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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2023 — 2023(2024)

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B. Die Mitglieder

parates zu entziehen. Die in Westberlin wiedergewonnene Freiheit hatte Wolfgang
Röllig teuer zu bezahlen. Nicht nur, weil er sich von nun an ganz allein seinen
Lebensunterhalt mit frühmorgendlichem Zeitungsaustragen und zahlreichen an-
deren Hilfsarbeiten verdienen musste, sondern auch, weil man dem Flüchtling aus
Ostdeutschland abverlangte, zwei weitere Jahre die Schulbank zu drücken. Erst
1952 konnte er an der Berliner Freien Universität ein breit angelegtes Studium
beginnen. Religionswissenschaft, Alte Geschichte, Altorientalistik und die Evange-
lische Theologie standen dabei im Mittelpunkt seiner Interessen. Die Möglichkeit,
ein Stipendium zu erhalten und sich so mehr als zuvor seinen Studien widmen
zu können, lockte ihn 1955 nach Heidelberg. Dort traf er auf den Assyriologen
Adam Falkenstein, der in jener Zeit wie kein anderer die deutsche Altorientalistik
prägte und viele Studierende aus dem In- und Ausland um sich versammelte. Es
ist wohl seinem Einfluss und der anregenden Atmosphäre in dem Heidelberger
Assyriologischen Institut zu danken, dass Röllig sich mehr und mehr den Spra-
chen und Kulturen des Alten Orients zuwandte und schließlich das Studium der
Theologie aufgab. Auf Empfehlung von Falkenstein ging er 1957 nach Wien zu
Wolfram von Soden, der dort mit Unterstützung der Heidelberger Akademie der
Wissenschaften das erste moderne Wörterbuch der semitischen Sprachen des alten
Mesopotamien, das bis heute nicht ersetzte Akkadische Handwörterbuch, schuf. Bis
zu seiner Berufung auf den Tübinger Lehrstuhl für Altorientalistik im Jahr 1966
hielt Wolfgang Röllig von Soden als Wörterbuch-Assistent die Treue. Die Arbeit
am Wörterbuch zwang ihn zum gründlichen Studium Hunderter und Aberhun-
derter ungelesener Keilschrifttexte aller Genres und aller Epochen. Notgedrungen
eiwarb er sich auf diese Weise eine titanisch anmutende Fachkenntnis, die sein
Schaffen zeitlebens prägte. Noch als Student erarbeitete Wolfgang Röllig gemein-
sam mit von Soden die grundlegende Neuauflage einer Keilschriftzeichenliste.1
Rölligs Promotionsvorhaben, dessen Thema er noch mit Johannes Friedrich, dem
Berliner Professor für Altorientalistik, vereinbart hatte, lag indes nicht im Bereich
der Keilschriftkunde. Die 1960 an der FU Berlin als Dissertationsschrift einge-
reichten „Studien zu ausgewählten punischen und phönizischen Inschriften" be-
gründeten Wolfgang Rölligs Ruhm als altsemitischer Epigraphiker. Sie bildeten
die Grundlage der 1962 und 1964 gemeinsam mit Herbert Donner herausgegebe-
nen drei Bände mit dem Titel Kanaanäische und aramäische Inschriften, die mehrfach
aufgelegt wurden. Sie stellen einen nicht mehr wegzudenkenden Meilenstein in
der Semitistik und der Kultur- und Bibelwissenschaft dar, die sich mit dem vor-
islamischen Syrien-Palästina beschäftigt. Unerschrocken erschloss sich der junge
Röllig darüber hinaus weitere neue, ganz unterschiedliche Forschungsgebiete. So
beschäftigte er sich etwa mit griechischen Eigennamen in babylonischen Texten

1 W. von Soden, W Röllig, Das Akkadische Syllabar, Rom 21967.

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