162
NACHRUFE
Nach Wien zurückgekehrt widmete er sich der Erforschung der Ultrastruktur
von neoplastischen Zellen des Knochenmarkes und der Lymphknoten als Auftakt für
die Studien über Physiologie und Pathophysiologie von Leukozyten. Diese Studien
waren letztlich der Anlass dafür, dass er 1962 eine Monographie veröffentlichen
konnte über „The Physiology and Pathology of Leukoytes“, deren amerikanische
Ausgabe von Dorothea Zucker-Franklin (damals am Montefiore Hospital in New
York) bearbeitet worden war. Es gelang den Herausgebern, die führenden Autoren
ihrer Zeit auf diesem Gebiet der „klassischen“ morphologisch geprägten Hämatolo-
gie zu mobilisieren, ihr Wissen und ihre Erfahrung einzubringen, um — wie es im
Vorwort heißt — das in Erscheinung tretende neue Wissen über die Physiologie,
Pathologie und Biochemie der „weißen Blutzellen“ zusammenfassend darzustellen.
Dazu gehörten Namen wie George Brecher, Eugene P. Cronkite, Rudolf Gross,
Peter Miescher oder Heinz von Foerster, die mit jeweils eigenständigen Arbeiten
über die Produktion, Differenzierung und Lebenserwartung der Leukozyten, über
Granulozyten und ihrem Verhalten nach Strahleneinwirkung oder auch über die
Immunologie derartiger Zellen in Erscheinung treten.
1964 wurde Professor Braunsteiner als Nachfolger von Anton Hittmair an die
Universitätsklinik für Innere Medizin nach Innsbruck berufen und konnte deren
hämatologische Ausrichtung außerordentlich erfolgreich fortsetzen.
Mit dieser Berufung verbunden waren in der Folge auch akademische Pflich-
ten. Von 1967 bis 1972 war er Dekan der Medizinischen Fakultät und von 1979 bis
1981 wirkte er als Rektor der Innsbrucker Universität. Der Entschluss, dem Ruf
nach Innsbruck Folge zu leisten und Wien den Rücken zu kehren, war für ihn — wie
es im Nachruf der Universität Innsbruck heißt — nicht einfach. Die Aufgabe, die sich
ihm stellte, nämlich in Innsbruck eine Klinik neu aufzubauen, die bis dahin „eher
einem Landeskrankenhaus als einer Universitätsklinik glich“, half seine Bedenken zu
überwinden. Wie Braunsteiner selbst es ausdrückte: „Ich versuchte vor allem die wis-
senschaftliche Arbeit zu forcieren“. Die Kombination aus universitärer Forschungs-
und Lehrstätte und einem Landeskrankenhaus mit 20-30 Akutaufnahmen pro Tag
schuf eine Situation, die den dort tätigen Ärzten eine solide internistische Ausbil-
dung zuteil werden ließ. Eine wissenschaftlich fundierte und praktische Orientie-
rung von Ärzten lag Herbert Braunsteiner besonders am Herzen. Die Tatsache, dass
sich an seiner Klinik über 50 Mediziner habilitierten, zeigt deutlich, dass das „seien-
de“ (zu sein ein Mehrer des Wissens) und das „curando“ (zu sein ein Helfer der
Kranken) (wie es in den Leitworten der 1967 gegründeten Ulmer Universität zum
Ausdruck kommt) unauflöslich zusammengehören.
Herbert Braunsteiner war als Wissenschaftler, als akademischer Lehrer und als
begnadeter Arzt weit über die Grenzen seines Heimatlandes verehrt und geschätzt.
