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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 15. Juli 2006
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Welker, Michael: Was ist Schöpfung?: Zur Subtilität antiken Weltordnungsdenkens
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0074
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SITZUNGEN

re Gestaltung und Entfaltung des Geschöpflichen (Genesis 1,6). Doch schon im
folgenden Vers heißt es, Gott macht das Gewölbe und schied ... (Genesis 1,7). Die
Lichter am Himmelsgewölbe sollen über Tag und Nacht herrschen und das Licht
von der Finsternis scheiden (Genesis 1,14). Parallel dazu lesen wir: Gott machte die
Lichter, Gott setzte die Lichter an das Himmelsgewölbe (Genesis 1,16 und 1,18).
Dass Gott alle Arten von Landtieren macht, wird Genesis 1,21 und 1,25 betont.
Daneben wird eben für diesen Vorgang, die hervorbringende Kraft der Erde in
Anspruch genommen: „Gott sprach, das Land bringe alle Arten von lebendigen
Wesen hervor, von Vieh, von Kriechtieren und von Tieren des Feldes“ (Genesis
1,24). Schöpfung und Evolution sind nach dem priesterschriftlichen Schöpfungsbe-
richt also keine Alternative. Wie aber, so lautet dann die dritte religiös irritierte Frage,
können wir noch Gott und Geschöpfe unterscheiden?
Diese Frage wird dann tatsächlich brennend, wenn wir Gott und Welt, Gott
und Geschöpf in einem Eins-zu-Eins-Modell denken, wie es für das meiste popu-
läre religiöse Denken leider charakteristisch ist. Wie lassen sich Gott und Welt,
Gott und Mensch unterscheiden, wenn Gott, Welt und Mensch ko kreative Größen
sind? Die Antwort lautet, dass das biblische Denken eben nicht in einem Eins-zu-
Eins-Verhältnis, sondern in Eins-zu-Viele-Verhältnissen denkt. In abgestufter Weise
haben die verschiedenen Geschöpfe an Gottes Kreativität Anteil. Die Himmel
scheiden, die Gestirne herrschen, die Erde bringt hervor, und der Mensch erhält
den sogenannten Herrschaftsauftrag. Gott aber orchestriert diese verschiedenartigen
Dimensionen und Prozesse. Wenn man sich dieses Modell klar vor Augen stellt,
dann wird deutlich, warum biblisches Denken Gottes Schaffen und Gottes Regie-
ren im Zusammenhang sieht. Das Zusammenwirken der verschiedenen Lebens-
bereiche und geschöpflichen Machtsphären wird dem göttlichen Wirken zuge-
schrieben.
Eine vierte Irritation, die zu einer tieferen Erkenntnis des Weltordnungsden-
kens der Priesterschrift führt, kann man in die Frage fassen: Wenn den Geschöpfen
Anteil gegeben wird an der Kreativität Gottes, droht dann nicht eine Gefährdung der
Schöpfung, d.h. gefährdet sie sich dann nicht selbst? Wenn aber Selbstgefährdungen
der Schöpfung durchaus zugelassen sind — wie kann dann davon gesprochen werden,
dass die Schöpfung „gut“ war, ja, wie kann dann mit Genesis 1,31 gesagt werden:
„Gott sah alles an, was er gemacht hatte. Siehe, es war sehr gut. Es wurde Abend und
es wurde Morgen, der sechste Tag.“
Diese weit verbreitete Frage verbindet sich in der Regel mit der Theodizee-
Frage: „Wie sind das Leiden und der Tod in der Schöpfung mit der Güte und Macht
Gottes in Einklang zu bringen?“ Auf diese Frage lässt sich eine sehr klare, wenn auch
ernüchternde Antwort geben. Die Schöpfung bietet nicht ein Leben in göttlicher
Herrlichkeit. Die Geschöpfe sind nicht göttliche Wesen. Im Gegensatz zu anderen
Schöpfungsberichten des Alten Orients vollzieht der biblische Schöpfungsbericht
geradezu eine Säkularisierung der Macht des Himmels, der Gestirne und auch der
Ungeheuer aus der Tiefe. Der Himmel ist nicht länger eine göttliche Größe, sondern
ein Geschöpf. Er ist in der Sicht der biblischen Überlieferungen eine machtvolles
Geschöpf, da die Kräfte des Lichtes, der Wärme, des Wassers „vom Himmel her“ auf
 
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