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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Antrittsreden
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Frisch, Wolfgang: Antrittsrede vom 15. Juli 2006
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0125
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Wolfgang Frisch

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dann bald als Assistent in das Institut für Rechtsphilosophie und Staatslehre. Die
Tätigkeit in diesem — damals von Reinhold Zippelius geleiteten — Institut war hoch-
interessant, aber auch anspruchsvoll und forderte eine intensive Einarbeitung in die
Grundprobleme der Staatslehre und des Öffentlichen Rechts, der Rechtsphilosophie
und der juristischen Methodenlehre. Neben dem zugleich wahrgenommenen,
damals noch dreieinhalbjährigen Referendardienst blieb damit nur ein begrenztes
Maß an Zeit für die Dissertation, deren Thema ich noch aus dem Strafrecht mitge-
nommen hatte. In deren Mittelpunkt standen Fragen der richterlichen Strafzumes-
sung, insoweit denkbare Rechtsfehler und die Möglichkeit effektiver Kontrollen der
Strafzumessung durch so genannte Revisionsgerichte. Das hatte mit meiner Tätigkeit
in der Staatstheorie und der Rechtsphilosophie nur wenig zu tun. So zog sich die
Fertigstellung der Arbeit trotz Ausnutzung der Feierabende und der Wochenenden
doch etwa drei Jahre hin. Den Fakultätspreis, den ich für die Arbeit schließlich
erhielt, hätte eigentlich meine Frau bekommen sollen — denn ohne ihr Verständnis
hätte ich die Arbeit auch in dieser relativ langen Zeit nicht geschafft. Im Grunde
hatte ich mich als Doktorand etwas übernommen; das zeigte mir eine zeitgleich
erschienene Münchener Habilitationsschrift zum gleichen Thema.
Nach dem Zweiten juristischen Staatsexamen im Jahre 1971 begann ich mit
der Arbeit an meiner Habilitationsschrift. Da ich meine Rolle als Grenzgänger zwi-
schen Strafrecht und Öffentlichem Recht inzwischen auch in vielerlei Hinsicht als
befruchtend empfand, entschloss ich mich nach einigem Zögern, trotz Beibehaltung
der Tätigkeit im Öffentlichen Recht eine Habilitation im Strafrecht anzustreben. Der
Entschluss dazu fiel mir um so leichter, als das Thema wiederum im Grenzbereich
zwischen Strafrecht und Öffentlichem Recht lag. Es betraf die so genannten vor-
beugenden Maßnahmen des Strafrechts — also Rechtsfolgen, die aus Anlass der Be-
gehung einer Straftat dem Täter nicht wegen seiner Schuld, sondern allein wegen
seiner Gefährlichkeit auferlegt werden, wie z.B. die Unterbringung in der Siche-
rungsverwahrung, in einer Entziehungsanstalt oder in einem psychiatrischen Kran-
kenhaus. Diese Maßnahmen, deren kriminalpolitische Bedeutung in den letzten
Jahrzehnten zunehmend gewachsen ist, sind zwar sehr zweckmäßig, werfen aber
aus rechtsphilosophischer und verfassungsrechtlicher Sicht nicht leicht zu beantwor-
tende Legitimationsprobleme auf. Diese Probleme werden durch die für die Anord-
nung solcher Maßnahmen und die Entscheidung über ihre Fortdauer notwendigen
Prognosen noch verschärft - denn diese sind mit vielfältigen Unsicherheiten belastet.
Die Arbeit bemühte sich vor diesem Hintergrund um eine praktisch umsetzbare
Theorie, die die vorbeugenden Maßnahmen zwar grundsätzlich fundiert, aber
zugleich deutlich beschränkt. Aufgrund dieser Arbeit wurde ich im September 1974
für die Fächer Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtstheorie habilitiert. Im Okto-
ber 1974 wurde ich - einem schon zuvor an mich ergangenen Ruf folgend — an der
Universität Bonn zum Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht ernannt.
In Bonn bekam ich die Kehrseite meines Grenzgängertums zu spüren. Da ich
in der Lehre bis dahin ausschließlich im Öffentlichen Recht tätig gewesen war, hatte
ich keine Lehrerfahrung und auch kaum Lehrunterlagen im Strafrecht. So musste ich
wenige Wochen vor Semesterbeginn drei Lehrveranstaltungen gleichzeitig ausarbei-
 
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