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ANTRITTSREDEN
so genannten Wachstumsfaktoren, die zelluläre Kommunikation steuern, also Zellen
mitteilen, dass sie sich teilen sollen. Denn das damals vorherrschende Konzept zur
Krebsentstehung ging davon aus, dass dieser vor allem durch unkontrollierte Zelltei-
lung entsteht. Ich habe gemeinsam mit Peter Krammer am DKFZ 1985 ein Projekt
begonnen, in dem wir die für die Vermehrung der Leukämiezellen wichtigen Bin-
dungsstellen für diese Wachstumsfaktoren auf der Oberfläche der Leukämiezellen
mit Antikörpern blockieren wollten. So haben wir 1989 den Zelltod entdeckt. Aller-
dings musste ich dazu zuerst die „Mausforscher“ davon überzeugen, dass es sinnvoll
und ungefährlich ist, mit menschlichen Leukämiezellen zu arbeiten. Nachwuchsfor-
scher kann ich übrigens auch beruhigen: Mein erster Antrag zu diesem Thema, ich
habe die Projektskizze immer noch, wurde von den Gutachtern abgelehnt.
Nach mehreren Jahren paralleler, „fluktuierender“ Tätigkeit zwischen Klinik
und Labor bin ich nach der Habilitation ab 1990 wieder ganz als Heisenbergstipen-
diat der DFG in die Grundlagenforschung gegangen. Zelltod war bis Ende der 80er
Jahre ein Unfall im Gewebe, hervorgerufen durch Sauerstoff- oder Nährstoffmangel
oder physikalische Schädigung. Dass Zellen ein eingebautes Selbstmordprogramm
haben, war unbekannt und wir hatten einen der Schalter dieses Selbstmordpro-
gramms an der Zelloberfläche entdeckt. Dieser programmierte Zelltod wird auch
Apoptose genannt. Apoptein meint das Herunterfallen und Wechseln der Blätter und
zeigt an, dass die Strukturen des Gewebes trotz Absterbens einzelner Komponenten,
also einzelner Zellen, erhalten bleiben. Es lag unmittelbar nahe zu vermuten oder
zu hoffen, dass man durch Umlegen dieses von uns entdeckten Selbstmordschalters
bzw. Selbstmordprogramms Krebszellen umbringen könnte. Am National Cancer
Institute der USA in Bethesda/Washington habe ich dann 1990/1991 an einer
bestimmten Leukämieform, die dort von Tom Waldmann, einem der Pioniere der
immunologischen Tumorforschung, charakterisiert wurde, zum ersten Mal nachge-
wiesen, dass dies tatsächlich zumindest in der Zellkultur bei menschlichen Tumor-
zellen möglich ist. Aber die Umsetzung direkt in eine Behandlung ist bis jetzt noch
nicht geglückt, unter anderem deshalb, weil der von uns entwickelte Antikörper wie
andere ähnliche Substanzen, die Selbstmordschalter in Zellen direkt „drücken“ kön-
nen, im Körper leider auch dazu führen können, dass in normalen Zellen Selbstmord
ausgelöst wird. Dennoch knüpft sich an die Entwicklung ähnlicher Medikamente
eine große Hoffnung, erste Erfahrungen liegen seit einigen Wochen mit einem sol-
chen Therapieprinzip vor. Allerdings scheint es einfacher zu sein, überstürzten Zell-
tod zu blockieren als diesen gezielt auszulösen. 1994 habe ich mit der Arbeitsgruppe
von Alain Fischer am Hopital Necker in Paris die ersten Patienten identifiziert, bei
denen es zu einer Vermehrung weißer Blutzellen und Vergrößerung von Milz und
Lymphknoten durch eine Störung des Selbstmordprogramms kommt, bei der der von
uns entdeckte Selbstmordschalter durch einen Gendefekt außer Funktion ist.
