III. Veranstaltungen
Forschung verdankt. Falsch gestellt ist die Frage nach dem Verhältnis von „Antike
und Christentum" dann und nur dann, wenn sie fern aller Realitäten solche fest-
gefügten Entitäten impliziert.
(3)„Antike und Christentum" im Werk und Wirken von Albrecht Dihle - einige
abschließende Bemerkungen
Wenn man das, was Albrecht Dihle (vor allem auch im „Reallexikon für Antike
und Christentum") zum Forschungsfeld „Antike und Christentum" geschrieben
hat, mit dem vergleicht, was Franz Joseph Dölger darüber bemerkte, fallen über-
raschend viele Ähnlichkeiten zwischen dem skeptischen katholischen Priester und
dem überzeugten protestantischen Altphilologen auf- und sei es die Scheu beider,
mit erhöhter Sprache lange grundsätzliche Erörterungen über das Verhältnis von
Antike und Christentum vorzutragen oder zu veröffentlichten. Beide misstrauten
aus unterschiedlichen Gründen solchen programmatischen Texten. Beide haben
aber ihre klaren Vorstellungen davon, was „das Christentum" (im Singular) von
„der (paganen) Antike" unterscheidet; beide modellieren das Verhältnis selbstver-
ständlich nicht in einem simplen Antagonismus, sondern über die Beschreibung
von Anknüpfungen, Übernahmen, Rekonfigurationen und schlichter Neuheit
im antiken Christentum, die mehr oder weniger ableitbar bleibt. In Zeiten post-
moderner Auflösung von Kategorien wie „Antike" und „Christentum" und der
perhorreszierenden Kritik aller essentialistischen Begriffsbildungen fällt natürlich
der erhebliche zeitliche Abstand zu solchen Sichtweisen der antiken Geistes- und
Begriffsgeschichte auf, ganz egal, ob sie nun aus der ersten Hälfte des zwanzigs-
ten Jahrhunderts stammen (wie bei Dölger) oder aus der zweiten (wie bei Dih-
le). Diese Erfahrung der Fremdheit bezieht sich nicht allein auf den Umgang mit
den jeweiligen Modellierungen von „Antike" und „Christentum": Albrecht Dihle
hat seine magistralen Beiträge vorgelegt, als man noch von „Spätjudentum" und
„Frühkatholizismus" sprach, er hat teleologisch gearbeitet, als dieses Modell histo-
rischer Rekonstruktion noch nicht dem allgemeinen Verdikt verfallen war. Es wäre
aber zutiefst ungerecht, ihn dafür zu kritisieren, dass er nicht unser Zeitgenosse ist
in dem, was er im vergangenen Jahrhundert schrieb.
Angemessener scheint mir zu fragen, was man heute noch von Albrecht Dihle
lernen kann. Ich denke zuallererst an seine stupende Textkenntnis, die nahezu die
ganze antike Literatur bis weit in die byzantinische Epoche hinein umfasste. Von
Dihle kann man lernen, Aussagen über das Verhältnis von „Antike" und „Chris-
tentum" wirklich nur dann zu machen, wenn man glaubt, die Quellen einigerma-
ßen gut zu kennen. Von Dihle kann man schließlich auch lernen, nicht immer nur
auf die spekulative Trinitätstheologie und Christologie zu schauen, sondern auf
die ethische Theoriebildung und die Populärethik. Dihle konnte über „Trommel-
stöcke" in der Antike schreiben, er beschäftigte sich immer wieder ausführlich mit
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Forschung verdankt. Falsch gestellt ist die Frage nach dem Verhältnis von „Antike
und Christentum" dann und nur dann, wenn sie fern aller Realitäten solche fest-
gefügten Entitäten impliziert.
(3)„Antike und Christentum" im Werk und Wirken von Albrecht Dihle - einige
abschließende Bemerkungen
Wenn man das, was Albrecht Dihle (vor allem auch im „Reallexikon für Antike
und Christentum") zum Forschungsfeld „Antike und Christentum" geschrieben
hat, mit dem vergleicht, was Franz Joseph Dölger darüber bemerkte, fallen über-
raschend viele Ähnlichkeiten zwischen dem skeptischen katholischen Priester und
dem überzeugten protestantischen Altphilologen auf- und sei es die Scheu beider,
mit erhöhter Sprache lange grundsätzliche Erörterungen über das Verhältnis von
Antike und Christentum vorzutragen oder zu veröffentlichten. Beide misstrauten
aus unterschiedlichen Gründen solchen programmatischen Texten. Beide haben
aber ihre klaren Vorstellungen davon, was „das Christentum" (im Singular) von
„der (paganen) Antike" unterscheidet; beide modellieren das Verhältnis selbstver-
ständlich nicht in einem simplen Antagonismus, sondern über die Beschreibung
von Anknüpfungen, Übernahmen, Rekonfigurationen und schlichter Neuheit
im antiken Christentum, die mehr oder weniger ableitbar bleibt. In Zeiten post-
moderner Auflösung von Kategorien wie „Antike" und „Christentum" und der
perhorreszierenden Kritik aller essentialistischen Begriffsbildungen fällt natürlich
der erhebliche zeitliche Abstand zu solchen Sichtweisen der antiken Geistes- und
Begriffsgeschichte auf, ganz egal, ob sie nun aus der ersten Hälfte des zwanzigs-
ten Jahrhunderts stammen (wie bei Dölger) oder aus der zweiten (wie bei Dih-
le). Diese Erfahrung der Fremdheit bezieht sich nicht allein auf den Umgang mit
den jeweiligen Modellierungen von „Antike" und „Christentum": Albrecht Dihle
hat seine magistralen Beiträge vorgelegt, als man noch von „Spätjudentum" und
„Frühkatholizismus" sprach, er hat teleologisch gearbeitet, als dieses Modell histo-
rischer Rekonstruktion noch nicht dem allgemeinen Verdikt verfallen war. Es wäre
aber zutiefst ungerecht, ihn dafür zu kritisieren, dass er nicht unser Zeitgenosse ist
in dem, was er im vergangenen Jahrhundert schrieb.
Angemessener scheint mir zu fragen, was man heute noch von Albrecht Dihle
lernen kann. Ich denke zuallererst an seine stupende Textkenntnis, die nahezu die
ganze antike Literatur bis weit in die byzantinische Epoche hinein umfasste. Von
Dihle kann man lernen, Aussagen über das Verhältnis von „Antike" und „Chris-
tentum" wirklich nur dann zu machen, wenn man glaubt, die Quellen einigerma-
ßen gut zu kennen. Von Dihle kann man schließlich auch lernen, nicht immer nur
auf die spekulative Trinitätstheologie und Christologie zu schauen, sondern auf
die ethische Theoriebildung und die Populärethik. Dihle konnte über „Trommel-
stöcke" in der Antike schreiben, er beschäftigte sich immer wieder ausführlich mit
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