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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 1. Juli 2006
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Kalko, Elisabeth: Aus der Schatzkiste der Evolution: Artendiversität in den Tropen und funktionelle Bedeutung der Vielfalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0067
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l.Juli 2006

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auch zum Verlust wichtiger funktioneller Komponenten wie zum Beispiel der
Bestäubung wichtiger Pflanzen oder der Kontrolle von Pflanzenschädlingen durch
Prädatoren. Diese Effekte werden durch die Einführung exotischer Arten und des
immer stärker wirkenden, vom Menschen mit verursachten Weltklimawandels
(global climate change) verstärkt.
Angesichts der geringen Wissensgrundlage für viele Organismengruppen und
der immer rascher fortschreitenden Degradierung von Lebensräumen ist es höchste
Zeit, der zunehmenden Biodiversitätserosion Einhalt zu gebieten. Dabei steht
zunächst die Frage im Raum, warum Wissen und Schutz biologischer Vielfalt über-
haupt wichtig ist? Wozu brauchen wir Artenvielfalt? Dazu lassen sich eine Vielzahl
von Gründen aufführen. Artenvielfalt ist für unsere Lebensqualität unabdingbar, da
artenreichere Systeme stabiler sind als artenarme und die Versorgung mit essenziel-
len Lebensgrundlagen sicherstellt, einschließlich sauberem Wasser, Luft und Nah-
rung. Des Weiteren stellt die Vielzahl an Mikroorganismen sowie Pilzen, Tier- und
Pflanzenarten ein unersetzliches genetisches Reservoir dar, das vor allem auch für
zukünftige Generationen von großer Bedeutung sein wird und daher in seiner
ursprünglichen Form bewahrt werden muss. Aus der Fülle der biologischen „Erfin-
dungen“ lassen sich neue Materialien und Medikamente gewinnen sowie technisch
umsetzbare Prinzipien ableiten (Bionik). So werden zum Beispiel über „bioprospec-
ting“, der Suche nach Wirkstoffen in pflanzlichen und tierischen Geweben, Antibio-
tika, Muskelrelaxantien sowie Blutgerinnungshemmer entwickelt. Zudem bieten
artenreiche Systeme wirksameren Klimaschutz und Schutz vor Extremereignissen als
artenärmere. Dazu kommt die Bedeutung von Artendiversität als Kulturgut, das
sowohl ästhetische als auch emotionale Werte beinhaltet.
Grundlage zum Schutz der Biodiversität auf globalem Niveau bildet die 1992
auf dem Earth Summit in Rio de Janeiro verabschiedete und von über 150 Ver-
tragsstaaten unterzeichnete Convention on Biological Diversity (CBD), deren Ker-
naussagen sich auf 1) use and Conservation of biological diversity und 2) fair and equitable
distribution of benefits konzentrieren. Die CBD wird gefolgt vom Millenium Eco-
system Assessment, das sich als ehrgeiziges Ziel gesetzt hat, den Verlust an Biodiver-
sität bis 2010 zu stoppen.
Weltweit ist die Verteilung der Biodiversität ungleich. Gebiete mit besonders
hoher Artenvielfalt („hot spots“) findet man nahezu ausschließlich in tropischen und
subtropischen Ländern. Als Bespiel aus meiner eigenen Forschung stelle ich in die-
sem Zusammenhang die artenreiche Gruppe der Fledertiere (Chiroptera) vor.
Während in Europa einschließlich des Mittelmeergebietes knapp 40 Arten vorkom-
men, weist das wesentlich kleinere Panama in Mittelamerika auf der gesamten Lan-
desfläche nahezu 120 Arten auf. Auf der tropenbiologischen Station Barro Colorado
Island (BCI), Teil des unter US-amerikanischen Leitung stehenden Smithsonian
Tropical Research Institutes (STRI), gelang es uns, auf der ca. 16 km2 großen Insel
74 Arten nachzuweisen. Was ist die Bedeutung dieser hohen Artenvielfalt? Wie kön-
nen so viele Fledermausarten miteinander koexistieren?
Fledertiere gehören mit zu den ältesten Säugetiergruppen, die rezent in großer
Artenzahl vertreten sind. 55-60 Millionen Jahre alte Fossilien aus Wyoming, USA
 
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