Im Licht der Zeit: Mittelalterliche Glasmalerei
Verschwörungstheorien und unwissenschaftlichen Überzeugungen in Zusam-
menhang stehen, dargestellt.
Dr. Martin Gerchen studierte Psychologie in Göttingen und San Diego und wurde in Hei-
delberg promoviert. Er ist Arbeitsgruppenleiter am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
in Mannheim und erforscht neurokognitive Prozesse mit funktioneller Hirnbildgebung. Er
ist WIN-Kollegiat der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und Co-Leiter des WIN-
Projekts „Heterodoxien".
„Im Licht der Zeit: Mittelalterliche Glasmalerei als Objekt des
Glaubens, der Sehnsucht und der Forschung"
Mitarbeitervortrag von Dr. Elena Kosina am 4. Juli 2023
Farbfenster, die seit Jahrhunderten das Erscheinungsbild europäischer Kirchen-
bauten prägen, wurden bereits seit ihren Anfängen kaum nur als einfache Licht-
quelle sondern als ausgefallener und hochwertiger Schmuck des Gotteshauses
empfunden. In wenigen Jahrzehnten nach ihrer ersten Anwendung am gotischen
Bau wurden die exponentiell wachsenden Glaswände in den Kirchen zum un-
entbehrlichen Teil liturgischer Handlung, zur Quelle für mystische Exegese und
profane Interpretation und schließlich zu einer der führenden Gattungen sakraler
Kunst.
Bereits der primäre optische Eindruck von den farbigen, scheinbar selbst-
leuchtenden Bleiverglasungen erklärt die Tatsache, dass dieser Kunstgattung im
Mittelalter etwas Metaphysisches oder zumindest außerordentlich Kostbares zu-
getragen wurde. Tief in der zeitgenössischen Wahrnehmung wurzelte der Mythos
über die Verwendung von Edelsteinen und Edelmetallen in der Herstellung der
Glasfenster. Bekannt ist die Geschichte des Gregor von Tours über einen Dieb,
der die Glasmalereien gestohlen habe, um aus diesen durch Schmelzen wertvolle
Metalle zu gewinnen. Ebenderselben Metapher bedient sich in der Beschreibung
des Hl. Grals Wolfram von Eschenbach und benennt sogar die Edelsteine, die statt
bunter Gläser in die Fenster eingesetzt worden seien: Diamanten, Amethyste, To-
pase, Granate, Chiysolithe, Rubine und Smaragde.
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Verschwörungstheorien und unwissenschaftlichen Überzeugungen in Zusam-
menhang stehen, dargestellt.
Dr. Martin Gerchen studierte Psychologie in Göttingen und San Diego und wurde in Hei-
delberg promoviert. Er ist Arbeitsgruppenleiter am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
in Mannheim und erforscht neurokognitive Prozesse mit funktioneller Hirnbildgebung. Er
ist WIN-Kollegiat der Heidelberger Akademie der Wissenschaften und Co-Leiter des WIN-
Projekts „Heterodoxien".
„Im Licht der Zeit: Mittelalterliche Glasmalerei als Objekt des
Glaubens, der Sehnsucht und der Forschung"
Mitarbeitervortrag von Dr. Elena Kosina am 4. Juli 2023
Farbfenster, die seit Jahrhunderten das Erscheinungsbild europäischer Kirchen-
bauten prägen, wurden bereits seit ihren Anfängen kaum nur als einfache Licht-
quelle sondern als ausgefallener und hochwertiger Schmuck des Gotteshauses
empfunden. In wenigen Jahrzehnten nach ihrer ersten Anwendung am gotischen
Bau wurden die exponentiell wachsenden Glaswände in den Kirchen zum un-
entbehrlichen Teil liturgischer Handlung, zur Quelle für mystische Exegese und
profane Interpretation und schließlich zu einer der führenden Gattungen sakraler
Kunst.
Bereits der primäre optische Eindruck von den farbigen, scheinbar selbst-
leuchtenden Bleiverglasungen erklärt die Tatsache, dass dieser Kunstgattung im
Mittelalter etwas Metaphysisches oder zumindest außerordentlich Kostbares zu-
getragen wurde. Tief in der zeitgenössischen Wahrnehmung wurzelte der Mythos
über die Verwendung von Edelsteinen und Edelmetallen in der Herstellung der
Glasfenster. Bekannt ist die Geschichte des Gregor von Tours über einen Dieb,
der die Glasmalereien gestohlen habe, um aus diesen durch Schmelzen wertvolle
Metalle zu gewinnen. Ebenderselben Metapher bedient sich in der Beschreibung
des Hl. Grals Wolfram von Eschenbach und benennt sogar die Edelsteine, die statt
bunter Gläser in die Fenster eingesetzt worden seien: Diamanten, Amethyste, To-
pase, Granate, Chiysolithe, Rubine und Smaragde.
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