Als Verfasser von über 400 Fachpublikationen und Mitglied bzw. Ehrenmitglied zahl-
reicher in- und ausländischer Akademien und Fachgesellschaften sowie als Ehren-
doktor von universitären Institutionen konnte er sich ein herausragendes „Standing“
in der Genossenschaft der Gelehrten erwerben. Seine Beiträge zur Physiologie und
NACHRUFE
Nach Wien zurückgekehrt widmete er sich der Erforschung der Ultrastruktur
von neoplastischen Zellen des Knochenmarkes und der Lymphknoten als Auftakt für
die Studien über Physiologie und Pathophysiologie von Leukozyten. Diese Studien
waren letztlich der Anlass dafür, dass er 1962 eine Monographie veröffentlichen
konnte über „The Physiology and Pathology of Leukoytes“, deren amerikanische
Ausgabe von Dorothea Zucker-Franklin (damals am Montefiore Hospital in New
York) bearbeitet worden war. Es gelang den Herausgebern, die führenden Autoren
ihrer Zeit auf diesem Gebiet der „klassischen“ morphologisch geprägten Hämatolo-
gie zu mobilisieren, ihr Wissen und ihre Erfahrung einzubringen, um — wie es im
Vorwort heißt — das in Erscheinung tretende neue Wissen über die Physiologie,
Pathologie und Biochemie der „weißen Blutzellen“ zusammenfassend darzustellen.
Dazu gehörten Namen wie George Brecher, Eugene P. Cronkite, Rudolf Gross,
Peter Miescher oder Heinz von Foerster, die mit jeweils eigenständigen Arbeiten
über die Produktion, Differenzierung und Lebenserwartung der Leukozyten, über
Granulozyten und ihrem Verhalten nach Strahleneinwirkung oder auch über die
Immunologie derartiger Zellen in Erscheinung treten.
1964 wurde Professor Braunsteiner als Nachfolger von Anton Hittmair an die
Universitätsklinik für Innere Medizin nach Innsbruck berufen und konnte deren
hämatologische Ausrichtung außerordentlich erfolgreich fortsetzen.
Mit dieser Berufung verbunden waren in der Folge auch akademische Pflich-
ten. Von 1967 bis 1972 war er Dekan der Medizinischen Fakultät und von 1979 bis
1981 wirkte er als Rektor der Innsbrucker Universität. Der Entschluss, dem Ruf
nach Innsbruck Folge zu leisten und Wien den Rücken zu kehren, war für ihn — wie
es im Nachruf der Universität Innsbruck heißt — nicht einfach. Die Aufgabe, die sich
ihm stellte, nämlich in Innsbruck eine Klinik neu aufzubauen, die bis dahin „eher
einem Landeskrankenhaus als einer Universitätsklinik glich“, half seine Bedenken zu
überwinden. Wie Braunsteiner selbst es ausdrückte: „Ich versuchte vor allem die wis-
senschaftliche Arbeit zu forcieren“. Die Kombination aus universitärer Forschungs-
und Lehrstätte und einem Landeskrankenhaus mit 20-30 Akutaufnahmen pro Tag
schuf eine Situation, die den dort tätigen Ärzten eine solide internistische Ausbil-
dung zuteil werden ließ. Eine wissenschaftlich fundierte und praktische Orientie-
rung von Ärzten lag Herbert Braunsteiner besonders am Herzen. Die Tatsache, dass
sich an seiner Klinik über 50 Mediziner habilitierten, zeigt deutlich, dass das „seien-
de“ (zu sein ein Mehrer des Wissens) und das „curando“ (zu sein ein Helfer der
Kranken) (wie es in den Leitworten der 1967 gegründeten Ulmer Universität zum
Ausdruck kommt) unauflöslich zusammengehören.
Herbert Braunsteiner war als Wissenschaftler, als akademischer Lehrer und als
begnadeter Arzt weit über die Grenzen seines Heimatlandes verehrt und geschätzt.
Als Verfasser von über 400 Fachpublikationen und Mitglied bzw. Ehrenmitglied zahl-
reicher in- und ausländischer Akademien und Fachgesellschaften sowie als Ehren-
doktor von universitären Institutionen konnte er sich ein herausragendes „Standing“
in der Genossenschaft der Gelehrten erwerben. Seine Beiträge zur Physiologie und