Klinische Medizin und damit Diagnose und Behandlung, haben Konzepte und
Theorien als Grundlage, die aus experimenteller Forschung oder Krankheitsbeob-
achtung stammen. Fortschritte in der Medizin folgen oft auf Fortschritten in den
Krankheitskonzepten. Die Apoptoseforschung hat z.B. das Konzept, dass Krebs nur
durch eine massiv gesteigerte Zellteilung entsteht, auf den Kopf gestellt: Es sterben
ANTRITTSREDEN
so genannten Wachstumsfaktoren, die zelluläre Kommunikation steuern, also Zellen
mitteilen, dass sie sich teilen sollen. Denn das damals vorherrschende Konzept zur
Krebsentstehung ging davon aus, dass dieser vor allem durch unkontrollierte Zelltei-
lung entsteht. Ich habe gemeinsam mit Peter Krammer am DKFZ 1985 ein Projekt
begonnen, in dem wir die für die Vermehrung der Leukämiezellen wichtigen Bin-
dungsstellen für diese Wachstumsfaktoren auf der Oberfläche der Leukämiezellen
mit Antikörpern blockieren wollten. So haben wir 1989 den Zelltod entdeckt. Aller-
dings musste ich dazu zuerst die „Mausforscher“ davon überzeugen, dass es sinnvoll
und ungefährlich ist, mit menschlichen Leukämiezellen zu arbeiten. Nachwuchsfor-
scher kann ich übrigens auch beruhigen: Mein erster Antrag zu diesem Thema, ich
habe die Projektskizze immer noch, wurde von den Gutachtern abgelehnt.
Nach mehreren Jahren paralleler, „fluktuierender“ Tätigkeit zwischen Klinik
und Labor bin ich nach der Habilitation ab 1990 wieder ganz als Heisenbergstipen-
diat der DFG in die Grundlagenforschung gegangen. Zelltod war bis Ende der 80er
Jahre ein Unfall im Gewebe, hervorgerufen durch Sauerstoff- oder Nährstoffmangel
oder physikalische Schädigung. Dass Zellen ein eingebautes Selbstmordprogramm
haben, war unbekannt und wir hatten einen der Schalter dieses Selbstmordpro-
gramms an der Zelloberfläche entdeckt. Dieser programmierte Zelltod wird auch
Apoptose genannt. Apoptein meint das Herunterfallen und Wechseln der Blätter und
zeigt an, dass die Strukturen des Gewebes trotz Absterbens einzelner Komponenten,
also einzelner Zellen, erhalten bleiben. Es lag unmittelbar nahe zu vermuten oder
zu hoffen, dass man durch Umlegen dieses von uns entdeckten Selbstmordschalters
bzw. Selbstmordprogramms Krebszellen umbringen könnte. Am National Cancer
Institute der USA in Bethesda/Washington habe ich dann 1990/1991 an einer
bestimmten Leukämieform, die dort von Tom Waldmann, einem der Pioniere der
immunologischen Tumorforschung, charakterisiert wurde, zum ersten Mal nachge-
wiesen, dass dies tatsächlich zumindest in der Zellkultur bei menschlichen Tumor-
zellen möglich ist. Aber die Umsetzung direkt in eine Behandlung ist bis jetzt noch
nicht geglückt, unter anderem deshalb, weil der von uns entwickelte Antikörper wie
andere ähnliche Substanzen, die Selbstmordschalter in Zellen direkt „drücken“ kön-
nen, im Körper leider auch dazu führen können, dass in normalen Zellen Selbstmord
ausgelöst wird. Dennoch knüpft sich an die Entwicklung ähnlicher Medikamente
eine große Hoffnung, erste Erfahrungen liegen seit einigen Wochen mit einem sol-
chen Therapieprinzip vor. Allerdings scheint es einfacher zu sein, überstürzten Zell-
tod zu blockieren als diesen gezielt auszulösen. 1994 habe ich mit der Arbeitsgruppe
von Alain Fischer am Hopital Necker in Paris die ersten Patienten identifiziert, bei
denen es zu einer Vermehrung weißer Blutzellen und Vergrößerung von Milz und
Lymphknoten durch eine Störung des Selbstmordprogramms kommt, bei der der von
uns entdeckte Selbstmordschalter durch einen Gendefekt außer Funktion ist.
Klinische Medizin und damit Diagnose und Behandlung, haben Konzepte und
Theorien als Grundlage, die aus experimenteller Forschung oder Krankheitsbeob-
achtung stammen. Fortschritte in der Medizin folgen oft auf Fortschritten in den
Krankheitskonzepten. Die Apoptoseforschung hat z.B. das Konzept, dass Krebs nur
durch eine massiv gesteigerte Zellteilung entsteht, auf den Kopf gestellt: Es sterben