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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2006
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Antrittsreden
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Frisch, Wolfgang: Antrittsrede vom 15. Juli 2006
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0127
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Wolfgang Frisch

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und ausländisches Strafrecht. Ich hatte schon zuvor an einer Reihe internationaler
Symposien dieses Instituts mitgewirkt und war von der Möglichkeit, diese interna-
tionalen Kontakte zu verstärken, aber auch auf die größte Strafrechtsbibliothek der
Welt zurückgreifen zu können, fasziniert. So wechselte ich 1992 nach Freiburg;
einen Ruf an die Universität Bonn, den ich 1995 erhielt, lehnte ich ab — obwohl
mich der Gedanke gereizt hatte, meine wissenschaftliche Laufbahn an der Univer-
sität zu beenden, an der ich sie 1974 als Einunddreißigjähriger begonnen hatte.
In Freiburg verschoben sich die Arbeitsschwerpunkte nochmals. Zwar wurde
die Arbeit an den strafrechtlichen Grundkategorien mit dem Ziel einer Anpassung
an moderne Problemstellungen fortgesetzt, desgleichen die Arbeit an den Rechts-
folgen der Tat sowie eine außerordentlich zeitaufwendige Kommentierung des straf-
verfahrensrechtlichen Rechtsmittelrechts in einem Großkommentar. Aber es kamen
doch neue Schwerpunkte hinzu. Der umweit- und wirtschaftsrechtlichen Ausrich-
tung der Fakultät und des Strafrechts entsprechend, entstanden Arbeiten zu Grund-
problemen des Umweltstrafrechts und zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von
Unternehmensorganen sowie zur Strafbarkeit von Unternehmen überhaupt. Immer
mehr beschäftigt hat mich zudem die Frage nach den Grenzen eines rechtsstaatlichen
Strafrechts. Aus der Befassung mit dieser Frage entstanden nicht nur Abhandlungen
über den so genannten materiellen Verbrechensbegriff und über die Grundvoraus-
setzungen eines rechtsstaatlichen Strafrechts. Die grundsätzlichen Einsichten wurden
auch für eine Reihe spezieller Fragestellungen ausgewertet - etwa die Frage nach der
Zulässigkeit paternalistischer Tendenzen im Strafrecht, der Begrenzung der Relevanz
von Opferentscheidungen, Fragen der Sterbehilfe oder der Haltbarkeit einer Pöna-
lisierung bloß unmoralischen anstößigen Verhaltens. Freilich war die Freiburger Zeit
bis vor wenigen Jahren nicht nur eine Zeit des wissenschaftlichen Arbeitens an eige-
nen Projekten. Von 1992-2000 war ich Gutachter der Deutschen Forschungsge-
meinschaft, zuletzt als Mitvorsitzender des juristischen Gutachterausschusses und
abschließender Gutachter. Vor allem die letzten vier Jahre dieser Gutachtertätigkeit
waren belastend; im Durchschnitt waren es etwa vierzig bis fünfzig Projektbegut-
achtungen, die pro Jahr anfielen. Das führte zwar dazu, dass ich einen hervorragen-
den Überblick über die Forschungstätigkeit an deutschen juristischen Fakultäten
erhielt; es hatte jedoch auch zur Folge, dass manche eigene Arbeit zurückgestellt wer-
den musste.
Zu den bisher gepflegten Schwerpunkten ist in den letzten Jahren ein weite-
res Untersuchungsfeld hinzugetreten. Es ist - entsprechend der stark internationalen
und rechtsvergleichenden Ausrichtung der Freiburger Rechtswissenschaftlichen
Fakultät - die Rechtsvergleichung. In einem zusammenwachsenden Europa stellt
sich auch für das Strafrecht die Frage, ob es beim gegenwärtigen Nebeneinander ver-
schiedener nationaler Strafrechtsordnungen bleiben kann oder ob nicht auch dieser
Bereich einer gewissen Vereinheitlichung oder doch zumindest Harmonisierung
bedarf. Prozessuale Institute wie der Europäische Haftbefehl oder der Strafklagever-
brauch in allen Staaten Europas bei Verurteilung in einem anderen Mitgliedsstaat
sind im Grunde nur akzeptanzfähig, wenn die Strafrechtsordnungen und die Verfah-
rensprinzipien in den verschiedenen Staaten Europas sich einigermaßen entspre-
 
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