereuen und leid seind, gleubt und vor-
trauet auch warhaftigen, das sie ihme aus lauter
gnade und barmherzigkeit Gottes umb des ge-

K

1 Märtyrerin unter Marc Aurel zu Lyon. Sie
soll den anderen Märtyrern noch Mut zu-
gesprochen haben, bis man ihr als der letz-
ten die Kehle durchschnitt. Ihr Tag ist der
2. Juni. Vgl. F. v. Sales-Doye, a. a. O. S. 137. —
Vgl. die Schilderung bei Euseb, Hist. eccl. V,
1,17 ff.; MSG 20, 416 ff.; Schwartz, S. 173 ff.

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