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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2006 — 2006

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
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2. Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.66961#0267
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Das WIN-Kolleg

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vermittelt. Damit wendet sie sich gegen ein Selbstverständnis, das exemplarisch
Peter Abaelard sowie Gilbert Porreta und sein Kreis repräsentieren: In beiden
Fällen wird eine höchste Form des theoretischen Wissens (theologia oder philosophia
bzw. dialecticd), das in der Selbstzweckhaften Einsicht in die Wahrheit selbst besteht,
von allen anderen Arten praktischen oder doch anwendbaren Wissens abgehoben.
Unter systematischem Aspekt finden diese Vertreter einer anspruchsvollen, von
Verwendungskontexten freien und zudem hochgradig rationalisierten Wissenschaft
in den 60er und 70er Jahren des 13. Jahrhunderts ihre Nachfolger in den averroisti-
schen, sogenannten ‘radikalen’ Aristotelikern an der Pariser Artistenfakultät (z. B.
Siger von Brabant, Boethius von Dacien). Bezeichnenderweise geht mit deren
Selbstverständnis wissenschaftlichen Wissens das Beharren auf der Eigenständigkeit
(philosophischer) Wissenschaftlichkeit gegenüber Kirche und Theologie einher.
Die eigentliche Gegenposition zu einem solchen exklusiven Verständnis wissenschaft-
lichen Wissens markieren Gelehrte wie Bonaventura, die auch unter den Bedingun-
gen der universitär institutionalisierten, professionalisierten Wissenschaftlichkeit
einen inklusiven Wissensbegriff in augustinisch-boethianischer Tradition fortfuhren.
Im Rahmen der Projektgruppe wird das Fortwirken der Reste eines partiell
‘vorprofessionellen’Wissenschaftskonzeptes eingehend erforscht, und zwar unter der
besonderen Fragestellung, wie sich aus einem solchen nicht-exklusiven Verständnis
wissenschaftlichen Wissens Antriebe zur Vervolkssprachlichung theologischer Wis-
senschaft und zu ihrer Überführung in eine verinnerlichte Frömmigkeit ergeben.
Den Ausgangspunkt für diese Fragestellung bildet das seinerzeit weit verbreitete
Werk „De septem itineribus aeternitatis“ des Franziskaners Rudolf von Biberach
(1270—1326), der so deutlich in der Nachfolge Bonaventuras steht, daß seine Schrift,
die gerade auch in ihrer alamannischen Übersetzung zu einer der Grundlagen auch
der Laienmystik geworden ist, noch in der ersten kritischen Gesamtedition unter
die Werke des Bonaventura zählte. Im Sinn der übergreifenden Fragestellung des
Projektes wird Rudolfs Wissenskonzept in seinem zweiten Hauptwerk „De septem
donis Spiritus Sancti“ greifbar, das — wiederum in der Nachfolge Bonaventuras -
die scientia theologisch fundiert und in den hierarchischen Zusammenhang der
Geistesgaben (fortitudo, timor Domini, pietas, consolium, sapientia, scientia, intellectus') ein-
stellt. So, nämlich als „Geschenk des Heiligen Geistes“ verstanden, ist das Wissen
grundsätzlich von der theoretischen Wissenschaft berufsmäßiger Gelehrter verschie-
den. Die scientia kommt vielmehr als die die „Wissenschaft als Beruf‘ weit überstei-
gende und keineswegs den Spezialisten vorbehaltene Gotteserkenntnis in den Blick.
Die Erforschung der Motive und Mechanismen der die Grenzen der wissenschaftli-
chen Professionalität überschreitenden Popularisierung universitärer Theologie greift
jedoch aus bis in die Barockzeit: Im Unterschied zu Rudolf von Biberach ist Mar-
tin von Cochem (1634-1712), der als Pfarrer und Pfarrvisitator tätig gewesen ist, ein
religiöser Volksschriftsteller im eigentlichen Sinn. Mit der Seelsorgepraxis gut ver-
traut, sah er seine Aufgabe ausdrücklich in der Vermittlung, Erklärung und Populari-
sierung auch komplexer theologischer Inhalte, die er im engen Bezug auf die Litur-
gie und das Kirchenjahr in eine innerliche und verinnerlichte Frömmigkeit zu über-
führen suchte. In dieser Konzeption setzt er freilich die Dualität von Wissenschaft-
 
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