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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2006
DOI Kapitel:
Jahresfeier am 20. Mai 2006
DOI Artikel:
Jäger, Willi: Mathematische Modelle und Computersimulation biologischer Prozesse: Realität in Silico?
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0033
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20. Mai 2006

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formiert. Sind die Folge der Übergangsabbildungen fn und die Startsituation gege-
ben, so erscheint die Berechnung der Zustände und ihrer zeitlichen Entwicklungen
nur ein Problem für den Computer. Im Allgemeinen ist jedoch das Verhalten solcher
diskreter dynamischer Systeme so komplex, dass sowohl ihr theoretisches Verständnis
als auch ihre kontrollierte Berechnung eine Herausforderung darstellen können.
Physikalische, chemische oder biologische Systeme, bei denen die mathematische
Beschreibung auf nichtlineare Gleichungen für die Zustandsgrößen führt, können so
komplex sein und so sensitiv auf Störungen reagieren, dass genaue Vorhersagen über
ihr Langzeitverhalten unmöglich erscheinen. Bereits bei einfachen quadratischen
Nichtlinearitäten und nur einer Zustandsgröße kann komplexes, chaotisches Verhal-
ten auftreten, das eine sensitive Abhängigkeit der Berechnungen von den Startwer-
ten aufweist. Die mathematische Analyse mehrdimensionaler diskreter dynamischer
Systeme gehört zu den großen Herausforderungen an die Mathematik. Da diskret
formulierte Gleichungen unmittelbarer auf Rechner übertragen werden können,
werden sie verbreitet zur Modellierung von realen Prozessen eingesetzt, wobei die
entsprechenden Verfahren auch als diskrete Automaten bezeichnet werden. Allerdings
hat sich herausgestellt, dass für die theoretische Analyse, aber auch für die Entwick-
lung effizienter numerischer Verfahren kontinuierliche Beschreibungen besser geeig-
net sind. In der Realität spielt auch der Zufall eine Rolle, das heißt die Funktionen
selbst sind vom Zufall abhängig, was die Komplexität und damit die Notwendigkeit,
modernste Rechenverfahren und Computer einzusetzen, noch erhöht. [17]
4. Physikalisch-chemische Prozesse als Basis biologischer Prozesse
Dass physikalisch-chemische Prozesse grundlegend sind für biologische, ist eigent-
lich eine Einsicht, die sich erst in den letzten zwei Jahrhunderten mit dem rasanten
Fortschritt der Naturwissenschaften durchsetzte. Dabei war die bestehende Diffe-
renzierung zwischen unbelebter und belebter Natur eher hemmend, was teilweise
auch jetzt noch zutrifft. Hier wird die Erkenntnis der Systemtheorie wichtig, dass es
durch Wechselwirkung von Teilsystemen zu neuen Phänomenen und Strukturen
kommen kann, zu denen die Teilsysteme nicht fähig sind. Sicherlich gilt für biologi-
sche Systeme, dass sie in der Regel aus einem komplexen Netzwerk wechselwirken-
der Teilsysteme bestehen, wobei Dimension und Komplexität die jener Systeme
übersteigen, die wir als unbelebt bezeichnen. Berücksichtigt man diese Tatsache, so
ist die Arbeitshypothese berechtigt, Konzepte und Methoden, die sich bei der Be-
schreibung physikalisch-chemischer Systeme bewährten, auch für biologische anzu-
setzen und notwendig fortzuentwickeln.
Der Biologe und Mathematiker D’Arcy Thompson (1860—1948) stellte in seinem
berühmten Werk Ongrowth and form (1917) [36] die Beziehung von mathematischen
Strukturen und Prinzipien, wie sie in der unbelebten Natur gelten, mit der Erzeu-
gung von Formen in der belebten Natur her: „The harmony of the world is made manifest
in form and number, and the heart and soul and all the poetry of Natural Philosophy are
embodied in the concept of mathematical beauty
 
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